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EUROPA/617: Kosovo - Entschädigung für Betroffene aus verseuchten UN-Flüchtlingslagern gefordert


Presseerklärung vom 22. Juni 2017

UN-Generalsekretär Guterres soll Verantwortung übernehmen:
Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter aus verseuchten Flüchtlingslagern entschädigen!


Die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) hat dringend an UN-Generalsekretär Antonio Guterres appelliert, die Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter, die in bleiverseuchten Flüchtlingscamps der Vereinten Nationen (UN) im Kosovo 1999 bis 2012 schwere Gesundheitsschäden davongetragen haben, zu entschädigen. "Die UN dürfen sich ihrer Verantwortung für die Gesundheit und das Leben der ihnen anvertrauten Flüchtlinge nicht entziehen, denn das würde dem Ansehen der UN nachdrücklich schaden", warnte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag. Die UN wollen den Minderheitenangehörigen bisher keine Wiedergutmachung zahlen, obwohl der Menschenrechtsausschuss der UN-Mission im Kosovo "Human Rights Advisory Panel" (HRAP) dies empfohlen hatte. Nach der Nato-Intervention im Kosovo lebten mehrere hundert Roma, Aschkali und Ägypter in fünf bleivergifteten Flüchtlingslagern in Nord Mitrovicë/Mitrovica. Mindestens 192 Roma - unter ihnen viele Kinder - erkrankten durch die Bleibelastung ernsthaft und kämpfen bis heute mit den Folgen. Die Flüchtlinge führen auch eine Reihe von Todesfällen auf Bleivergiftung zurück.

"Die UN müssen den Betroffenen endlich eine medizinische Behandlung in den USA oder in Europa ermöglichen", verlangte die GfbV. "Wir haben immer wieder vor schweren Gesundheitsschäden gewarnt und Ende Oktober 2005 eine Fact-Finding-Mission entsandt, zu der auch der deutsche Umweltmediziner Klaus-Dietrich Runow gehörte. Die Bleiwerte, die er in 66 Haarproben feststellte, lagen zwischen 200 µg/g und 1200 µg/g und waren damit die höchsten Werte, die nach Kenntnis des Spezialisten bei Haarproben je gemessen wurden (Referenzwert: weniger als 1µg/g). Hinzu kamen extrem hohe Arsen- und Kadmiumwerte.

Bei Kindern können Schwermetallvergiftungen irreparable Gehirnschäden, Nierenleiden, Wachstumsstörungen und komaartige Zustände hervorrufen. Es gibt vermehrt Fehlgeburten oder es werden geistig und körperlich behinderte Kinder geboren. Auch bei Erwachsenen können Schwermetallvergiftungen das zentrale Nervensystem und innere Organe schädigen.

Die UN hatten nach Bekanntwerden der Verseuchung des Gebiets um die Kaserne "Osterode" den dort stationierten Soldaten der Kosovo-Truppe (KFOR) von sportlichen Aktivitäten abgeraten. Französische Soldaten berichteten, Militärärzte hätten ihnen empfohlen, nach ihrer Rückkehr neun Monate lang kein Kind zu zeugen. Die Soldaten wurden von dort abgezogen und 593 vertriebene Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter auf dem Gelände untergebracht. Die Umsiedlung der Flüchtlinge in die ehemalige Kaserne hatte die Bundesregierung mit 500.000 Euro mitfinanziert.

Die UNO will jetzt einen Treuhandfonds für die Unterstützung der Roma in Nord-Mitrovicë/Mitrovica, Süd-Mitrovicë/Mitrovica und Leposavić einrichten lassen. Damit sollen die geschädigten Familien ökonomisch und medizinisch unterstützt werden. Außerdem soll die Infrastruktur in Roma-Siedlungen verbessert werden. "Mit diesem Trostpflaster dürfen die bleivergifteten Kosovo-Roma nicht abgespeist werden", kritisiert die GfbV. "Humanitäre Unterstützung darf kein Ersatz für Gerechtigkeit und Wiedergutmachung sein!"

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. Juni 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2017

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