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EUROPA/604: Kosovo - Gerechtigkeit für bleivergiftete Roma


Presseerklärung vom 22. April 2016

Gerechtigkeit für bleivergiftete Kosovo-Roma


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt die Stellungnahme des Menschenrechtsausschusses im Kosovo (The Human Rights Advisory Panel/HRAP), in der empfohlen wird, dass sich die Vereinten Nationen (UN) bei Angehörigen der Roma, Aschkali und Ägypter entschuldigen sowie sie entschädigen sollen. Sie waren in fünf von der UNMIK (Interimsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo) errichteten Flüchtlingslagern von 1999 bis 2012 in der Stadt Nord-Mitrovicë/Mitrovica untergebracht, die mit Blei und anderen Schwermetallen kontaminiert waren. Etwa 500 bis 600 Flüchtlinge kamen 1999 in diese Lager, nachdem extremistische Albaner Roma, Aschkali und Ägypter vertrieben und ihre Häuser in Süd-Mitrovicë/Mitrovica niedergebrannt haben. Rund 130.000 von 150.000 Roma und Aschkali wurden damals durch Morde, Vergewaltigungen, Entführungen, Folterungen und bis heute anhaltende rassistische Verfolgung aus dem Land getrieben.

138 Angehörige der Roma, Aschkali und Ägypter hatten mit der Unterstützung unserer Menschenrechtsorganisation beim HRAP geklagt, dass die UNMIK Menschenrechte verletzt habe. Sie wurden nicht nur in Lagern untergebracht, die stark kontaminiert waren, sondern die UNMIK habe es auch versäumt, sie über die gesundheitlichen Risiken aufzuklären und sie an einen sicheren Ort zu verlegen, argumentierten die Kläger. Zudem seien sie auch nur unzureichend medizinisch behandelt worden. Die Flüchtlingslager lagen nahe einer Bleischmelzanlage und eines Bergbaukomplex. Viele Bewohner sind bis heute schwer krank. Schwermetallvergiftungen verursachen beispielsweise bei Kindern irreparable Gehirnschäden, Nierenleiden und Wachstumsstörungen. Schwangere erleiden entweder Fehlgeburten oder bringen schwer geistig und körperlich behinderte Kinder zur Welt. Ende Oktober 2005 hatte die GfbV eine Fact Finding Mission in das verseuchte Gebiet unter Teilnahme des deutschen Umweltmediziners Klaus-Dietrich Runow entsandt. Er stellte fest, dass die Grenzwerte für Blei bei den untersuchten Menschen weit überschritten waren. Auch die Arsen- und Kadmiumwerte waren besorgniserregend. Vier Kläger sagen, dass ihre Familienmitglieder in den Lagern an den Folgen einer Bleivergiftung gestorben seien.

"Es ist eine bahnbrechende Entscheidung eines Gremiums, dessen 'Urteile' zwar keine bindende Wirkung haben, aber trotzdem darauf hoffen lassen, dass auch die UN eingesehen hat, dass die Minderheitenrechte der Roma, Aschkali und Ägypter im Kosovo nach der NATO-Intervention 1999 mit Füßen getreten wurden und dass die Angehörigen dieser Minderheiten mit Recht es erwarten, dafür entsprechend entschädigt zu werden", erklärte Jasna Causevic, Südosteuropa-Referentin der GfbV.


Link zur Stellungnahme des Human Rights Advisory Panel (HRAP)
http://www.unmikonline.org/hrap/Eng/Cases%20Eng/26-08%20NM%20etal%20Opinion%20FINAL%2026feb16.pdf

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. April 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2016

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