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EUROPA/555: Bosnien - Empörung über Demonstrationsverbot in Prijedor am Tag der Menschenrechte


Presseerklärung vom 10. Dezember 2012

Tag der Menschenrechte?

Empörung über Demonstrationsverbot für bosnische Muslime im serbisch beherrschten Prijedor in Nordwestbosnien



Das Verbot einer friedlichen Protestkundgebung bosnischer Muslime in Prijedor im serbisch beherrschten Teil Bosnien-Herzegowinas ist bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf Empörung gestoßen. "Es ist skandalös, dass Behörden mitten in Europa ungehindert ein System der Apartheid errichten und die Überlebenden des Genozids in Bosnien schikanieren können", kritisierte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Montag in Göttingen. Die Frauenvereinigung "Izvor" wollte am heutigen Tag der Menschenrechte (10.12.) auf die andauernde Diskriminierung und sogar Strafverfolgung von Nichtserben in der Republika Srpska hinweisen, die ihre Rechte öffentlich einfordern. Obwohl die Kundgebung ordnungsgemäß angemeldet war, wurde sie ohne Angabe von Gründen kurzfristig untersagt.

"Das ist nicht das erste Mal, dass sich die Polizei in Prijedor über das Recht auf Versammlungsfreiheit hinwegsetzt und eine friedliche Aktion von Nichtserben verhindert", hatte der Pressesprecher von Izvor, Edin Ramulic, der GfbV telefonisch berichtet. "Serbischen Organisationen, u.a. den Mitgliedern der nationalistischen Tschetnik-Bewegung "Ravnogorski cetnici" wird es jedoch ermöglicht, in furchterregenden schwarzen Uniformen durch Prijedor zu marschieren." Zuletzt hatten die Behörden am 23. Mai 2012 eine Gedenkveranstaltung für 266 ermordete Frauen und Mädchen der Gemeinde Prijedor verboten.

"Die Erinnerungen an die schrecklichen Verbrechen in den Konzentrationslagern Omarska, Keraterm und Trnopolje sowie am Felsen Koricanske stijene 1992, an denen Polizisten von Prijedor maßgeblich beteiligt waren, sind noch wach", sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. Er kündigte an, dass die GfbV sich an die EU-Parlamentarier, den Europarat und die Europäische Agentur für Grundrechte in Wien wenden werde mit der Bitte, Druck auf die Regierung der Republika Srpska auszuüben, der Apartheidspolitik in der Republik Srpska ein Ende zu setzen.

Unter Führung des Krisenstabes der Gemeinde Prijedor, dem der Leiter der Polizei Simo Drljaca angehörte, wurden Polizisten schon zu Beginn des Krieges gegen Bosnien-Herzegowina zu Wärtern, Folterern und Mördern in den Konzentrationslagern. Allein in Omarska und Keraterm wurden mehr als 800 Gefangene ermordet. 200 unschuldige Zivilisten wurden von Polizisten am Koricanske-Felsen erschossen. In 21 von bisher 28 Verbrechen in Prijedor, über die das Internationale Kriegsverbrechertribunal inzwischen geurteilt hat, sind Polizisten verwickelt. Neun Polizisten müssen sich noch vor Gericht verantworten.

Von den rund 56.000 Bosniaken und Kroaten, die rund die Hälfts der Einwohner der Gemeinde Prijedor stellten, wurden meist schon im ersten Kriegsjahr 3.173 getötet. Rund 53.000 wurden vertrieben und in der ganzen Welt zerstreut. Heute sollen 8.000 bis 10.000 Vertriebene in die Großgemeinde zurückgekehrt sein.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. Dezember 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2012