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EUROPA/425: Europa ist für Eskalation in Tibet mitverantwortlich


Presseerklärung vom 16. März 2008

Scharfe Kritik an EU

Europa ist für Eskalation in Tibet mitverantwortlich


Die nachsichtige Politik der Europäischen Union ist nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen mitverantwortlich für die Eskalation in Tibet. "Europas Regierungen haben mit Rücksicht auf Chinas Führung alle Warnungen vor einem Ausbruch des in Tibet zu erwartenden Konflikts ignoriert", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Auch der letzte hochrangige Vertreter der Bundesregierung, der Peking besuchte, Umweltminister Sigmar Gabriel, habe am 31. Januar 2008 einen beschämenden Kotau vor der chinesischen Regierung gemacht. Er habe sich öffentlich vom Dalai Lama distanziert, weil China ihn als Separatisten betrachte, warf die GfbV dem Politiker vor. Wenige Wochen zuvor habe sich bereits der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder Chinas Propaganda zu eigen gemacht. Er hatte erklärt, die Gefühle der Chinesen seien durch den Empfang des Dalai Lama durch Bundeskanzlerin Angela Merkel verletzt worden.

"Alle detaillierten Empfehlungen nationaler Parlamente wie des Deutschen Bundestages und des Europaparlaments für eine glaubwürdigere Tibet-Politik wurden nicht umgesetzt", kritisierte Delius. Die Regierungen der europäischen Länder hätten jedes konsequente Engagement für eine dauerhafte Lösung des Tibet-Konflikts vermissen lassen und mit ihrem Schweigen die Zerstörung der tibetischen Kultur, Religion und Gesellschaft durch China sogar indirekt gefördert. Die chinesische Führung setze ihre Kampagne der Verleumdung und Kriminalisierung des Dalai Lama jetzt fort, indem sie ihn für die jüngsten Proteste in Lhasa verantwortlich mache. Doch die Demonstrationen hätten gezeigt, dass nicht nur die tibetische Exilregierung in Indien, sondern auch viele Menschen in Tibet Chinas Herrschaft über ihre Heimat kritisieren.

Der Tibet-Konflikt sei nicht damit zu beenden, dass europäische Politiker in Peking nur um die Freilassung einzelner Inhaftierter bitten. Europa müsse Chinas Führung nachdrücklich dazu drängen, die Sinisierung Tibets zu beenden und einen glaubwürdigen Dialog mit dem Dalai Lama zu beginnen. Dies habe auch der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit in seiner viel beachteten Tibet-Resolution im Jahr 1996 gefordert. Die Bundesregierungen hätten diese Aufforderung jedoch bis heute nicht umgesetzt.

Die GfbV warnt wie viele andere Menschenrechtsorganisationen seit Jahren vor einer drohenden Eskalation des Tibet-Konflikts. Der Druck China auf die Tibeter nimmt immer mehr zu. Tibetische Schulen werden geschlossen, ihre traditionelle Sprache droht zu verschwinden. In Wirtschaft und Gesellschaft klagen Tibeter über Diskriminierung. Systematisch werden sie zur Minderheit im eigenen Land gemacht und selbst in ihrer buddhistischen Religion will Chinas atheistische Führung das Sagen haben.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 16. März 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2008