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EUROPA/421: Ausgeplündert und abgeschoben - Yezidische Flüchtlinge aus dem Irak


Presseerklärung vom 11. Januar 2008

Ausgeplündert und abgeschoben

Yezidische Flüchtlinge aus dem Irak klagen über menschenverachtende Praxis griechischer und türkischer Behörden


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Griechenland und der Türkei am Freitag vorgeworfen, mit kurdisch-yezidischen Flüchtlingen aus dem Irak besonders menschenverachtend umzugehen. Statt die nach entbehrungsreichen Tagen erschöpften Flüchtlinge zu registrieren, in einem fairen Verfahren ihre Fluchtgründe festzustellen, die Menschen eventuell aufzunehmen und in andere EU-Länder weiterzuverteilen, werden die meisten offenbar rigoros in die Türkei abgeschoben, sagte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido. Von den türkischen Behörden aufgegriffen, werde den Yeziden dann ihre letzten Habe abgenommen, bevor sie an den türkisch-irakischen Grenzübergang Khabur zehn Kilometer nördlich der Stadt Zakho transportiert und im Niemandsland abgesetzt werden. So werde die Regionalregierung von Irakisch-Kurdistan gezwungen, die Flüchtlinge, die meist keine Ausweispapiere mehr besitzen, aufzunehmen und für sie aufzukommen.

"Bereits zum dritten Mal seit dem 21. Dezember haben türkische Behörden eine Gruppe yezidischer Flüchtlinge ins Grenzgebiet zum Irak gebracht", berichteten GfbV-Mitarbeiter aus Arbil. Insgesamt hätten bisher rund 300 Yeziden dieses Schicksal erlitten, darunter viele junge Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren, aber auch Frauen und Kinder. So seien Ende Dezember vier yezidische Familien mit insgesamt 20 Kindern nach Irakisch-Kurdistan abgeschoben worden.

Die türkische Regierung hatte Medienberichten zufolge erklärt, ihre Küstenwache entdecke die Flüchtlinge in türkischen Gewässern, nachdem die griechische Küstenwache sie dorthin gebracht habe. Diese Angaben hätten türkische Fischer im Ägäischen Meer bestätigt. Ein Flüchtling berichtete, dass er mit anderen Yeziden zwei Wochen lang von der griechischen Küstenwache auf einer Insel festgehalten worden sei. Dort hätten sie kaum Trinkwasser und Lebensmittel bekommen.

Nach Informationen der GfbV stammen die yezidischen Flüchtlinge überwiegend aus dem Gebiet Sinjar, dem Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden im Nordwesten des Irak. Dort waren bei verheerenden Anschlägen am 14. August 2007 rund 400 Zivilisten ums Leben gekommen. Sinjar gehört zu den Regionen des Irak, die zwischen der Regionalregierung Kurdistan und der Zentralregierung in Bagdad umstritten ist. Insgesamt leben im Irak noch etwa 550.000 der weltweit etwa 800.000 Yeziden.

Yeziden wurden als Angehörige einer jahrhundertealten weder christlichen noch islamischen Religionsgemeinschaft unter osmanischer Herrschaft häufig verfolgt. Nach vielen Vertreibungswellen und Massakern in Syrien, der Türkei und dem Iran sind dort nur noch kleine Gruppen von Yeziden ansässig. Zehntausende haben in Mitteleuropa Zuflucht gefunden, allein 50.000 in Deutschland.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Arbil, 11. Januar 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2008