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ASIEN/439: China verletzt Anti-Folter-Konvention - Tibetischer Mönch stirbt in Haft


Presseerklärung vom 14. Juni 2012

Tibetischer Mönch stirbt in Polizeigewahrsam

Schwere Vorwürfe gegen China: Anti-Folter-Konvention wird systematisch verletzt - Mindestens 114 Tibeter starben seit März 2008 in Haft



Nach dem Tod eines tibetischen Mönchs in Polizeigewahrsam hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) der Volksrepublik China am Donnerstag vorgeworfen, systematisch die Anti-Folter-Konvention zu verletzen. ?Unserer Menschenrechtsorganisation sind die Namen von mindestens 114 politischen Gefangene bekannt, die seit März 2008 in Tibet in Haft oder aufgrund von im Gefängnis erlittener Folter gestorben sind?, berichtete der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius.

Der jüngste Fall ereignete sich bereits Ende Mai 2012: Der 32 Jahre alte Mönch Khawang erlag drei Tage nach seiner Verhaftung seinen im Polizeigewahrsam zugefügten Verletzungen. Sein Tod wurde erst jetzt bekannt, nachdem Angehörige die Behörden mehrfach gedrängt hatten, den Verbleib des Inhaftierten offenzulegen. Der verstorbene Mönch stammte aus einer Nomadenfamilie. Er war am 25. Mai 2012 in der tibetischen Präfektur Kardze in der Provinz Sichuan festgenommen worden. Khawang wurde beschuldigt, Banner, auf denen für die Unabhängigkeit Tibets geworben wurde, an einem Regierungsgebäude befestigt zu haben. Der Tibeter bestritt seine Tatbeteiligung. Augenzeugen berichteten, dass er daraufhin geschlagen und gefoltert wurde.

?Obwohl China am 4. Oktober 1988 die Anti-Folter-Konvention ratifiziert hat, ist Folter im Polizeigewahrsam und in Gefängnissen alltäglich?, kritisierte Delius. Meist werden die Gefangenen gefoltert, um Geständnisse zu erpressen. Dabei hatte die chinesische Regierung am 31. Mai 2010 öffentlich versichert, dass unter Zwang erpresste Geständnisse in Strafverfahren nicht mehr berücksichtigt werden dürfen.

Um zu verhindern, dass gefolterte politische Gefangene in Haft sterben, ist es nach GfbV-Angaben gängige Praxis in China, schwerkranke Gefangene freizulassen. So wurde der buddhistische Mönch Geshi Tsultrim Gyatso im Dezember 2011 aus medizinischen Gründen freigelassen und sofort in ein Krankenhaus eingewiesen. Am 22. Januar 2012 starb der 51 Jahre alte Tibeter an den Folgen der Folter, die er während seiner sechsmonatigen Haft durchleiden musste. Ein Polizist wies nach dem Tod des Mönchs jede Verantwortung von sich: ?Wir sind nicht verantwortlich für den Tod eines Gefangenen außerhalb der Haftanstalt.?

Auch der Mönch Yeshe Tenzin starb am 7. September 2011 in Freiheit an den Folgen seiner während der Haft erlittenen Folter. Zehn Jahre lang war er im Gefängnis und erst zehn Monate vor seinem Tod freigekommen. Nicht anders erging es dem Mönch Jampa Pelsang, der am 23. Mai 2011 verstarb. Er war nur 17 Tage zuvor nach 15 Jahren Haft freigelassen worden. Im Mai 2011 bestätigten die Behörden auch den Tod des am 9. Februar 2011 bei einer Demonstration verhafteten Mönchs Tsering Gyaltsen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. Juni 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012