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ASIEN/361: China - Selbstkritik und Drohungen, um Friedensnobelpreis für Regimekritiker abzuwenden


Presseerklärung vom 30. September 2010

Friedensnobelpreis 2010: Sechs chinesische Dissidenten unter den aussichtsreichsten Kandidaten

China droht und übt Selbstkritik, um Auszeichnung von Regimekritikern abzuwenden


Mit Drohungen und Selbstkritik versucht Peking zu verhindern, dass möglicherweise ein Menschenrechtler aus China mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, kritisiert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Fünf chinesischen Oppositionellen und einer Uigurin aus der chinesischen Provinz Xinjiang werden 21 Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama große Chancen auf den diesjährigen Friedensnobelpreis eingeräumt", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. Die Regimekritiker gehören zum Kreis der 230 vorgeschlagenen Kandidaten. Am 8. Oktober wird bekannt gegeben, wer 2010 mit dem Preis international gewürdigt wird.

Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums hatte am Dienstag erklärt, eine Auszeichnung des inhaftierten Schriftstellers Liu Xiaobo sei ein falsches Signal, da er ein Straftäter sei. Bereits im Juni 2010 hatte die stellvertretende Außenministerin Fu Ying bei einem Besuch in Oslo ihren norwegischen Amtskollegen gewarnt, dass Peking eine Preisverleihung als unfreundlichen Akt ansehen würde.

Selbstkritisch hatte die chinesische Regierung erstmals in ihrem am vergangenen Sonntag zum neunten Mal veröffentlichten "Weißbuch zur Lage der Menschenrechte" eingeräumt, dass es noch "viel Raum für Verbesserungen bei den Menschenrechtsbedingungen" gebe. "Doch die Selbstkritik ist kaum ernst zu nehmen, da das Weißbuch vor Falschaussagen und Entstellungen nur so strotzt", erklärte Delius. So lobt sich China mehrfach für seine Minderheiten-Politik. "Dabei ist die Menschenrechtslage in Tibet heute schlimmer als je zuvor in den vergangenen 20 Jahren. Dort ist die Zahl der politischen Gefangenen seit 2007 um das 15-Fache von 110 auf 1600 gestiegen." Im benachbarten Xinjiang/Ostturkestan herrsche nach einer Welle massiver Verhaftungen Friedhofsruhe. Sowohl die Sprache der dort lebenden Uiguren, als auch die der Tibeter, werde zerstört.

Als besonders aussichtsreicher Kandidat für den Friedensnobelpreis gilt der im Dezember 2009 zu elf Jahren Haft verurteilte Schriftsteller Liu Xiaobo. Chancen eingeräumt werden aber auch dem inhaftierten Bürgerrechtler Hu Jia, der uigurischen Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer und dem Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng. Als Kandidat geführt wird außerdem der im September 2010 nach Verbüßung von vier Jahren Haft freigelassene Chen Guangcheng. Er gilt als engagierter Kritiker der staatlichen Ein-Kind-Politik. Beim Nobel-Komitee wurde auch der ehemalige hochrangige Funktionär der Kommunistischen Partei, Bao Tong, als Kandidat registriert. Er fordert eine Neubewertung des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 30. September 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2010