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AFRIKA/665: Eskalation der Gewalt in Kamerun - Afrikanischem Staat droht Bürgerkrieg


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 12. November 2017

Starke Zunahme politisch motivierter Morde

Eskalation der Gewalt in Kamerun - Afrikanischem Staat droht Bürgerkrieg


Nach einer Serie politisch motivierter Morde hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor einer Eskalation der Gewalt und einem Bürgerkrieg in Kamerun gewarnt. "Dringend muss der Streit um die Benachteiligung der englischsprachigen Minderheit in dem zentralafrikanischen Staat durch politische Verhandlungen gelöst werden, um eine weitere Eskalation der Spannungen zu verhindern. Der seit 35 Jahren regierende Staatspräsident Paul Biya scheint jedoch nicht zu einem glaubwürdigen Dialog mit der Minderheit bereit zu sein", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius. Innerhalb dieser Woche wurden bei drei Mordanschlägen mutmaßlicher Befürworter einer Abspaltung der englischsprachigen Regionen vier Sicherheitskräfte getötet.

Zuletzt ist am Freitag ein Soldat nahe der Stadt Mambé an der Grenze zu Nigeria von bewaffneten Maskierten überfallen und erwürgt worden. Der Streit um die Zukunft der englischsprachigen Gebiete war Ende des Jahres 2016 eskaliert, als Proteste der Minderheit brutal von Sicherheitskräften niedergeschlagen wurden. Der Konflikt verschärfte sich weiter, als am 1. Oktober 2017 Soldaten mindestens 17 Demonstranten bei der symbolischen Ausrufung der Republik "Ambazonia" durch die englischsprachige Minderheit erschossen. Aus Hubschraubern sollen Armeeangehörige wahllos auf die feiernde Menge in der im Nordwesten des Landes gelegenen Stadt Bamenda gefeuert haben, berichteten Augenzeugen. Später wurde über der Stadt der Ausnahmezustand verhängt und der Mobilfunkverkehr eingestellt. Mehrere Dutzend Demonstranten wurden verhaftet. Rund 20.000 Anglophone flohen vor der Gewalt nach Nigeria.

Nachdrücklich forderte die Menschenrechtsorganisation eine Bestrafung der Verantwortlichen für die Eskalation der Gewalt, um Vertrauen zu schaffen und einen glaubwürdigen politischen Dialog zwischen allseits respektierten Sprechern der englischsprachigen Minderheit und der französischsprachigen Mehrheit zu beginnen.

Die englischsprachige Minderheit im Nord- und Südwesten des Land stellt rund ein Fünftel der 23 Millionen Bürger des Landes. Seit vielen Jahrzehnten beklagen die Anglophonen, nur als Bürger zweiter Klasse behandelt und in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nicht angemessen berücksichtigt zu werden. Auch werfen sie der französisch dominierten Regierung vor, ihre Regionen zu vernachlässigen. Der Konflikt geht auf die Kolonialzeit zurück, als die ehemalige deutsche Kolonie im Jahr 1916 unter Frankreich und Großbritannien aufgeteilt wurde. Am 1. Oktober 1961 wurden die englischsprachigen Gebiete in den 1960 von Frankreich unabhängig gewordenen Staat Kamerun integriert.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. November 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2017

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