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AFRIKA/621: Äthiopien - Zwei Monate nach Blutbad an Oromo noch immer keine Aufklärung


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 1. Dezember 2016

Blutbad an Oromo muss unabhängig untersucht werden

Blutbad in Äthiopien nach zwei Monaten noch immer nicht aufgeklärt - Behörden verspielen letztes Vertrauen


Die äthiopische Regierung will die Zahl der Opfer bei einem Blutbad während eines Erntedankfestes der Oromo-Volksgruppe und die Umstände ihres Todes offenbar gezielt verheimlichen, kritisiert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) genau zwei Monate nach den schrecklichen Ereignissen in Äthiopien. "Nach der Auswertung von Zeugenaussagen sind wir davon überzeugt, dass viel mehr Menschen getötet wurden als die offiziell eingeräumten 56. Auch nähren die Aussagen von Augenzeugen große Zweifel an der offiziellen Darstellung eines bedauerlichen Unfalls aufgrund einer Massenpanik", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Nachdrücklich fordern wir die äthiopische Regierung dazu auf, eine auch von den Vereinten Nationen geforderte Untersuchung der Todesfälle durch unabhängige Menschenrechtsexperten zu ermöglichen." Nach Schätzungen von lokalen Menschenrechtsgruppen und Oromo-Vertretern kamen bei dem traditionellen Irreecha-Fest am 2. Oktober 2016 mindestens 678 Menschen zu Tode, als Sicherheitskräfte massiv gegen rund zwei Millionen Oromo-Pilger vorgingen.

"Hunderte Oromo warten noch immer auf Lebenszeichen ihrer Angehörigen, die seit dem Fest als verschwunden gelten", sagte Delius. Augenzeugen berichten, dass in den Wochen nach dem Blutbad mehr als 100 Leichen an den Ufern des Hora-Kratersees in Bishoftu angeschwemmt wurden. Dort hatten sich die Pilger versammelt. Viele Menschen sollen zu Tode gekommen sein, als sie auf der Flucht vor der Polizei nach Ausbruch einer Massenpanik in den See stürzten. "Die Angehörigen haben Fragen über Fragen, doch von den Behörden bekommen sie keine Antworten", sagte Delius. "So markiert das Massaker von Bishoftu eine Zäsur in Äthiopien, denn seither traut den Behörden niemand mehr. Der Zorn der Oromo ist grenzenlos. Sie werfen der Regierung, den gewaltsamen Tod so vieler unschuldiger Menschen provoziert zu haben."

Nach Angaben von Augenzeugen soll das Fest lange Zeit friedlich verlaufen sein. Die Lage habe sich erst zugespitzt, als sich von der Regierung ernannte Vertreter auf dem Podium zeigten statt die traditionell das Fest organisierenden Gadaa-Verantwortlichen. Daraufhin stimmten Oromo Sprechchöre an, um Redebeiträge der offiziellen Vertreter zu verhindern. Später warfen die Pilger auch Plastikflaschen und Steine. Die Polizei feuerte mit Tränengas in die Menschenmenge und gab Schüsse ab. So entstand eine Massenpanik unter den Pilgern. Viele Oromo suchten in Gräben Schutz und wurden von den nachdrängenden Massen regelrecht erdrückt. "Alles deutet darauf hin, dass das Blutbad kein bedauerlicher Unfall war, sondern Folge von exzessiver Polizeigewalt", sagte Delius. "Wenn die Verantwortlichen für den Polizei-Einsatz nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wird Äthiopien nicht zur Ruhe kommen."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 1. Dezember 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2016

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