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AFRIKA/463: Sudan - Fadenscheinige Begründung für weitere Inhaftierung der zum Tode verurteilter Christin


Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. - Presseerklärung vom 2. Juni 2014

Begründung für weitere Inhaftierung der zum Tode verurteilten Christin Mariam Yahia Ibrahim ist fadenscheinig: "Sudans gleichgeschaltete Justiz für unabhängig zu erklären ist eine Farce"



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat scharfe Kritik an der Entscheidung der sudanesischen Regierung geübt, die zum Tode verurteilte Christin Mariam Yahia Ibrahim aus angeblichem Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz nun doch nicht in den nächsten Tagen freizulassen. "Es ist lächerlich, dass sich eine Regierung, die bei schweren Menschenrechtsverletzungen Straflosigkeit propagiert, nun zum Retter des Rechtsstaats erklärt. Hier macht sich der Bock zum Gärtner und will sich im Ausland dafür auch noch feiern lassen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Im Sudan gibt es für Opfer von Mord, Vergewaltigung oder Vertreibung in den Bürgerkriegsregionen keine Gerechtigkeit, erst recht nicht, wenn es Andersgläubige sind. Durch die weitgehende Gleichschaltung der Justiz kann im Sudan von einer unabhängigen Rechtsprechung kaum die Rede sein."

Das sudanesische Außenministerium hatte am Sonntag Berichte von einer baldigen Freilassung der inhaftierten Konvertitin dementiert. Der Radiosender BBC habe entsprechende Äußerungen eines stellvertretenden Staatssekretärs missverstanden und aus dem Zusammenhang gerissen, hatte ein Ministeriumssprecher erklärt.

"Sudans islamistische Richterinnen und Richter haben ein eigenes Verständnis von grundlegenden Menschen- und Bürgerrechten", sagte Delius. So finden vor ihren Augen Studenten und Bürgerrechtler, die gegen Preiserhöhungen oder für mehr Meinungsfreiheit demonstrieren, kein Verständnis. Auch junge Musliminnen, die von Islamisten durchgesetzte Kleidervorschriften missachten und sich nicht zu Menschen dritter Klasse degradieren lassen wollen, werden mit aller Härte bestraft. Wie schlecht es um die Unabhängigkeit der Justiz steht, wird aber vor allem in den Bürgerkriegsregionen Darfur und Süd-Kordofan deutlich. "Dort können von der Armee bewaffnete und gesteuerte Milizen seit Jahren ungestraft vergewaltigen und morden", berichtete Delius. "Wenn das sudanesische Außenministerium diesen rechtsfreien Raum als Rechtsstaat darstellt, dann ist dies ein Hohn."

Wie schlecht es um die Rechtsprechung im Sudan steht, wird auch daran deutlich, dass Staatspräsident Omar Hassan al Bashir das weltweit einzige amtierende Staatsoberhaupt ist, das per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird. Die systematische Islamisierung der sudanesischen Justiz hatte bereits Mitte der 70er-Jahre begonnen und war 1989 nach dem Militärputsch des noch heute regierenden Präsidenten Bashir mit der Ernennung hunderter islamistischer Richter massiv vorangetrieben worden.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 2. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2014