Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

AFRIKA/303: Übergriffe auf Afrikaner in Libyen - Übergangsrat muss Schutz garantieren


Presseerklärung vom 30. August 2011

Nach Übergriffen auf Afrikaner

Libyen muss Schutz von Minderheiten garantieren - Kritik an Afrikanischer Union und Algerien


Der Nationale Übergangsrat Libyens muss im Land lebende Afrikaner vor Übergriffen schützen, fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Schwarzafrikanische Migranten sowie Angehörige der im Landesinnern ansässigen Toubou und Tuareg dürfen nicht pauschal als Handlanger des Gaddafi-Regimes abgestempelt und als "Freiwild" behandelt werden", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Niemandem darf allein aufgrund seiner ethnischen Abstammung der Schutz durch Sicherheitskräfte verweigert werden." Bei der Einnahme der Stadt Tripolis ist es in den vergangenen Tagen zu zahlreichen Übergriffen auf afrikanische Migranten gekommen. Gaddafi-Gegner nahmen Dutzende Afrikaner fest und verschleppten sie in Geheimgefängnisse. Die Gefangenen haben sich nicht an den Kämpfen beteiligt, werden jedoch aufgrund ihrer Hautfarbe fälschlich für Söldner Gaddafis gehalten.

Als "verlogen" bezeichnete die GfbV die Kritik der Afrikanischen Union (AU) an den Übergriffen auf Nicht-Araber. "Jahrzehntelang hat die AU das Gaddafi-Regime gestützt und zu rassistischen Übergriffen auf Schwarzafrikaner in Libyen geschwiegen", sagte Delius. "Nach dem Sturz des Diktators entdecken die Regierungen Afrikas nun plötzlich ihr Herz für verfolgte Afrikaner." Der Vorsitzende der AU-Kommission, Jean Ping, hatte am Montag erklärt, die AU könne den Nationalen Übergangsrat Libyens angesichts der Übergriffe nur eingeschränkt anerkennen.

Im Jahr 2000 starben bei Pogromen gegen Schwarzafrikaner mindestens 135 afrikanische Arbeiter in Libyen. Schlägertrupps machten damals willkürlich Jagd auf Afrikaner, ohne dass libysche Sicherheitskräfte eingriffen. Nur Ghanas damaliger Staatschef Jerry Rawlings kritisierte, dass seine Landsleute nicht vor Übergriffen geschützt wurden. Die meisten afrikanischen Staaten schwiegen zu den Pogromen, weil sie nicht auf die großzügige finanzielle Hilfe des Gaddafi-Regimes verzichten wollten. Auf einem AU-Gipfeltreffen in Sirte 2005 sicherte Libyen zu, gemeinsam mit vier anderen Staaten 75 Prozent des AU-Budgets aufzubringen. 2009 wurde Gaddafi trotz massiver internationaler Kritik zum AU-Vorsitzenden gewählt.

"Die AU hat in der Libyen-Krise versagt", kritisierte Delius. Bis vor wenigen Tagen plädierte Südafrikas Regierung noch für Friedensverhandlungen mit Gaddafi. Auch die algerische Regierung, die im eigenen Land Proteste der Demokratiebewegung niederschlagen lässt, schadet dem Ansehen Afrikas, wenn sie Angehörigen des Gaddafi-Clans Zuflucht gewährt. Die GfbV fordert, dass alle ins Ausland geflohenen Familienangehörigen Gaddafis dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt werden, um ihre mögliche Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen.


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 30. August 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2011