Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

NAHOST/190: Ägyptischer Präsident versagt beim Schutz der Menschenrechte


Pressemitteilung vom 28. Juni 2013

Ägyptischer Präsident versagt beim Schutz der Menschenrechte

Enttäuschende Bilanz nach einem Jahr Präsidentschaft von Mohamed Mursi/Folter und Misshandlung von Festgenommenen sind an der Tagesordnung



Berlin, 28.Juni 2013 - Amnesty International zeichnet nach einem Jahr der Präsidentschaft von Mohamed Mursi ein ernüchterndes Bild der Menschenrechtslage in Ägypten. "Die Menschenrechtsbilanz des neuen Präsidenten ist enttäuschend. In einigen Bereichen hat sich die Menschenrechtslage im ersten Amtsjahr von Mohamed Mursi sogar verschlechtert", sagt Alexia Knappmann, Ägypten-Expertin von Amnesty International. Mursi hatte am 30. Juni 2012 sein Amt angetreten. "Mursi hat die historische Chance verpasst, mit der Praxis von Willkür, Folter und der Unterdrückung abweichender Meinungen der Regierung Mubarak konsequent zu brechen. Sein Versprechen, Tötung und Verletzung von Protestierenden während der Herrschaft des Militärrats aufzuklären, hat er nicht gehalten", kritisiert Knappmann. Nach wie vor geht die Polizei und das Militär bei Protesten mit unverhältnismäßiger und zum Teil tödlicher Gewalt gegen Demonstranten vor. "Folter und Misshandlung von Festgenommenen sind weiter an der Tagesordnung. Die Täter genießen weitgehend Straffreiheit."

Amnesty International hat im ersten Amtsjahr von Mohamed Mursi zahlreiche Fälle von Schikane gegen Aktivisten und andere Menschen dokumentiert, die sich kritisch gegenüber der Regierung oder den Muslimbrüdern geäußert haben. "Statt die Meinungsfreiheit zu schützen, wie es Präsident Mursi in seiner Antrittsrede angekündigt hat, haben die Verfolgung und die Festnahmen von Journalisten und Aktivisten wegen 'Beleidigung des Präsidenten' seit seinem Amtsantritt spürbar zugenommen", stellt Knappmann fest.

Auch die Zahl der Anklagen wegen sogenannter "religiöser Diffamierung" nimmt zu. "Diese Anklagen sollten fallengelassen und alle entsprechenden Urteile rückgängig gemacht werden. Hier werden Menschen verfolgt, die lediglich friedlich ihre Meinung kundtun oder sich zu einer anderen Religion bekennen", sagt Knappmann.

Mit Sorge beobachtet Amnesty auch, dass Ägypten zivilgesellschaftliches Engagement weiter erschweren will. "Es gibt zunehmend Restriktionen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen auf der Grundlage eines Gesetzes von 2002." Ein neues Gesetz, das die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen noch weiter einschränken soll, ist geplant. "Diese Pläne und auch die Verurteilung von 43 NGO-Mitarbeitern Anfang Juni, sind weitere Beispiele dafür, dass auch die neuen Machthaber in Ägypten ihren Bürgern keine volle Meinungs- und Vereinigungsfreiheit gewähren wollen", stellt Knappmann fest. Weiter kritisiert Amnesty, dass die Regierung die Rechte von Frauen nicht ausreichend schützt. "Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen täglich auf der Straße befürchten müssen, sexuell belästigt und bei Demonstrationen Opfer von schockierenden sexuellen Übergriffen zu werden, während die Täter weitgehend ungestraft bleiben", kritisiert Knappmann. "In seinem Programm für die Präsidentschaftswahlen versprach Mursi, die Beteiligung der Frauen an der Entwicklung Ägyptens sicherzustellen. Doch noch immer sind die Ägypterinnen von Ämtern in der Regierung, gesetzgebenden Gremien und der Justiz weitgehend ausgeschlossen", sagt Knappmann. "Im Straf-, Familien- und Erbrecht werden Frauen weiterhin massiv benachteiligt. Diese diskriminierenden Gesetze und Praktiken müssen endlich abgeschafft werden." Auch die Verfassung schützt die Rechte von Frauen nicht ausreichend, da sie nicht ausdrücklich die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet.

*

AMNESTY INTERNATIONAL ist eine von Regierungen, politischen Parteien, Ideologien, Wirtschaftsinteressen und Religionen unabhängige Menschenrechtsorganisation. Amnesty kämpft seit 1961 mit Aktionen, Appellbriefen und Dokumentationen für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt. Die Organisation hat weltweit drei Millionen Unterstützer. 1977 erhielt Amnesty den Friedensnobelpreis.

*

Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 28. Juni 2013
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013