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NORDAMERIKA/095: US-Gefangenenlager Guantánamo soll geschlossen werden (ai journal)


amnesty journal 02/03/2009 - Das Magazin für die Menschenrechte

Land in Sicht
Das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba soll geschlossen werden.
Europäische Staaten können bei einer schnellen Lösung helfen.

Von Ferdinand Muggenthaler


Nach sieben Jahren ist ein Ende in Sicht. Nach dem Amtsantritt von Barack Obama am 20. Januar ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die letzten Häftlinge das Gefängnis auf dem US-Stützpunkt Guantánamo Bay verlassen. Allerdings bleibt die Frage, wie dies umgesetzt werden soll.

Am 11. Januar 2002 brachten Militärmaschinen die ersten Gefangenen nach Guantánamo. Die US-Regierung versuchte dort eine rechtsfreie Zone zu schaffen. So genannte "Feindliche Kämpfer" sollten ohne Prozess auf unbestimmte Zeit eingesperrt bleiben. Die Gefangenen waren der Willkür des Militärs ausgeliefert. Es gibt zahlreiche Berichte von Misshandlungen und Folter. Fast 800 Männer waren insgesamt dort eingesperrt. Etwa 250 sitzen dort noch immer, von der Außenwelt abgeschnitten, die meisten, ohne dass ihnen eine Straftat vorgeworfen wird. Nur zwei Gefangene wurden verurteilt - nicht in einem fairen Verfahren vor einem ordentlichen Gericht, sondern in einem Verfahren vor einer "Militärkommission".

Amnesty International fordert von der US-Regierung, nicht nur das symbolträchtige Gefangenenlager zu schließen, sondern jede illegale Haft zu beenden und zu rechtsstaatlichen Verfahren zurückzukehren. Die Gefangenen müssen freigelassen oder in einem fairen Verfahren einer Straftat angeklagt werden.

Für 50 bis 60 Gefangene ist die Lösung weniger einfach. Es gibt keine Hinweise, dass sie angeklagt werden sollen. Sie können aber auch nicht in ihre Herkunftsländer zurück, weil ihnen dort Folter oder Verfolgung drohen. Sie kommen aus Ländern wie China, Libyen, Russland, Syrien, Tunesien und Usbekistan. Für diese Männer muss nach Jahren der illegalen Haft ein Platz gefunden werden, wo sie sich wieder ein Leben in Würde aufbauen können.

Es liegt vor allem in der Verantwortung der USA, hier eine Lösung zu finden. Eine Möglichkeit ist, ihnen einen sicheren Aufenthalt in den USA anzubieten. Allerdings ist es unrealistisch, dass die USA alle diese Gefangenen, die sie jahrelang ohne Beweise als gefährliche Terroristen abgestempelt haben, aufnehmen werden. Einige werden sich nach sieben Jahren Gefangenschaft in Guantánamo auch nicht in den USA niederlassen wollen. Außerdem besteht die Gefahr, dass, wie schon in der Vergangenheit, Gefangene in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Folter oder Verfolgung droht.

Hier können die europäischen Staaten helfen und zu einem schnellen Ende des Menschenrechtsskandals beitragen. Seit langem fordern Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen, dass die europäischen Staaten einigen dieser Gefangenen eine neue Heimat bieten sollen.

Im Dezember erklärte sich mit Portugal erstmals ein EU-Land bereit, ehemalige Gefangene, die aus anderen Staaten stammen, aufzunehmen. "Es ist Zeit, dass die EU die Initiative ergreift", schrieb der portugiesische Außenminister an seine Kollegen. Die EU-Staaten sollten sich bereit erklären, ehemalige Häftlinge aufzunehmen und damit ein "klares Signal" senden, dass sie der US-Regierung bei der Schließung Guantánamos helfen wollen.

Jetzt kommt es darauf an, dass es nicht bei Versprechen und Signalen bleibt. Für die Gefangenen, die sich seit sieben Jahren in einer aussichtslosen Lage befinden, und für den Schutz der Menschenrechte insgesamt.


Der Autor ist USA-Experte der deutschen Sektion von Amnesty International.


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Quelle:
amnesty journal, Februar/März 2009, S. 49
Herausgeber: amnesty international
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Redaktionanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2009