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NAHOST/153: Amnesty zieht düstere Bilanz zur Menschenrechtslage in Ägypten


Pressemitteilung vom 23. Januar 2014

Amnesty zieht düstere Bilanz zur Menschenrechtslage in Ägypten

- Drei Jahre nach erster Großdemonstration wird Meinungs- und Versammlungsfreiheit noch immer unterdrückt
- Keine Aufklärung der Gewalt gegen Demonstranten



BERLIN, 23.01.2014 - Drei Jahre nach der ersten großen Demonstration, die den Auftakt der "Revolution des 25. Januar" bildete, zieht Amnesty International mit Blick auf die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Ägypten eine düstere Bilanz.

"Die Forderungen des Volksaufstands vom 25. Januar 2011 sind auch drei Jahre und drei Regierungen später unerfüllt", sagt Selmin Çaliskan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Weder die Militärregierung unter Feldmarshall Tantawi noch der islamistische Präsident Mursi noch die jetzige Übergangsregierung haben ihre Versprechen gehalten und die Forderungen nach "Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit" verwirklicht. Die 17-monatige Militärherrschaft war gekennzeichnet durch exzessive Gewalt gegen Protestierende, Militärgerichtsverfahren gegen Tausende Zivilisten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Unter Mursi wurden Oppositionelle, Journalisten und Satiriker juristisch verfolgt. Anklagen wegen Blasphemie nahmen zu.

Seit Anfang Juli 2013 werden unter der Übergangsregierung Proteste der Muslimbruderschaft gewaltsam aufgelöst, tatsächliche und mutmaßliche Unterstützer zu Tausenden festgenommen und ihre Führung vor Gericht gestellt. Auch kritische Stimmen der säkularen und linken Aktivisten der "Revolution des 25. Januar", die die Menschenrechtsverletzungen aller Regierung anprangern, werden zum Schweigen gebracht.

Mit Blick auf die neue Verfassung erklärt Çaliskan: "Die ägyptische Regierung wird an ihren Taten gemessen. Es muss sich in der Praxis erweisen, ob der verbesserte Menschenrechtsschutz auch umgesetzt wird." Das drakonische Versammlungsrecht von Ende vergangenen Jahres höhlt das in der neuen Verfassung garantierte Versammlungsrecht aus. "Wenn die Teilnahme an einer friedlichen Demonstration oder ein Tweet im Internet ins Gefängnis führen können, sind Grundrechte in der Verfassung leere Versprechen", sagt Çaliskan.

Amnesty International kritisiert das selektive Vorgehen der ägyptischen Justiz: während Kritiker und Oppositionelle willkürlich festgenommen und zu langen Haftstrafen verurteilt werden, werden Polizei und Militär für exzessive Gewalt gegen Demonstrierende nicht zur Rechenschaft gezogen. Mehr als 2000 Menschen wurden in den vergangenen drei Jahren bei gewaltsamen Auflösungen von Protesten getötet, doch nur eine Handvoll der Täter verbüßen deshalb Haftstrafen. Betroffene und ihre Angehörigen warten noch immer auf Gerechtigkeit. "Die ägyptische Regierung muss die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen, eine umfassende, an Menschenrechten orientierte Reform des Sicherheitsapparats einleiten und die friedliche Äußerung von Kritik zulassen. Sonst droht ein Rückfall in ein System der Unterdrückung wie zu Zeiten Mubaraks", sagt Çaliskan.

Am 25. Januar findet Berlin eine Amnesty-Solidaritätsaktion für Ägypten statt.
Die Informationen sind unter www.amnesty.de/nofretete abrufbar.

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AMNESTY INTERNATIONAL ist eine von Regierungen, politischen Parteien, Ideologien, Wirtschaftsinteressen und Religionen unabhängige Menschenrechtsorganisation. Amnesty kämpft seit 1961 mit Aktionen, Appellbriefen und Dokumentationen für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt. Die Organisation hat weltweit drei Millionen Unterstützer. 1977 erhielt Amnesty den Friedensnobelpreis.

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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 23. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2014