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NAHOST/124: NATO muss die Luftangriffe in Libyen auf zivile Opfer untersuchen


Amnesty International - 10. August 2011

NATO muss die Luftangriffe in Libyen auf zivile Opfer untersuchen


10. August 2011 - Die NATO muss alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um den Tod von Zivilpersonen bei ihrem Militäreinsatz zu vermeiden, erklärte Amnesty International, nachdem Gaddafi-treue libysche Amtsträger die Anschuldigung erhoben hatten, in der Nacht zum Dienstag seien 85 Menschen bei einem Luftangriff gestorben.

Amnesty International forderte die NATO auf, die Anschuldigungen umfassend zu untersuchen, dass unbewaffnete Zivilpersonen bei einem Luftangriff im Gebiet des Dorfes Majar südlich der Stadt Zlitan getötet worden seien. Unabhängige Journalist_innen, die zum Ort des Geschehens gebracht worden waren, berichteten, dass ihnen dort an die 30 Leichensäcke gezeigt und vier davon geöffnet wurden; darin befanden sich die Leichen von zwei Frauen und zwei Kindern.

Am Dienstag sagte der NATO-Sprecher Oberst Roland Lavoie, dass das "legitime Ziel" des Angriffs mehrere landwirtschaftliche Gebäude gewesen seien, die von Gaddafis Streitkräften in Besitz genommen worden waren. Er fügte hinzu, dass er keine "Nachweise über zivile Opfer habe". "Die NATO muss alle zur Verfügung stehenden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um zivile Todesopfer auszuschließen, auch in Fällen, in denen Gaddafis Streitkräfte zivile Einrichtungen zu militärischen Zwecken nutzen", erklärte Hassiba Hadj Sahraoui, Nordafrika-Expertin bei Amnesty International.

"Die NATO betont immer wieder, dass sie sich in der Pflicht sieht, Zivilpersonen zu schützen. In diesem Sinne sollte sie diesen und alle übrigen Luftangriffe, bei denen im Westen Libyens Zivilpersonen getötet worden sein sollen, umfassend untersuchen." Am 2. August richtete Amnesty International die schriftliche Aufforderung an NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die Vorfälle vom Juni diesen Jahres aufzuklären, bei denen Berichten zufolge in Surman und Tripolis unbewaffnete Zivilpersonen verletzt und getötet wurden.

Am 19. Juni sollen mehrere Zivilpersonen, darunter auch Kinder, zu Tode gekommen sein, als ein Projektil in Wohnhäuser in Tripolis einschlug. Eine Sprecherin der NATO teilte später mit, dass bei dem Luftangriff auf der Raketenbasis "möglicherweise ein Ausfall des Waffensystems aufgetreten ist und in der Folge ein nicht anvisiertes Ziel getroffen wurde, was Berichten zufolge zu einer Reihe von zivilen Opfern führte."

Am 20. Juni sollen NATO-Angriffe auf Wohnhäuser von Zivilpersonen auf einem Grundstück des Gaddafi-Verbündeten Khweildy al-Hamedi in Surman mehrere zivile Opfer gefordert haben, darunter eine Frau und ihre beiden Kinder. Die NATO erklärte, dass die Einrichtung ein ordnungsgemäßes militärisches Ziel war und versicherte, dass vor der Durchführung des Angriffs Vorkehrungen getroffen worden waren, die "das potentielle Risiko vermeidbarer Todesfälle minimiert haben".

Seit März 2011 hat Amnesty International wiederholt Zugang zu den Gebieten unter der Kontrolle von Mu'ammar al-Gaddafi gefordert, um Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu untersuchen. Dazu gehörten auch die Zielbereiche der NATO-Angriffen mit Berichten über zivile Opfer. Die Organisation hat auf ihre Aufforderung bislang keine Antwort erhalten.

Am 17. März, als die Kämpfe im Osten Libyens und in Misratah zunahmen, stimmte der UN-Sicherheitsrat zum Schutz von Zivilpersonen für die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen und für die Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen mit Ausnahme einer Besetzung durch ausländische Truppen.

Das internationale Bündnis führte den ersten militärischen Angriff gegen Gaddafi am 19. März durch. Ende März übernahm die NATO das Kommando der Militäroperation. Bei dem Versuch, Gebiete unter der Kontrolle der Opposition zurückzuerlangen, führten die Truppen Gaddafis wahllose Angriffe und richteten diese auch gegen die Zivilbevölkerung. Insbesondere Misratah war von den Angriffen betroffen. Von März bis Mitte Mai und sporadisch auch im Sommer erlebten die Bewohner_innen unablässige und wahllose Raketenangriffe.

Am 31. Juli starben drei unbewaffnete Zivilpersonen und eine weitere Person wurde verletzt, als Raketen auf das Wohnviertel Magasaba abgefeuert wurden.

URL der Meldung:
http://www.amnesty.de/2011/8/11/nato-muss-die-luftangriffe-libyen-auf-zivile-opfer-untersuchen?destination=startseite


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2011