Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

MITTELAMERIKA/104: Kolumbien - Regierung beschönigt Lage der Menschenrechte


Pressemitteilung vom 27. Oktober 2008

Kolumbien: Regierung beschönigt Lage der Menschenrechte

Umfassender Amnesty-Bericht zu Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten veröffentlicht


London/Madrid, 28.10.2008 - Die kolumbianische Regierung zeichnet ein positives Bild der Menschenrechtslage in Kolumbien, trotz zunehmender Berichte von internen Vertreibungen, Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger und andere sozial engagierte Bürger sowie von Tötungen durch Sicherheitskräfte, sagte Amnesty International heute in einem Bericht.

"Die kolumbianischen Autoritäten streiten sämtliche Vorwürfe ab und weigern sich sogar zuzugeben, dass es einen bewaffneten Konflikt in ihrem Land gibt - die Menschen jedoch erzählen uns eine andere Geschichte", sagte Marcelo Pollack, Kolumbien-Researcher bei Amnesty International. "Es ist unmöglich, ein Problem zu lösen ohne zuzugeben, dass es überhaupt ein Problem gibt. Leugnen verurteilt nur noch mehr Menschen zu Missbrauch und Tod."

Der Bericht von Amnesty International ist die umfassendste aktuelle Studie zur Lage der Menschenrechte in dem südamerikanischen Land. Der Bericht zeigt, dass, während sich einige Menschenrechtsindikatoren - wie beispielsweise Entführungen oder die Sicherheitslage in ein paar Städten - über die Jahre verbessert haben, sich viele andere verschlechterten.

Die Studie entlarvt auch wiederholte Erklärungen der kolumbianischen Regierungen als falsch, wie beispielsweise Äußerungen, dass paramilitärische Gruppierungen nicht länger aktiv sind, dass Menschenrechtsverletzer zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Arbeit von sozial engagierten Bürgern und von Gewerkschaftern vollkommen respektiert wird.

"Seit über 40 Jahren sind die Kolumbianer in einem der schlimmsten vergessenen Konflikte der Welt gefangen und befinden sich unter Beschuss von Sicherheitskräften, Paramilitärs und Guerilla-Gruppen, während die Regierung es versäumt, sinnvolle Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen", sagte Marcelo Pollack.

"Um Kolumbiens tragische Realität umzukehren, müssen die Regierung und die Guerilla-Gruppen ein für allemal die Zivilbevölkerung aus dem Konflikt heraushalten."

Die Studie von Amnesty International zeigt, dass 2007 in Kolumbien

mindestens 1.400 Zivilisten getötet wurden, noch einmal mehr als die 1.300 Opfer 2006. In den Fällen, wo der Täter bekannt ist, waren die Sicherheitskräfte für mindestens 330 Tötungen verantwortlich, die Paramilitärs für etwa 300 und die Guerilla für etwa 260.

nicht weniger als 305.000 Kolumbianer vertrieben wurden, im Vergleich zu 220.000 Vertriebenen im Jahr 2006.

mindestens 190 Menschen Opfer von "Verschwindenlassen" durch die Sicherheitskräfte und Paramilitärs wurden oder infolge von Entführungen durch Guerilla-Gruppen vermisst werden, dies sind noch einmal mehr als die etwa 180 Opfer 2006.

Amnesty International ruft alle Konfliktparteien im kolumbianischen Konflikt dazu auf, den politischen Willen unter Beweis zu stellen, die Menschenrechtsverstöße zu beenden. Die Organisation fordert auch die internationale Gemeinschaft dazu auf, größere Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass die gegnerischen Seiten im Konflikt die Menschenrechte der kolumbianischen Bevölkerung respektieren.


*


Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 27. Oktober 2008
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach 58 01 61, 10411 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306 oder 030/42 02 48-314
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2008