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GRUNDSÄTZLICHES/269: 60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (ai journal)


amnesty journal 06/07/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

Auf dem roten Teppich
Bei der Jahresversammlung feierte Amnesty International den
60. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Von Dawid Danilo Bartelt


Der Applaus schwoll an. Zögerlich erst, dann aber entschlossen erhoben sich die rund 700 Amnesty-Mitglieder von ihren Sitzen in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg. Oben auf dem Podium lächelte Eren Keskin verlegen. Die türkische Anwältin war gekommen, ein Grußwort an die Amnesty-Jahresversammlung 2008 zu richten. Die Delegierten wussten genau, dass eine Frau vor ihnen stand, die für ihre Überzeugung schon oft zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde und sich dennoch nicht mundtot machen lässt. Auch Lipkan Basajewa, die für die russische Menschenrechtsorganisation Memorial mit tschetschenischen Flüchtlingsfrauen in Inguschetien arbeitet, ehrten die Delegierten stehend.

Basajewa und Keskin sind "Menschenrechtsverteidigerinnen". Sie zu schützen, ist eine Schwerpunktaufgabe der Amnesty-Arbeit, doch was diese Arbeit ausmacht, wird auf einer Jahresversammlung nicht immer sofort deutlich. So können Strategiedebatten manchmal vergessen machen, warum man sich bei Feiertagswetter drei Tage in einer Sporthalle vergräbt. Eren Keskin erinnerte die Delegierten daran: "Während ich verfolgt wurde, bedroht wurde und im Gefängnis saß, war die Unterstützung von Amnesty für mich sehr wichtig. Möglicherweise hat mir diese Unterstützung sogar das Leben gerettet, und dafür möchte ich mich herzlich bedanken."

Immerhin: Am Pfingstsamstag suchten die Maulwürfe das Licht. Die Leibchen im neuen Amnesty-Corporate Design und damit gelber als die Sonne am blauen Himmel, zogen die Mitglieder vom Bahnhof durch die Einkaufscity zum Hamburger Rathausmarkt. "Jeder Mensch hat Rechte", stellte das Plakat an der Zugspitze fest, und so selbstverständlich dies klingt, so wenig bekannt scheint es zu sein. Gerade erst hat eine von Amnesty in Auftrag gegebene Untersuchung gezeigt, dass mehr als 40 Prozent der Deutschen kein Menschenrecht benennen können.

"Proklamiert ist noch nicht realisiert", beschrieb Amnesty-Vorstandssprecher Stefan Keßler in seiner Ansprache vor dem Hamburger Rathaus das Grundproblem aller Menschenrechtsarbeit: Seit dem Ereignis, dessen Jubiläum die Amnesty-Mitglieder mit ihrer Kundgebung begingen, der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor 60 Jahren, sind zahlreiche Abkommen zustandegekommen. Aber sie schützen erst, wenn die Zuständigen auch willens sind, sie umzusetzen. Keskin und Basajewa erinnerten daran, dass dies viel zu selten der Fall ist.

Auf dem Rathausmarkt ging es erst einmal wieder ums Unterzeichnen - symbolisch. Ein roter Läufer führte zu einer zwei mal zwei Meter großen Ausgabe der Erklärung. Gut hundert Hamburger Passanten machten von dem Angebot Gebrauch, ihre Unterschrift darunter zu setzen. Und sei es auch, wie es eine Dame ausdrückte, um "endlich mal über einen roten Teppich zu laufen". Was sie auch in voller Länge auskostete. Danach wusste sie mehr über ein Dokument, das nicht nur unter Hamburgern noch viel bekannter gemacht werden muss.

Der Autor ist Pressesprecher der deutschen Amnesty-Sektion.


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Quelle:
amnesty journal, Juni/Juli 2008, S. 36
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2008