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AKTION/994: Urgent Action - Iran - Unmittelbar drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-087/2012, AI-Index: MDE 13/017/2012, Datum: 21. März 2012 - we

Iran
Unmittelbar drohende Hinrichtung


Herr HABIBOLLAH GOLPARIPOUR

Habibollah Golparipour, ein Angehöriger der kurdischen Minderheit im Iran, wurde 2010 zum Tode verurteilt. Jetzt wurde er in das Semnan Gefängnis, im Norden des Iran verlegt. Seine Familie darf ihn seitdem nicht mehr besuchen. Die Hinrichtung von Habibollah Golparipour könnte unmittelbar bevorstehen.

Habibollah Golparipour wurde am 27. September 2009 festgenommen, als er sich im Nordwesten des Irans, auf dem Weg von der Stadt Mahabad nach Urmia befand. In einem Brief an den Obersten Religionsführer des Irans, der im Dezember 2010 veröffentlicht wurde, gab er an, während seines Verhörs gefoltert worden zu sein. Habibollah Golparipour war am 15. März 2010 vor der ersten Kammer des Revolutionsgerichts von Mahabad erschienen und wurde zum Tode verurteilt. Man sprach ihn wegen der Zusammenarbeit mit der "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan" (PJAK), einer verbotenen bewaffneten kurdischen Widerstandsgruppe, der "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) schuldig. Das Gerichtsverfahren dauerte nach Angaben von Habibollah Golparipour lediglich fünf Minuten. Der Schuldspruch sowie das Todesurteil gegen Habibollah Golparipour wurden am 1. August 2010 durch die 31. Kammer des Obersten Gerichtshofes und am 9. Juni 2011 nach erneuter richterlicher Überprüfung bestätigt. Laut Gerichtsunterlagen bestritt Habibollah Golparipour jede Verwicklung in bewaffnete Kämpfe, gab jedoch an, die Widerstandsgruppe PJAK finanziell unterstützt zu haben. Weiterhin hatte Habibollah Golparipour sich laut der Unterlagen dazu geäußert, wie man ihn behandelte. Es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass die von Habibollah Golparipour geäußerten Vorwürfe der Folter und anderer Misshandlungen untersucht worden sind.

Habibollah Golparipour wurde vor kurzem vom Gefängnis in Urmia in das Gefängnis in Semnan verlegt. Seiner Familie sagte man, sie könne ihn erst nach den iranischen Neujahrsferien, die Anfang April enden, besuchen.

Amnesty International erkennt das Recht und die Verantwortung von Behörden an, Straftatverdächtige vor Gericht zu stellen, wendet sich jedoch gleichzeitig ungeachtet der Schwere eines Verbrechens vorbehaltlos gegen die Todesstrafe, da sie die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Laut der Gerichtsunterlagen, die von Amnesty International eingesehen werden konnten, trug Habibollah Golparipour bei seiner Festnahme einen Memorystick mit Fotos, eine Speicherkarte für ein Handy, drei Seiten voller Tabellen mit Codes und 86 Telefonnummern sowie 246 Bücher bei sich. All diese Dinge sollen in Verbindung zu der PJAK stehen.

Die ersten fünf Monate der Haft hielt man Habibollah Golparipour in einer Hafteinrichtung der iranischen Revolutionsgarden in Mahabad und einem Haftzentrum des iranischen Geheimdienstes in Sanandaj in der Provinz Kurdestan fest. Dort wurde er seinen Angaben zufolge während der Verhöre gefoltert. Die ersten vier Monate wusste seine Familie nichts über seinen Verbleib.

Die Kurden stellen eine der vielen Minderheiten im Iran dar. Sie wohnen überwiegend im Westen und Nordwesten des Landes, in der Provinz Kurdistan und in Provinzen, die an von Kurden bewohnte Regionen der Türkei und des Irak angrenzen. Bei der Wahrnehmung ihrer religiösen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte erleiden die KurdInnen Diskriminierung (für weitere Informationen siehe den englischen Bericht: Human rights abuses against the Kurdish minority
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/088/2008/en).

Kurdische Organisationen wie die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) und die marxistisch ausgerichtete Gruppierung Komala haben der Islamischen Republik Iran den bewaffneten Kampf erklärt, sind jedoch derzeit militärisch nicht aktiv. Die 2004 gegründete Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) verübte anfänglich Anschläge gegen iranische Sicherheitskräfte, hat aber 2009 einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. Allerdings kommt es nach wie vor zu bewaffneten Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, die die PJAK als "Selbstverteidigung" bezeichnet. Die Verantwortung für Angriffe auf Zivilpersonen, unter anderem auch auf RichterInnen, wurden von der Regierung des Irans immer wieder kurdischen Gruppierungen zugeschrieben. Diese bestreiten jedoch meist, an solchen Attacken beteiligt gewesen sein. Im Jahr 2011 haben Einheiten des iranischen und türkischen Militärs grenznahe Gebiete unter Beschuss genommen, in denen sie Stützpunkte der bewaffneten Arbeiterpartei Kurdistans PKK und der PJAK vermuteten. (siehe auch den englischsprachigen Bericht: Amnesty International, Turkey/Iraq: Investigation needed into killing of civilians in the Kurdistan region of Iraq, 26. August 2011
http://www.amnesty.org/en/library/info/REG01/003/2011/en).

EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, die Hinrichtungen von Habibollah Golparipour zu stoppen und sein Todesurteile sowie alle weiteren im Iran verhängten Todesurteile umzuwandeln. Dies betrifft auch die Todesurteile gegen weitere kurdische politische Gefangene.

- Ich bitte Sie eindringlich, Habibollah Golparipour sofortigen und regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und seinem Rechtsbeistand sowie, falls erforderlich, eine angemessene medizinische Versorgung zu gewähren.

- Ich möchte meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass Habibollah Golparipour kein faires Verfahren erhalten hat und fordere Sie auf, die Foltervorwürfe von Habibollah Golparipour zu untersuchen und mögliche Verantwortliche zur Verantwortung zu ziehen.


APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader, Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: "#Iran leader @khamenei_ir: halt the execution of Habibollah Golparipour"

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[C/o] Public Relations Office, Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., above Pasteur Street
intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency/ Exzellenz)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com
(Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani) oder larijani@dadgostary-tehran.ir


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[C/o] Office of the Head of the Judiciary, Pasteur St., Vali Asr Ave.
south of Serah-e Jomhouri, Tehran 1316814737
IRAN (korrekte Anrede: Dear Sir/ Sehr geehrter Herr Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder - info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Iranian authorities not to carry out the execution of Habibollah Golparipour and to commute his death sentence and those of everyone else on death row, including other Kurdish political prisoners.

- Calling on them to ensure that Habibollah Golparipour is granted immediate and regular access to his family, his lawyer and any necessary medical treatment.

- Expressing concern that Habibollah Golparipour did not have a fair trial, and urging the authorities to investigate his allegations that he was tortured, and bring anyone found responsible for abuses to justice.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG:

Amnesty International lehnt Anschläge auf Zivilpersonen wie etwa RichterInnen, Geistliche und gewählte VolksvertreterInnen bedingungslos ab. Anschläge auf Zivilpersonen stellen eine Verletzung fundamentaler Grundsätze des humanitären Völkerrechts dar, die ein ausdrückliches Verbot solcher Anschläge wie auch der Anwendung wahlloser und unverhältnismäßiger Gewalt enthalten. Für derartige Gewaltakte gibt es keinerlei Rechtfertigung.

Derzeit sitzen vermutlich mindestens 18 weitere kurdische Männer in den iranischen Todestrakten ein. Die Gefangenen stehen im Verdacht, verbotenen kurdischen Organisationen anzugehören oder für solche Organisationen tätig zu sein. Einige von ihnen waren zunächst zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, später erging in der Berufungsinstanz dann die Todesstrafe gegen sie. Seit November 2009 sollen mindestens zehn aus politischen Gründen zum Tod verurteilte KurdInnen hingerichtet worden sein. Die iranischen Behörden bestätigten jedoch nicht alle dieser Hinrichtungen.

Häftlinge im Iran, die oft keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand haben und ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten werden, werden während ihrer Verhöre immer wieder Opfer von Folter und anderen Misshandlungen. Für weitere Informationen siehe: From Protest to Prison: Iran One Year after the Election, Juni 2010,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/062/2010/en
und Iran: Election Contested, Repression Compounded, Dezember 2009,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/123/2009/en


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-087/2012, AI-Index: MDE 13/017/2012, Datum: 21. März 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2012