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AKTION/984: Urgent Action - Israel/besetzte palästinensische Gebiete - Palästinenserin im Hungerstreik


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-071/2012-1, AI-Index: MDE 15/013/2012, Datum: 13. März 2012 - we

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Palästinenserin noch immer im Hungerstreik

Weitere Informationen zu UA-071/2012 (MDE 15/010/2012, 2. März 2012)


HANA SHALABI

Die Verwaltungshaftanordnung für die palästinensische Gefangene Hana Shalabi ist auf vier Monate verkürzt worden. Die Entscheidung eines Militärrichters über das von ihr eingelegte Rechtsmittel gegen die Verwaltungshaft steht jedoch noch aus. Hana Shalabi befindet sich seit ihrer Festnahme vor mehr als drei Wochen im Hungerstreik. Ihre gesundheitliche Verfassung wird immer kritischer.

Nachdem ein Militärrichter die sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung gegen Hana Shalabi am 29. Februar überprüft hatte, entschied er am 4. März ihre Haft um zwei Monate zu verkürzen. Laut dieser Entscheidung würde die Verwaltungshaft von Hana Shalabi nun am 16. Juni 2012 enden, könnte jedoch anschließend erneuert werden. Hana Shalabi befindet sich weiterhin im Hungerstreik. Ursprünglich wollte sie so ihren Protest gegen Misshandlungen während ihrer Festnahme am 16. Februar zum Ausdruck bringen. Dann führte sie den Hungerstreik weiter, um gegen ihre Inhaftierung ohne vorherige Anklage und Gerichtsverfahren zu protestieren. Am 23. Februar ordnete man als Strafe für ihren Hungerstreik eine Woche Einzelhaft an. Nach vier Tagen wurde sie dann jedoch wieder in eine Gemeinschaftszelle gebracht, wo sie sich noch immer befindet.

Nachdem der Rechtsbeistand von Hana Shalabi Rechtsmittel gegen die viermonatige Haftstrafe eingelegt hatte, fand am 7. März eine Berufungsverhandlung vor dem zuständigen Militärgericht statt. Der Militärrichter vertagte die Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel jedoch, nachdem die Militärstaatsanwaltschaft Widerspruch gegen den Antrag auf Freilassung von Hana Shalabi erhoben hatte. Die VertreterInnen der Staatsanwaltschaft zitierten "geheime Beweismittel", welche die Haftstrafe gegen Hana Shalabi rechtfertigen sollen, deren Offenlegung aber "aus Sicherheitsgründen" zurückwiesen wurde. Dementsprechend war es Hana Shalabi unmöglich, wirksam von ihrem Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs Gebrauch zu machen. Eine Ärztin der Organisation Physicians for Human Rights - Israel hat Hana Shalabi am 8. und 12. März besucht. Sie berichtete, dass Hana Shalabi jeden Tag schwächer werde und sich ihre Muskeln bereits zurückbilden. Weiterhin soll die Palästinenserin unter Schwindelanfällen und zeitweiliger Bewusstlosigkeit leiden. Die Familie von Hana Shalabi hat sie seit ihrer Festnahme noch nicht besuchen dürfen. Ihrem Vater wurde nicht gestattet bei der Gerichtsverhandlung am 7. März anwesend zu sein, sodass er keine Gelegenheit hatte, seine Tochter zu sehen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Hana Shalabi stammt aus Burqin, einer Ortschaft am Rande der Stadt Jenin im Westjordanland. Nach Auskunft ihrer Familie hatte sie vor ihrer Festnahme am 16. Februar die Absicht, am Kolleg Al-Rawda in Nablus eine Ausbildung zur Krankenpflegerin zu beginnen. Nach ihrer Festnahme brachte man Hana Shalabi zur Vernehmung zunächst in das Haftzentrum Salem. Tags darauf wurde die Palästinenserin in das im Norden Israels gelegene Haftzentrum Hasharon eingeliefert. Am 23. Februar erging gegen Hana Shalabi eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung, unterschrieben von einem Militärbefehlshaber. Ein Militärrichter überprüfte die Haftanordnung und verkürzte sie auf vier Monate. Nach Angaben ihres Rechtsanwalts werfen die israelischen Behörden der Palästinenserin vor, sie sei in Aktivitäten verwickelt, welche die Sicherheit Israels gefährden. Die israelischen Behörden hatten Hana Shalabi am 14. September 2009 schon einmal festgenommen und 25 Monate lang ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Einige AktivistInnen, die sich mit einem Appellschreiben für die palästinensische Gefangene eingesetzt hatten, erhielten ein Antwortschreiben der israelischen Botschaft in Großbritannien. In diesem hieß es, Hana Shalabi sei am 29. September 2009 "auf Grundlage von Geheimdienstinformationen, denen zufolge sie in gefährliche Aktivitäten, wie in die Planung eines Selbstmordattentats, verwickelt war" zu einer Verwaltungshaftstrafe verurteilt worden. Hana Shalabi war am 18. Oktober 2011 im Zuge eines zwischen Israel und Hamas vereinbarten Gefangenenaustauschs wenige Tage vor Ablauf ihrer Verwaltungshaftanordnung freigekommen. Die Vereinbarung hatte im Gegenzug für die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit zur Haftentlassung von 1027 palästinensischen Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen geführt. Gegen Hana Shalabi ist keine Strafanklage erhoben worden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte eindringlich um die sofortige Freilassung von Hana Shalabi und der übrigen in Verwaltungshaft befindlichen PalästinenserInnen, sofern sie nicht umgehend einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und unter Wahrung internationaler Standards in einem fairen Prozess vor Gericht gestellt werden.

- Ich fordere Sie auf, Sorge dafür zu tragen, dass Hana Shalabi regelmäßig Kontakt zu ihrem Rechtsbeistand und zu ihrer Familie, sowie eine unabhängige medizinische Versorgung erhält. Stellen Sie bitte zudem sicher, dass Hana Shalabi jederzeit menschlich behandelt wird und man sie für ihren Hungerstreik nicht mit Einzelhaft oder anderen Maßnahmen bestraft.

APPELLE AN

GENERALANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Judge Advocate General /Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il

KOMMANDEUR DES ZENTRALKOMMANDOS DER STREITKRÄFTE - WESTJORDANLAND
Major-General Nitzan Alon
GOC Central Command
Military Post 01149, Battalion 877
Israel Defence Forces, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Major-General / Sehr geehrter Herr Generalmajor)
Fax: (00 972) 2 530-5724

STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT UND VERTEIDIGUNGSMIINISTER
Ehud Barak
Ministry of Defence
37 Kaplan Street, Hakirya
Tel Aviv 61909
ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Minister/ Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 3 69 169 40 oder (00 972) 3 691 7915.


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76, 14193 Berlin
Fax: (030) 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Israeli authorities to release Hana Shalabi and other Palestinians held in administrative detention immediately, unless they are promptly charged with an internationally recognizable criminal offence and brought to trial in full conformity with international fair trial standards.

- Urging them to allow Hana Shalabi regular access to her lawyers, family and independent medical care, and to ensure she is treated humanely at all times and not punished in any way for her hunger strike, such as by being placed in solitary confinement.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Noch am Tag ihrer Festnahme trat Hana Shalabi aus Protest gegen ihre Inhaftierung ohne vorherige Anklage in den Hungerstreik. Nach Angaben ihres Rechtsbeistands will Hana Shalabi mit ihrem Hungerstreik dagegen protestieren, dass sie sich nach der Festnahme vor mehreren israelischen Soldaten zur Leibesvisitation nackt ausziehen musste.

Laut Aussagen des Rechtsbeistands befand sich Hana Shalabi vom 23. bis zum 27. Februar in Einzelhaft, um sie wegen des Hungerstreiks zu bestrafen. Der Rechtsbeistand von Hana Shalabi beantragte beim Gefängnisdienst (Israeli Prison Service - IPS), seine Mandantin in das Gefängniskrankenhaus von Ramleh zu verlegen, damit sie dort medizinisch versorgt werden kann.

Nach Artikel 9 und 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), zu dessen Vertragsstaaten Israel zählt, haben inhaftierte Menschen einen verbrieften Anspruch unter anderem auf folgende Rechte: das Recht auf sofortige und umfassende Bekanntgabe der Haftgründe; das Recht, bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten; das Recht, Fragen an die BelastungszeugInnen zu stellen oder stellen zu lassen; das Recht auf öffentliche Verhandlung. All diese Rechte werden bei der Verhängung von Verwaltungshaftstrafen durchgängig verletzt. Die Beweislage gegen Verwaltungshäftlinge wird in nicht-öffentlicher Sitzung geprüft und weder den Gefangenen selbst noch ihren VerteidigerInnen zur Kenntnis gebracht. Somit haben sie keine Möglichkeit, die Beweise anzufechten - weder bei der ersten richterlichen Überprüfung der Verwaltungshaftstrafe, noch nach Einlegen eines entsprechenden Rechtsmittels vor dem militärischen Berufungsgericht beziehungsweise vor dem Obersten Gerichtshof. Darüber hinaus sollte kein Gefangener dazu gezwungen werden, sich einer Leibesvisitation durch eine Person des anderen Geschlechts zu unterziehen. Dies stellt eine Verletzung des Rechts auf Schutz vor grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und des Rechts auf Privatsphäre da. Zudem verstößt eine so durchgeführte Leibesvisitation gegen internationale Abkommen über die Rechte von Gefangenen und Häftlingen, wie die Grundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung weiblicher Gefangener und für nicht freiheitsentziehende Maßnahmen für weibliche Straffällige.

Amnesty International fordert von der israelischen Behörden seit vielen Jahren die Praxis der Verwaltungshaft einzustellen. Verwaltungshäftlinge, die einzig und allein aufgrund ihrer politischen Überzeugungen und gewaltfreien Aktivitäten in Gefangenschaft gehalten werden, müssen unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden. Besteht der Verdacht einer Straftat, so müssen die betreffenden Personen einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und unter Beachtung international anerkannter Grundsätze für einen fairen Prozess umgehend vor Gericht gestellt werden. Nach Angaben der israelischen Strafvollzugsbehörden befanden sich am 31. Januar 2012 insgesamt 309 PalästinenserInnen in Verwaltungshaft, seitdem könnte die Zahl noch angestiegen sein. Zu den derzeit in Verwaltungshaft einsitzenden PalästinenserInnen zählen auch 24 Abgeordnete des palästinensischen Parlaments. Ein Gefangener befindet sich mittlerweile bereits seit fünf Jahren in Verwaltungshaft.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-071/2012-1, AI-Index: MDE 15/013/2012, Datum: 13. März 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2012