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AKTION/983: Urgent Action - Bahrain - Berufungsverfahren fortgesetzt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-296/2011-4, AI-Index: MDE 11/017/2012, Datum: 9. März 2012 - we

Bahrain
Berufungsverfahren fortgesetzt

Weitere Informationen zu UA 296/2011 (MDE 11/053/2011, 30. September. 2011; MDE 11/054/2011, 7. Oktober 2011; MDE 11/058/2011, 25. Oktober 2011 und MDE 11/065/2011, 8. Dezember 2011)


Herr 'ALI 'ESA MANSOOR AL-'EKRI
Herr NADER MOHAMMED HASSAN DEWANI
Herr AHMED 'ABDULAZIZ OMRAN HASSAN
Herr MAHMOOD ASGHAR 'ABDULWAHAB
Herr 'ABDULKHALEQ 'ALI HUSSAIN AL-'ORAIBI
Herr GHASSAN AHMED 'ALI DHAIF
Herr BASSIM AHMED 'ALI DHAIF
Herr EBRAHIM 'ABDULLAH EBRAHIM
Herr SAYED MARHOON MAJID AL-WEDAEI
Frau ROULA JASSIM MOHAMMED AL-SAFFAR
Frau NADA SA'EED 'ABDELNABI DHAIF
Herr 'ALI HASSAN AL-SADADI
Herr QASSIM MOHAMMAD 'OMRAN
Herr HASSAN MOHAMMED SA'EED NASSER
Herr SA'EED MOTHAHER HABIB AL SAMAHIJI
Frau FATIMA SALMAN HASSAN HAJI
Frau DHIA IBRAHIM JA'FAR
Frau NAJAH KHALIL IBRAHIM HASSAN
Frau ZAHRA MAHDI AL-SAMMAK
Herr MOHAMMED FAEQ 'ALI AL SHEHAB

Das Verfahren gegen 20 Angehörige des Ärztepersonals wurde am 8. März in Bahrain fortgesetzt. Bisher wurde weder das gegen sie verhängte Reiseverbot aufgehoben noch hat eine unabhängige Untersuchung von Foltervorwürfen stattgefunden. Die VerteidigerInnen der 20 Angeklagten beklagen sich über die Schwierigkeit, eine angemessene Verteidigung aufzubauen.

Das Berufungsverfahren gegen 20 Angehörige des Ärztepersonals wurde am 8. März in Bahrain vor einem Berufungsgericht der zivilen Justiz wieder aufgenommen. Zuvor hatten bereits Gerichtstermine am 9. Januar, am 28. Februar und am 4. März stattgefunden. Bei der Anhörung am 8. März wurden fünf ZeugInnen der Staatsanwaltschaft in den Zeugenstand gerufen. Die nächste Verhandlung, bei der dann die ZeugInnen der Verteidigung aussagen sollen, ist für den 15. März anberaumt worden.

Das Gericht hat dem Antrag der Verteidigung, das gegen die Angehörigen des Ärztepersonals verhängte Reiseverbot aufzuheben, nicht stattgegeben. Die Angeklagten sollten sich für eine forensische Untersuchung durch eine Gruppe von MedizinerInnen der Generalstaatsanwaltschaft, des Gesundheitsministeriums und der Gulf University in Bahrain zur Verfügung stellen. Die VerteidigerInnen bemängeln die unzureichende Unbefangenheit dieser Gruppe und begründeten dies mit der fehlenden Unabhängigkeit von Generalstaatsanwaltschaft und Gesundheitsministerium. Die VerteidigerInnen gaben außerdem an, dass es bisher noch nicht zu einer medizinischen Untersuchung der Angeklagten gekommen ist, da die Untersuchungsgruppe noch nicht vollständig besetzt wurde. Wie auch in den vorherigen Verhandlungen bat die Verteidigung erneut um die Aufnahme der Berichte über Folter und der im Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission Bahrains (Bahrain Independent Commission of Inquiry - BICI) enthaltenen forensischen Untersuchungen in die Prozessakte. Obwohl dieser Bitte in einer vorangegangenen Verhandlung bereits stattgegeben worden war, wurden die Berichte noch nicht aufgenommen.

Am 5. März deutete die Generalsstaatsanwalt an, dass die Verteidigung ihren Pflichten nicht sorgfältig nachkomme und "immer wieder Verzögerungstaktiken in diesem Fall anwendet, um Verhandlungsgegenstände voranzutreiben, die nicht in den Gerichtsaal gehören". Die VerteidigerInnen haben diese Behauptungen zurückgewiesen und sich darüber beschwert, dass man ihnen nicht genug Zeit gebe, um sich für ein Kreuzverhör der ZeugInnen vorzubereiten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die 20 Angeklagten zählen zu einer Gruppe von 48 Angehörigen des Ärztepersonals im Medizinischen Zentrum von Salmaniya, die in den Monaten März und April 2011 festgenommen worden waren. Einige von ihnen hatten die Regierung in Interviews mit ausländischen Medien bezichtigt, mit brutaler Gewalt gegen Protestteilnehmende vorgegangen zu sein. Die 48 HeilberuflerInnen wurden über mehrere Wochen hinweg ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. In den meisten Fällen blieben ihre Familien während des größten Teils dieser Zeit ohne jede Kenntnis über den Verbleib der Gefangenen und durften sie bis zur Prozesseröffnung am 6. Juni vor dem Nationalen Sicherheitsgericht erster Instanz nicht ein einziges Mal sehen. Am 13. Juni 2011 teilte man die Angeklagten in zwei Gruppen auf. Gegen die eine Gruppe erging Anklage wegen schwerer Straftaten, die übrigen Personen wurden minderschwerer Delikte angeklagt. Aus Protest gegen ihre anhaltende Inhaftierung und den gegen sie angestrengten Prozess trat ein Großteil der Gefangenen in den Hungerstreik, woraufhin sie in den Monaten August und September 2011 sukzessive aus der Haft entlassen wurden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte Sie, sicherzustellen, dass das Berufungsverfahren den internationalen Standards für faire Prozesse in vollem Umfang gerecht wird. Weiterhin bitte ich Sie, den VerteidigerInnen zu erlauben, alle relevanten ZeugInnen aufzurufen und ihnen genug Zeit für die Vorbereitung der Verteidigung ihrer MandantInnen einzuräumen.

- Außerdem bin ich sehr besorgt darüber, dass eine Inhaftierung der Angeklagten nur aufgrund der Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit basieren würde und es sich somit um gewaltlose politische Gefangene handeln würde.

- Ich fordere Sie höflich auf, unverzüglich eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe über Folter und Misshandlungen an einigen der Angeklagten zu veranlassen und sicherzustellen, dass eine solche Untersuchung durch eine unabhängige forensische Institution durchgeführt wird.


APPELLE AN

KÖNIG
Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa
Office of His Majesty the King, P.O. Box 555
Rifa'a Palace, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 973) 1766 4587

MINISTERPRÄSIDENT
Prince Khalifa bin Salman Al Khalifa
Office of the Prime Minister
P.O. Box 1000, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Highness / Hoheit)
Fax: (00 973) 175 33 033

MINISTER FÜR JUSTIZ UND ISLAMISCHE ANGELEGENHEITEN
Shaikh Khalid bin Ali bin Abdullah Al Khalifa
Ministry of Justice and Islamic Affairs
P.O. Box 13, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 175 31 284


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS BAHRAIN
S.E. Herrn Ebrahim Mohmood Ahmed Abdulla
Klingelhöfer Str. 7, 10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de oder über die Website
http://www.bahrain-embassy.de/kontakt/


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urge the Bahraini authorities to ensure the appeal proceedings comply with international standards for fair trial, allow the defence lawyers to call any relevant witnesses, and give them adequate time to prepare the defence of their clients.

- Express concern that if jailed, the defendants would be prisoners of conscience imprisoned solely for peacefully exercising their rights to freedom of expression and assembly.

- Urge them to launch an independent and impartial investigation into the defendants' allegations of torture and other ill-treatment, and ensure that an independent forensic body examines the defendants' claims.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Am 29. Juni 2011 verfügte der König von Bahrain, alle Fälle im Zusammenhang mit den Protesten, die vor Militärgerichten anhängig waren, an zivile Strafgerichte zu übertragen. Am 18. August aber erließ er eine Verordnung (Verordnung 28/20011), derzufolge das Gericht für Nationale Sicherheit erster Instanz weiter für schwere Straftaten und Gerichte der zivilen Justiz lediglich für minderschwere Vergehen zuständig sind. Seit Anfang Oktober haben keine Prozesse mehr vor Militärgerichten stattgefunden. Alle Gerichtsverfahren fanden vor zivilen Gerichten statt. Am 29. September wurden die 20 Angehörigen des Ärztepersonals vom Gericht für Nationale Sicherheit erster Instanz zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und 15 Jahren verurteilt. 13 der Mediziner, 'Ali 'Esa Mansoor al-'Ekri, Nader Mohammed Hassan Dewani, Ahmed 'Abdulaziz Omran Hassan, Mahmood Asghar 'Abdulwahab, 'Abdulkhaleq 'Ali Hussain al-'Oraibi, Ghassan Ahmed 'Ali Dhaif, Bassim Ahmed 'Ali Dhaif, Ebrahim 'Abdullah Ebrahim, Sayed Marhoon Majid al-Wedaei, Roula Jassim Mohammed al-Saffar, Nada Sa'eed 'Abdelnabi Dhaif, 'Ali Hassan al-Sadadi und Qassim Mohammad 'Omran, wurden zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Urteile gegen Hassan Mohammed Sa'eed Nasser und Sa'eed Mothaher Habib Al Samahiji lauteten auf zehn Jahre Haft, während Fatima Salman Hassan Haji, Dhia Ibrahim Ja'far , Najah Khalil Ibrahim Hassan, Zahra Mahdi al-Sammak und Mohammed Faeq 'Ali Al Shehab zu jeweils fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Sie wurden mittlerweile alle gegen Kaution freigelassen.

Am 23. Oktober wurde das Berufungsverfahren gegen die Angehörigen des Ärztepersonals vor einem zivilen Gericht eröffnet und drei der Anklagepunkte fallengelassen: "Verbreitung falscher die öffentliche Sicherheit gefährdender Nachrichten" "Anstachelung zum Hass gegen die Regierung", und "Anstachelung der BeamtInnen des Medizinischen Zentrums Salmaniya zu Handlungen, die gegen die geltenden Gesetze verstoßen und zur Unterlassung ihrer Pflichten am Arbeitsplatz". Andere Anklagepunkte wurden dagegen aufrecht erhalten, darunter "unerlaubter Waffenbesitz für terroristische Zwecke", "gewaltsame Besetzung eines öffentlichen Krankenhauses" und "versuchter gewaltsamer Sturz der Regierung".

Die unabhängige Untersuchungskommission Bahrains (BICI) wurde am 29. Juni im Auftrag des Königs ins Leben gerufen, um die Verstöße in Verbindung mit den Protesten vom Februar und März sowie in den darauffolgenden Monaten zu untersuchen. Der vollständige Bericht wurde am 23. November veröffentlicht. Der Bericht enthält Hunderte Fälle. Darunter waren auch Fälle, in denen Protestierende von Sicherheitskräften geschlagen wurden, Massenfestnahmen von AktivistInnen, die hauptsächlich der schiitischen Opposition angehören; sowie Folter, die in fünf Fällen während der Haft zum Tode führte. Insgesamt sind mindestens 46 Personen in Verbindung mit den Protesten gestorben, unter ihnen auch fünf Angehörige des Sicherheitskräfte. In dem Bericht der BICI wurde die bahrainische Regierung außerdem aufgefordert, eine unabhängige Instanz bestehend aus VertreterInnenn der Zivilgesellschaft, der Opposition sowie der Regierung zu gründen. Diese soll die Umsetzung der Empfehlungen der BICI überwachen, Gesetzesreformen zur Einhaltung der internationalen Menschenrechtsstandards einleiten und die für Straftaten Verantwortlichen vor Gericht stellen.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-296/2011-4, AI-Index: MDE 11/017/2012, Datum: 9. März 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2012