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AKTION/845: Urgent Action - Irak - Flüchtlinge in Gefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-320/2011, AI-Index: MDE 14/043/2011, Datum: 2. November 2011 - ns

Irak
Flüchtlinge in Gefahr


ÜBER 3.000 IRANISCHE ASYLSUCHENDE

Über 3.000 iranischen Asylsuchenden, die in einem Lager im Irak leben, drohen schwere Menschenrechtsverletzungen, unter anderem auch die Abschiebung in ihr Heimatland. Die irakischen Behörden planen die Schließung des Lagers, das bereits mehrmals von irakischen Sicherheitskräften angegriffen wurde. Dabei wurden viele Personen verletzt oder starben.

Die irakischen Behörden haben ihre Pläne bezüglich der Schließung des Camp New Iraq, ehemals Camp Ashraf, öffentlich bekannt gegeben. Das Lager, das sich 60 km nördlich von Bagdad befindet, soll am 31. Dezember diesen Jahres geschlossen werden. Dort leben seit etwa 25 Jahren rund 3.250 iranische Asylsuchende. Die irakische Regierung hat sich wiederholt gegen eine Weiterführung des Lagers ausgesprochen. Das Camp New Iraq wurde bereits mehrmals von irakischen Sicherheitskräften angegriffen. Dabei wurden mehrere BewohnerInnen verletzt und einige starben. Der letzte Überfall fand im April 2011 statt. Die BewohnerInnen des Camp New Iraq fürchten, dass erneut exzessive Gewalt gegen sie angewendet wird, wenn die Pläne zur Schließung des Lagers umgesetzt werden.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) gab in seiner Erklärung vom 13. September 2011 bekannt, dass eine große Anzahl an Asylanträgen von den BewohnerInnen des Lagers eingegangen sei und dass nun weitere Schritte zur individuellen Entscheidung über die einzelnen Anträge eingeleitet würden. Außerdem wurde in der Erklärung die Wichtigkeit von persönlichen Anhörungen der Asylsuchenden an einem unparteiischen, sicheren und vertrauenswürdigen Ort besonders betont.

Amnesty International ruft die irakische Regierung auf, die geplante Schließung des Lagers so lange zu verschieben, bis der UNHCR über alle Asylanträge der BewohnerInnen des Camp New Iraq entschieden hat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Obwohl die LagerbewohnerInnen seit rund 25 Jahren im Irak leben, hat die irakische Regierung gefordert, dass sie nun das Land verlassen sollen. Im Jahr 2009 teilte die Regierung den BewohnerInnen mit, sie sollen den Irak bis zum 15. Dezember des Jahres verlassen oder sie müssten mit Umsiedlungen innerhalb des Irak rechnen. Dies konnte die Regierung aber offenbar aufgrund des internationalen Drucks, auch von Seiten der USA und der Vereinten Nationen, nicht durchsetzen. Das Lager wurde bereits mehrmals von irakischen Sicherheitskräften angegriffen. Dabei wurden viele BewohnerInnen getötet und weitere Personen verwundet. Am 8. April 2011 stürmten irakische Truppen mit exzessiver Gewalt das Lager und feuerten auf BewohnerInnen, die Widerstand leisteten. Etwa 36 Menschen, darunter acht Frauen, wurden getötet und mehr als 300 Personen verwundet. Bei einem früheren Überfall, am 28. und 29. Juli 2009, wurden mindestens neun BewohnerInnen getötet und weitere Personen verletzt. Rund 36 BewohnerInnen, die im Rahmen des Überfalls im Juli 2009 festgenommen worden waren, wurden über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten in Gefangenschaft gehalten. Sie sollen vor ihrer Freilassung am 7. Oktober 2009 gefoltert worden sein.

Camp Ashraf, wie das Lager damals hieß, stand bis Juni 2009 unter dem Schutz der US-Besatzungstruppen im Irak United States Force-Iraq (USF-I). Danach wurde die militärische Aufsicht über das Lager an die irakische Regierung übergeben. Seitdem wird das Lager von den irakischen Truppen belagert und die Regierung verstärkt ihren Druck auf die BewohnerInnen, das Land zu verlassen. Viele der LagerbewohnerInnen gehören der iranischen Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin (PMOI) an, die sich früher an bewaffneten Angriffen gegen den Iran beteiligt hatte und sich vor einigen Jahren jedoch gegen die Anwendung von Gewalt entschied. AnhängerInnen der PMOI war vom früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein, der 2003 gestürzt wurde, gestattet worden, sich im Irak niederzulassen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Bitte unterlassen sie weitere gewalttätige Überfälle auf das Camp New Iraq und begehen sie keine Menschenrechtsverletzungen gegenüber den BewohnerInnen des Lagers. Dies schließt auch die Abschiebung der Asylsuchenden in den Iran ein.

- Verlegen Sie außerdem bitte den geplanten Schließungstermin für das Camp New Iraq.

- Ich bitte Sie höflich darum, einen angemessenen Ort zu finden, an dem die Anhörung der Asylsuchenden stattfinden kann. Die Sicherheit der Asylsuchenden muss dort gewährleistet sein, auch während des Transports zwischen dem Lager und dem Ort des Interviews.

- Des weiteren fordere ich Sie auf, die Ergebnisse der Untersuchungen der Übergriffe auf die LagerbewohnerInnen im April 2011 zu veröffentlichen.


BITTE SCHICKEN SIE ALLE APPELLE ÜBER DIE IRAKISCHE BOTSCHAFT BOTSCHAFT DER REPUBLIK IRAK
S. E. Herrn Hussain Mahmood Fadhlalla Alkhateeb
Pacelliallee 19 - 21, 14195 Berlin
Fax: 030-8148 8222
E-Mail: info@iraqiembassy-berlin.de

UND BITTEN SIE UM WEITERLEITUNG IHRER SCHREIBEN AN:
MINISTERPRÄSIDENT
Nuri Kamil al-Maliki
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
E-Mail: info@pmo.iq
PRÄSIDENT
Jalal Talabani
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)

AUßENMINISTER
Hoshyar Zebari
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
E-Mail: hrdep@iraqmfamail.com


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Dezember 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Iraqi authorities to refrain from any further violent incursion into the camp and from committing human rights violations against the camp residents, including by forcibly returning them to Iran.

- Urging the Iraqi authorities to extend the deadline arranged to close Camp New Iraq.

- Urging the Iraqi authorities to find a suitable location where asylum interviews can be carried out in a safe manner, including by guaranteeing the protection of camp residents while they are transported to and from the location where the interview is to take place.

- Urging the Iraqi authorities to make public the results of the investigation into attacks on camp residents in April 2011.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Seit dem Überfall im April 2011 haben die irakischen Behörden die Kontrolle über die BewohnerInnen des Lagers verschärft. Dies ging so weit, dass einige Verletzte sowie anderen BewohnerInnen, die an chronischen Krankheiten leiden, daran gehindert wurden, das Lager zu verlassen, um eine speziellere medizinische Behandlung zu erhalten, als die, die ihnen im Lager geboten wird. Außerdem haben die Sicherheitskräfte Berichten zufolge versucht, den telefonischen Kontakt sowie andere Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den LagerbewohnerInnen und der Außenwelt zu beschränken. Sie brachten Lautsprecher an und lösten damit bei den BewohnerInnen die Angst aus, dass die irakischen Sicherheitskräfte ein weiteres gewaltsames Eindringen in das Lager planen.

Angesichts des internationalen Drucks, der nach dem Angriff auf das Lager im April 2011 auf die irakische Regierung ausgeübt wurde, gab diese an, dass sie einen Ausschuss zur Untersuchung des Überfalls und der Tötungen gegründet habe. Die Regierung hatte bereits in anderen Fällen angekündigt, dass sie derartige Untersuchungen anstelle, veröffentlichte jedoch keine Ergebnisse. Es ist nicht bekannt, ob eine ernsthafte Untersuchung überhaupt eingeleitet wurde.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-320/2011, AI-Index: MDE 14/043/2011, Datum: 2. November 2011 - ns
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2011