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AKTION/737: Urgent Action - Guatemala - Indigene angegriffen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-249/2011, AI-Index: AMR 34/010/2011, Datum: 17. August 2011 - mf

Guatemala
Indigene angegriffen


Mitglieder der Gemeinde Paraná

Die ländliche Gemeinschaft Paraná in Panzos im Nordosten Guatemalas wurde am 10. August von Wachleute angegriffen. Ein örtliches Unternehmen behauptet, Eigentümer dieser Landfläche zu sein. Andere örtliche indigene Gemeinden wurden bereits im März vertrieben. Ihnen drohen erneute Übergriffe, weil sie das Land weiter bewirtschaften. Seit der Vertreibung der Gemeinschaft Paraná im März leben 22 Familien einheimischer FeldarbeiterInnen, ungefähr 140 Menschen, auf der Straße. Ein Gemeindemitglied teilte Amnesty International mit, dass um Mitternacht des 10. Augusts eine Gruppe von 30 bewaffneten Wachleuten in der Siedlung ankam. Sie schrieen "Brennt sie nieder, schießt!" (Denle fuego, disparen!) und eröffneten das Feuer auf die Angehörigen der Gemeinschaft. Drei Menschen erlitten Schusswunden: Einem älteren Mann wurde ein Streifschuss am Bein zugefügt, ein anderer Mann wurde in den Bauch getroffen und ein neunjähriges Mädchen erlitt eine Schussverletzung am Fuß. Die Angehörigen der Gemeinschaft versteckten sich aufgrund der Angriffe in den nahegelegenen Feldern.

Die Polizei fand später etwa 50 Patronenhülsen. Die Wachleute plünderten außerdem die Häuser der Gemeinschaft und steckten dann die Ernte und fünf Häuser in Brand.

Am 20. Juni stellte die Interamerikanische Menschenrechtskommission Vorsorgemaßnahmen für die 14 einheimischen Q'eqchi'-Gemeinschaften in Panzos auf. Die Kommission forderte die Regierung Guatemalas auf, das Leben der Gemeinschaftsmitglieder zu schützen, deren physische Unversehrtheit zu gewährleisten und humanitäre Hilfe zu leisten, dazu gehört, den vertriebenen Gemeindeangehörigen Nahrung und Unterkünfte bereitzustellen. Bislang hat der Menschenrechtsausschuss der Regierung (Presidential Commission for Human Rights, COPREDEH) keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Den Angehörigen der Gemeinschaft wurde keine Alternativunterkunft angeboten und die Zwangsräumungen beschneiden ihr Recht auf Zugang zu Nahrung, denn sie sind auf die selbst angebauten Lebensmittel angewiesen. Mitgliedern der indigenen Gemeinde im Valle del Polochic drohen nach wie vor Angriffe, da sie das umstrittene Stück Land weiterhin bebauen und abernten, um ihr Überleben zu sichern. Die Regierung veröffentlichte am 10. August eine Pressemitteilung, in der sie die Angriffe auf die Einheimischen von Paraná verurteilt und umfassende Untersuchungen ankündigt. Die Mitteilung kann auf Spanisch angesehen werden:
http://www.guatemala.gob.gt/noticia4.php?codigo=13750&titulo2=Guatemala

Der einheimische Bauer Oscar Reyes wurde am 21. Mai getötet und drei weitere Bauern verletzt, als sie die Felder in Valle del Polochic in Panzos bewirtschafteten. Siehe UA-157/2011 (AMR 34/005/2011, 1. Juni 2011)

Am 15. März führten PolizistInnen zusammen mit Angehörigen des Militärs eine Zwangsräumung der Gemeinde Miralvalle durch. Zuvor hatten Angehörige der Gemeinschaft versucht, eine Einigung mit den Behörden zu erzielen, um vor dem Verlassen des Landes noch einen Teil der Ernte einfahren zu können. Bei den Vertreibungen setzten Angehörige der Polizei und des Militärs Berichten zufolge Tränengas ein. Antonio Beb Ac, ein Angehöriger der indigenen Gemeinschaft, wurde bei der Zwangsräumung getötet, zwei weitere Menschen sollen aufgrund des eingesetzten Tränengases gesundheitliche Beschwerden bekommen haben. Die BewohnerInnen einer weiteren Gemeinde, Agua Caliente, wurden ebenfalls am 15. März vertrieben. Einen Tag später, am 16. März, räumten die Polizei und das Militär die Landgemeinde Quinich und brannten Berichten zufolge dabei Häuser nieder. Am 17. März wurden sechs weitere Gemeinden geräumt: Río Frío, Bellaflor, Ocho de Agosto, Los Recuerdos, Paraná und Santa Rosita. Angaben aus der Zivilbevölkerung zufolge sollen die BewohnerInnen der Gemeinschaften Bellaflor und Ocho de Agosto fälschlicherweise vertrieben worden sein. Am 18. März fanden die Zwangsräumungen der drei Landgemeinden El Sauce, Las Tinajas und Semau statt.

Guatemala ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ICESCR) und ist daher verpflichtet, zu gewährleisten, dass "Räumungen nicht dazu führen, dass Menschen obdachlos werden oder in Gefahr geraten, anderweitige Menschenrechtsverletzungen zu erleiden". Derselbe Pakt verpflichtet Guatemala dazu, das "Recht jedes Menschen auf einen ausreichenden Lebensstandard für sich und seine Familie, einschließlich Nahrung" anzuerkennen.

Das Gesetz über private Sicherheitsdienste (Ley que regula los servicios de seguridad privada) wurde im Dezember 2010 erlassen und trat drei Monate darauf in Kraft. Es legt fest, dass es Aufgabe des Staates ist, Sicherheitsdienste privater Unternehmen zu regulieren und dafür zu sorgen, dass deren Funktion im Einklang mit Friedensabkommen und mit der Sicherheit des Einzelnen und der öffentlichen Sicherheit steht.


EMPFOHLENE AKTIONEN

Schreiben Sie bitte Faxe oder Luftpostbriefe mit folgenden Forderungen

Leiten Sie bitte unverzüglich unabhängige und sorgfältige Untersuchungen zu den Verletzungen der drei Gemeinschaftsmitglieder von Paraná ein, veröffentlichen Sie die Ergebnisse und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Sicherheit aller Gemeinschaftsmitglieder aus Valle del Polochic in Absprache mit den Betroffenen gewährleisten.

Fordern Sie die COPREDEH auf, den von der Interamerikanischen Menschrechtskommission empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen nachzukommen, um die Einheimischen Q'eqchi'-Gemeinschaften in Panzos zu schützen.

Ergreifen Sie humanitäre Hilfsmaßnahmen für die von der Zwangsräumung Vertriebenen und versorgen Sie sie mit Unterkünften und Nahrung.


APPELLE AN

INNENMINISTER
Lic. Carlos Menocal
Ministro de Gobernación
6a Avenida 13-71, Zona 1, Ciudad de Guatemala,
GUATEMALA
(korrekte Anrede: Dear Minister/ Estimado Sr. Ministro / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00502) 2413 8658

PRÄSIDENT
Ing. Álvaro Colom Caballeros
Presidente de la República
Casa Presidencial, 6a Avenida 4-41, Zona 1,
Puerta del Centro, Ciudad de Guatemala,
GUATEMALA
(korrekte Anrede: Dear President/Estimado Sr. Presidente/Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00502) 2221 4445


KOPIEN AN

MENSCHENRECHTSORGANISATION
UDEFEGUA - Unidad de protección a defensores y defensoras de derechos humanos
1 Calle 7-45, Zona 1
Oficina 2-b
Ciudad de Guatemala
GUATEMALA
E-Mail: udefegua@yahoo.com

BOTSCHAFT DER REPUBLIK GUATEMALA
S.E. Herrn Carlos Jiménez Licona
Joachim-Karnatz-Allee 45-47, 2. OG.
10557 Berlin
Fax: 030-2064 365
E-Mail: embaguate.alemania@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. September 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


Please write immediately

Urging the authorities to order an impartial and thorough investigation into injuries suffered by the three community members at Paraná, publish the results and bring those responsible to justice. Urging them to provide protection for all community members in the Valle del Polochic, in strict accordance with their wishes.

Urging COPREDEH to comply the Precautionary Measures issued by the Inter-American Commission on Human Rights to protect the indigenous Q'eqchi' communities of Panzos, and offer humanitarian assistance, including food and shelter, to those displaced by the evictions.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr.: UA-249/2011, AI-Index: AMR 34/010/2011, Datum: 17. August 2011 - mf
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2011