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AKTION/413: Chen Guangchen - Eine Frau, ein Kind (ai journal)


amnesty journal 12/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Chen Guangchen: Eine Frau, ein Kind


Eine Frau, ein Kind. In der Volksrepublik China ist das eine politische Vorgabe. Sie geht auf das Jahr 1979 zurück, als sich die Regierung die so genannte "Geburtenkontrollpolitik" ausdachte. Mit dieser staatlich gelenkten Familienplanung versuchen die Behörden bis heute, das Bevölkerungswachstum im Land einzudämmen. Wer mehr Kinder als erlaubt bekommt, riskiert empfindliche Geldstrafen. Aber auch Sterilisationen sind das Mittel der Wahl - mit oder ohne Einverständnis der betroffenen Frauen. Weigern sie sich, werden sie zu dem Eingriff gezwungen. Offiziell ist das illegal, aber die Kader der Büros für Familienplanung müssen ihre Geburtenquoten einhalten. Es werden immer wieder Berichte bekannt, laut denen "illegale" Schwangere aufgespürt und zu Abtreibungen gezwungen worden sein sollen.

In der Provinz Shandong sollen die Kommunalbehörden Frauen gezwungen haben, sich sterilisieren zu lassen. Chen Guangcheng wollte dieses Unrecht nicht hinnehmen. Obwohl er blind ist, eignete er sich juristisches Fachwissen an. Mit diesem half er den Bewohnern seiner Provinz, die Behörden zu verklagen. Eine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Im August 2006 wurde Chen Guangcheng unter Hausarrest gestellt. Ein Jahr später wurde er nach einem unfairen Gerichtsverfahren zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde zuletzt im Januar 2007 von einem Berufungsgericht bestätigt.

Die Haftbedingungen des Blinden sind katastrophal. Am 16. Juni 2007 befahlen die Gefängniswärter sechs Mithäftlingen, Chen Guangcheng zusammenzuschlagen. Er hatte sich geweigert, sich den Kopf kahl scheren zu lassen. Mit der Rasur sollte er für sein "ungehorsames Verhalten" bestraft werden. Ungehorsam, weil er bis heute darauf beharrt, sein Urteil beim Oberen Provinzgericht anzufechten. Nach der Misshandlung klagte Chen Guangcheng über Schmerzen. Medizinisch behandelt wurde er aber nicht. Um dagegen zu protestieren trat er in den Hungerstreik - ohne Erfolg.

Wegen seiner Blindheit ist Chen Guangcheng zusätzlich ausgeliefert. Beim Verfassen der Anträge ist er auf die Hilfe seines Anwalt oder seiner Frau angewiesen. Diese dürfen ihn aber nur einmal im Monat für eine halbe Stunde besuchen. So hindern die Behörden Chen Guangcheng daran, die Beschwerde gegen seine Haftstrafe zu Papier zu bringen.


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Setzen auch Sie sich bei der chinesischen Regierung für die Freilassung von Chen Guangcheng ein!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Wen,

der Menschenrechtsverteidiger Chen Guangcheng sitzt seit 2006 in Haft. Der blinde Mann hatte Dorfbewohner aus der Provinz Shandong bei einer Klage gegen lokale Behörden unterstützt, weil sie Frauen zu Sterilisationen gezwungen haben sollen. Im Gefängnis wurde er schwer misshandelt.

Chen Guangcheng ist allein wegen der friedlichen Ausübung seiner Menschenrechte inhaftiert. Ich fordere Sie auf, dafür zu sorgen, dass er sofort und bedingungslos freigelassen wird.

So lange er noch in Haft ist, sollte Chen Guangcheng regelmäßig Zugang zu einem Rechtsanwalt seiner Wahl bekommen. Die wiederholten schweren Misshandlungen müssen umfassend und unparteiisch aufgeklärt werden.

Adresse:
An den Ministerpräsidenten der VR China
Wen Jiabao Guojia Zongli
Guowuyuan, 9 Xihuangcheng Genbeijie
Beijingshi 100032
VOLKSREPUBLIK CHINA


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Quelle:
amnesty journal, Dezember 2007, S. 27
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2008