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AKTION/1788: Urgent Action - Aserbaidschan, Haftstrafen für friedliche Protestierende


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-113/2014, AI-Index: EUR 55/005/2014, Datum: 8. Mai 2014 - dw

Aserbaidschan
Haftstrafen für friedliche Protestierende



Frau KEMALE BENENYARLI
Herr ORKHAN EYYUBZADE
Herr TURAL ABBASLI
Herr SHEFI SHEFIYEV
Herr HAJI ZEYNALLI

Fünf Aktivist_innen, die wegen der Teilnahme an einer friedlichen Protestveranstaltung festgenommen worden waren, sind wegen einer Ordnungswidrigkeit zu 15 bis 30 Tagen Haft verurteilt worden. Eine der Aktivist_innen soll im Gewahrsam gefoltert worden sein. Sie ist zudem die einzige, der eine 30-tägige Haftstrafe auferlegt wurde. Am 6. Mai versammelten sich mehr als 150 Unterstützer_innen der kürzlich verurteilten Aktivisten der NIDA-Bürgerbewegung vor dem Gericht für schwere Straftaten in Baku. Einige der Unterstützer_innen riefen nach der Urteilsverkündung Protestsprüche. Daraufhin lösten uniformierte Polizeibeamt_innen und Polizeibeamt_innen in Zivil, die draußen stationiert waren, die Menschenmenge gewaltsam auf. Videoaufnahmen zeigen, wie Protestierende geschlagen und die Kameras von Journalist_innen auf den Boden geworfen werden.

Mindestens 26 Personen wurden in einen bereitstehenden Bus geschleift und zu einer Polizeiwache in der Nähe gefahren. Einige wurden am selben Tag mit Verwarnungen und Geldstrafen freigelassen, doch 17 Aktivist_innen blieben über Nacht in Gewahrsam. Am 7. Mai verhängte das Bezirksgericht von Nasimi Haftstrafen unter Artikel 298.2 "Teilnahme an einer nicht rechtmäßig organisierten Versammlung" des Verwaltungsgesetzbuchs Haftstrafen von 30 Tagen für Kemale Benenyarli, 20 Tagen für Orkhan Eyyubzade und 15 Tagen für Tural Abbasli, Shefi Shefiyev und Haji Zeynalli. Die übrigen zwölf Aktivist_innen erhielten aufgrund der gleichen Anklage Geldstrafen von 300 bis 600 AZN (277-554 Euro).

Kemale Benenyarli, Aktivistin der Volksfront-Partei Aserbaidschan, sagte ihrem Rechtsbeistand am 8. Mai, dass sie auf dem Polizeikommissariat des Bezirks Nasimi zweimal geschlagen worden war. Zwei Polizeibeamt_innen in Zivil schlugen sie, als sie erstmals auf die Polizeiwache gebracht wurde, und schleiften sie einen anderen Raum. Als sie sich weigerte, eine belastende Aussage zu unterschreiben, schlug man sie wiederholt auf den Kopf. Jedes Mal, wenn sie das Bewusstsein verlor, wurde ihr Wasser ins Gesicht geworfen, sodass die Polizeibeamt_innen die Schläge fortsetzen konnten. Anschließend schleifte man sie in eine Zelle, wo sie bis zu ihrem Prozess am nächsten Morgen ohne Nahrungsmittel oder Wasser ausharren musste.

Nach der Anhörung am 7. Mai wurde Kemale Benenyarli in die Übergangshafteinrichtung in Binagadi verlegt, wo bei einer routinemäßigen medizinischen Untersuchung eine große Beule auf ihrem Kopf entdeckt und offiziell dokumentiert wurde. Nach kontinuierlichem Erbrechen wurde am 8. Mai der notärztliche Dienst gerufen, um Kemale Benenyarli zu behandeln.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die 26 Personen, die am 6. Mai 2014 von der Polizei festgenommen worden waren, wurden ursprünglich auf die 22. Polizeiwache des Bezirks Nasimi geschickt. Von ihnen wurden 14 zum Hauptpolizeikommissariat des Bezirks Nasimi gebracht. Hier soll Kemale Benenyarli gefoltert worden sein. Die übrigen 13 Aktivist_innen wurden zur 22. Polizeiwache des Bezirks Nasimi zurückgebracht, wo sie über Nacht festgehalten wurden. Kemale Benenyarli wurde ein schriftliches "Geständnis" zur Unterzeichnung vorgelegt, was sie ablehnte. In dem "Geständnis" soll gestanden haben, dass sie von dem Vorsitzenden der Volksfront-Partei des Aserbaidschan, Ali Karimli, für die Organisation einer nicht genehmigten Protestveranstaltung am 6. Mai vor dem Gericht für schwere Straftaten in Baku bezahlt worden war und dass diese wiederum mithilfe der französischen und der US-amerikanischen Regierung geplant worden war. Als sie sich weigerte, das Dokument zu unterschreiben, begannen die vier anwesenden Polizeibeamt_innen, sie auf den Kopf zu schlagen. Sie warfen ihr in zeitlichen Abständen Wasser ins Gesicht, um sie aufzuwecken, wenn sie das Bewusstsein verlor.

Kemale sagte ihrem Rechtsbeistand, man habe sie während ihrer Qual im Hauptpolizeikommissariat des Bezirks Nasimi ständig beschuldigt, eine Verräterin zu sein, und sie beleidigt.

Einige der mehr als 150 Aktivist_innen, die sich am 6. Mai vor dem Gericht für schwere Straftaten in Baku versammelt hatten, begannen, Protestsprüche zu rufen, als das Urteil gegen acht NIDA-Aktivisten verlesen wurde, mit dem sie zu sechs bis acht Jahren Haft verurteilt wurden. Die Polizei löste die Menge sofort gewaltsam auf, als die Protestrufe zu hören waren.

Die NIDA-Aktivisten Shahin Novruzlu, Bakhtiyar Guliyev, Mammad Azizov, Rashad Hasanov, Rashadat Akhundov, Uzeyir Mammadli, Zaur Gurbanli und Ilkin Rustamzade wurden im März, April und Mai 2013 verhaftet. Die Anklagen gegen sie lauteten auf illegalen Drogen- und Sprengstoffbesitz und die Absicht, bei einer Protestveranstaltung am 10. März 2013 öffentliche (Massen-)Unruhen anzustiften. Dieser Protest verlief friedlich, bis die Polizei die Menschenmenge unter Einsatz von Gummigeschossen und Wasserwerfern gewaltsam auflöste. Am 6. Mai 2014 wurden die NIDA-Aktivisten vom Gericht für schwere Straftaten in Baku zu sechs bis acht Jahren Haft verurteilt. Amnesty International betrachtet alle acht Mitglieder der NIDA-Bürgerbewegung als gewaltlose politische Gefangene, die lediglich aufgrund der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden.


SCHREIBEN SIE BITTE

LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, alle am 6. Mai 2014 inhaftierten Aktivist_innen umgehend und bedingungslos freizulassen.
  • Bitte leiten Sie unverzüglich eine unparteiische und wirksame Untersuchung aller Vorwürfe über Folter und Misshandlungen ein und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass Kemale Benenyarli zeitnah eine umfassende medizinische Behandlung erhält.

APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT
Zakir Qaralov
Prosecutor General of the Republic of Azerbaijan
7 Rafibeyli Street
Baku, AZ 1001, ASERBAIDSCHAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 994) 12 492 32 30

OMBUDSFRAU
Elmira Suleymanova
40 Uzeyir Hajibeyov Street
Baku, AZ 1000, ASERBAIDSCHAN
(Anrede: Dear Ms Suleymanova / Sehr geehrte Frau Suleymanova)
Fax: (00 994) 12 498 23 65
E-Mail: ombudsman@ombudsman.gov.az


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK ASERBAIDSCHAN
S. E. Herrn Parviz Shahbazov
Hubertusallee 43
14193 Berlin
Fax: 030-2191 6152
E-Mail: berlin@mission.mfa.gov.az


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch, Russisch, Aserbaidschanisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 19. Juni 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Immediately and unconditionally release of all activists jailed on 6 May 2014.
  • Launch of a prompt, impartial and effective investigation into all allegations of torture and ill-treatment, and for those found responsible to be held accountable.
  • Ensure that Kemale Benenyarli receives thorough medical treatment in a timely manner.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-113/2014, AI-Index: EUR 55/005/2014, Datum: 8. Mai 2014 - dw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2014