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AKTION/1727: Urgent Action - Vereinigte Arabische Emirate, Sohn eines Aktivisten in Foltergefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-061/2014, AI-Index: MDE 25/009/2014, Datum: 19. März 2014 - ar

Vereinigte Arabische Emirate
Sohn eines Aktivisten in Foltergefahr



OSAMA AL-NAJJAR, 25-jähriger Sohn von Hussain Ali Alnajjar al-Hammadi

Der Sohn eines gewaltlosen politischen Gefangenen ist festgenommen worden, nachdem er in sozialen Medien die Behandlung seines Vaters und einiger weiterer politischer Häftlinge kritisiert hatte. Sein Verbleib ist unbekannt, und er ist in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Der 25-jährige Osama al-Najjar, der vor Kurzem ein Architekturstudium an einer australischen Universität abgeschlossen hat, wurde am 17. März bei sich zuhause im Emirat Adschman festgenommen. Zehn Angehörige der Staatssicherheit erschienen um etwa 16.00 Uhr in sechs Einsatzwagen und durchsuchten das Haus drei Stunden lang. Dabei beschlagnahmten sie zahlreiche persönliche Gegenstände, darunter alle iPads und Laptops der Familie. Der Verbleib von Osama al-Najjar ist unbekannt; möglicherweise wird er in einer Hafteinrichtung der Staatssicherheit festgehalten, wo ihm Folter oder andere Misshandlungen drohen könnten. Am Tag vor einer Festnahme war er am Bein operiert worden. Er benötigt daher ärztliche Nachbehandlungen. Am 16. März sendete Osama al-Najjar einige Twitternachrichten, in denen er die Misshandlung seines Vaters Hussain Ali Alnajjar al-Hammadi und anderer politischer Häftlinge im al-Razeen-Gefängnis anprangerte. Er schickte zudem eine Twitternachricht an den Herrscher des Emirats Schardscha, welcher zuvor in einer Radiosendung gesagt hatte, dass "die Familien der Festgenommenen ihre Kinder nicht zu Hass und Niedertracht gegenüber ihrem Land anstiften" sollen. In seinem Tweet sagte Osama al-Najjar: "Eure Hoheit, wir hassen unser Land nicht und wir vergessen das Unrecht nicht, das uns widerfahren ist... Diejenigen, die meinem Vater Unrecht angetan haben, haben 20 ungerechtfertigte Monate Gefängnis und Schikane auf dem Gewissen." Am 26. Februar hatte Osama al-Najjar außerdem dem Innenminister der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eine Twitternachricht gesendet, in der er Besorgnis über die Behandlung seines inhaftierten Vaters äußerte und den Minister aufforderte, einen von ihm geschickten Brief zu beantworten.

Amnesty International befürchtet, dass Osama al-Najjar möglicherweise nur deshalb festgenommen worden ist, weil er auf Twitter aktiv ist und dort die Menschenrechtsverletzungen in den VAE angeprangert hat, indem er auf den Fall seines Vaters und die Fälle anderer gewaltloser politischer Gefangener aufmerksam gemacht hat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Osama al-Najjar ist der Sohn des Physikers und Naturwissenschaftslehrers Hussain Ali Alnajjar al-Hammadi, der 2013 als einer von zahlreichen gewaltlosen politischen Gefangenen in dem unfairen Massenverfahren "VAE 94" verurteilt wurde. Unter den 94 Angeklagten befanden sich MenschenrechtsanwältInnen, RichterInnen und studentische AktivistInnen. 69 von ihnen wurden wegen Anklagen, die mit der Gefährdung der nationalen Sicherheit zu tun haben, zu Haftstrafen zwischen sieben und 15 Jahren verurteilt. Hussain Ali Alnajjar al-Hammadi erhielt eine zehnjährige Gefängnisstrafe. In einem zweiten Verfahren wurde gegen ihn eine zusätzliche Haftstrafe von 15 Monaten verhängt. In diesem Prozess wurden insgesamt zehn Staatsangehörige der VAE und 20 ägyptische Staatsangehörige wegen Anklagen hinsichtlich der Gefährdung der nationalen Sicherheit verurteilt.

Beide Massenverfahren entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Die Angeklagten befanden sich im Vorfeld des Verfahrens ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft und hatten keinen Zugang zu Rechtsbeiständen. Alle Angeklagten wurden in geheimer Haft gehalten, manche von ihnen sogar bis zu einem Jahr lang. Viele der Angeklagten sagten vor Gericht aus, gefoltert worden zu sein. Mutmaßlich während der geheimen Haft von den Angeklagten erhaltene "Geständnisse" wurden im Prozess als Beweise gegen sie verwendet. Darüber hinaus durften die Angeklagten keine Rechtsmittel gegen das Gerichtsurteil einlegen, was gegen internationale Menschenrechtsnormen verstößt.

Mehrere Familienangehörige der 69 RegierungskritikerInnen, die nach dem Massenverfahren "VAE 94" im Juli 2013 inhaftiert wurden, haben VertreterInnen von Amnesty International bei deren Besuch im November 2013 erzählt, dass sie von den Behörden drangsaliert, eingeschüchtert, bedroht und stigmatisiert worden seien. Dadurch sollen sie offenbar davon abgehalten werden, Gerechtigkeit für die Gefangenen einzufordern. Mehrere Familienangehörige von Gefangenen wurden von Angehörigen der Sicherheitskräfte bedroht und an Reisen gehindert. Auch hat man ihnen Arbeitszulassungen verweigert. Mehrere Verwandte erhielten außerdem Drohungen über Twitter - entweder von anonymen Twitter-Profilen oder von Personen, die für die Staatssicherheit arbeiten oder Verbindungen zu deren VertreterInnen haben sollen.

Die Familien von Gefangenen sind zudem in den Medien, die vornehmlich die Regierung unterstützen, verunglimpft worden, unter anderem in einer Dokumentation über die "VAE 94", die von einer Organisation produziert wurde, die enge Verbindungen zu den Behörden haben soll. Diese Dokumentation wurde zum ersten Mal am 21. November 2013 in Dubai gezeigt. Auf die Bedenken hinsichtlich der Menschenrechte in dem Verfahren geht die Dokumentation in keiner Weise ein.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE, TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte geben Sie den Aufenthaltsort von Osama al-Najjar bekannt und lassen Sie ihn umgehend frei, wenn er sich nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.
  • Stellen Sie bitte zudem dringend sicher, dass er jede nötige medizinische Behandlung erhält und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird.

APPELLE AN

PRÄSIDENT
Sheikh Khalifa bin Zayed Al Nahyan
Ministry of Presidential Affairs
Corniche Road, Abu Dhabi, P.O. Box 280
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Highness / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 971) 2 622 2228
E-Mail: ihtimam@mopa.ae

KRONPRINZ VON ABU DHABI
Sheikh Mohamed bin Zayed Al Nahyan
Crown Prince Court Bainunah Street
Abu Dhabi, P.O. Box 124
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 971) 2 668 6622
Twitter: @MBZNews


KOPIEN AN

INNENMINISTER
Lt General Sheikh Saif bin Zayed Al Nahyan
Zayed Sport City, Arab Gulf Street
Near to Shaikh Zayed Mosque
Abu Dhabi POB: 398
Fax: (00 971) 2 4414938 oder
(00 971) 2 4022762 oder
(00 971) 2 4415780
E-Mail: moi@moi.gov.ae
Twitter: @SaifBZayed

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE
S. E. Herrn Jumaa Mubarak Jumaa Salem Aljunaibi
Hiroshimastraße 18-20
10785 Berlin
Fax: 030-5165 1900


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. April 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the UAE authorities to disclose the whereabouts of Osama al-Najjar, and release him immediately if he has been arrested solely for peacefully exercising his right to freedom of expression.
  • Calling on them to ensure that he receives any medical attention he may require, as a matter of urgency, and that he is protected from torture and other ill-treatment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Frau des Aktivisten Mohamed Saqer al-Zaabi, Aisha Ibrahim al-Zaabi, wurde im Januar dieses Jahres an einem Kontrollpunkt an der Grenze der VAE zu Oman festgenommen und fünf Tage lang ohne Zugang zu ihrer Familie oder ihrem Rechtsbeistand in geheimer Haft gehalten. Mohamed Saqer al-Zaabi war in Abwesenheit in dem unfairen "VAE 94"-Massenverfahren verurteilt worden. Aisha Ibrahim al-Zaabi und ihre fünf Kinder stehen offenbar auf einer Liste von Personen, die die Vereinigten Arabischen Emirate nicht verlassen dürfen. Sie hatten 2012 versucht, von Abu Dhabi auszufliegen, was ihnen jedoch verweigert wurde.

Am 5. Februar veröffentlichte Gabriela Knaul, die UN-Sonderberichterstatterin für die Unabhängigkeit der Richter und Anwälte, nach einem Besuch der VAE ihre vorläufigen Bemerkungen. Sie äußerte Besorgnis hinsichtlich einer Reihe von Belangen, u. a. zu Berichten über die Überwachung, Drangsalierung, Bedrohung und versuchte Beeinflussung von AnwältInnen, und appellierte an die Behörden, umgehend Maßnahmen zur Beendigung dieser Situation einzuleiten. Sie zeigte sich zudem besorgt darüber, dass das Justizsystem der VAE faktisch nach wie vor der Exekutive der Regierung untersteht. Sie gab zahlreiche Empfehlungen an die Regierung der VAE ab, so zum Beispiel: Überarbeitung der Gesetzgebung, um das Berufungsrecht für Fälle, die in erster Instanz vor der Staatsschutzkammer des Bundesgerichtshofs verhandelt werden, sicherzustellen; Einsetzen eines unabhängigen Ausschusses zur Untersuchung aller Vorwürfe der Folter oder Misshandlung in Haft; und Ratifizierung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und seiner Fakultativprotokolle sowie des Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Die vorläufigen Bemerkungen der Sonderberichterstatterin finden Sie hier (auf Englisch):
http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=14223&LangID=E

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2014