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AKTION/1639: Urgent Action - Irak, unmittelbar drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-297/2012-1, AI-Index: MDE 14/019/2013, Datum: 14. November 2013 - mv

Irak
Unmittelbar drohende Hinrichtung



Herr AHMAD 'AMR 'ABD AL-QADIR MUHAMMAD, 31 Jahre

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des im Irak geborenen Palästinensers Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad wurde abgelehnt. Er war im Mai 2011 auf Grundlage des Antiterrorgesetzes zum Tode verurteilt worden. Sein mutmaßlich unter Folter erzwungenes "Geständnis" war als Beweis gegen ihn verwendet worden. Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad ist nun in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden.

Das irakische Kassationsgericht hat am 12. November den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens von Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad abgelehnt. Das Gericht hatte bereits im September 2011 das Todesurteil gegen den im Irak geborenen Palästinenser bestätigt. Im Rahmen beider Prüfungsverfahren wurde Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad nicht persönlich angehört. Amnesty International ist besorgt, dass gegen sein Recht verletzt wurde, das Urteil vor Gericht anzufechten. Das Kassationsgericht trifft seine Entscheidung anhand des schriftlichen Urteils und der Gerichtsakten. Trotz der Tatsache, dass das Gericht die Aufgabe hat, die Rechts- und Sachlage eines Falles eingehend zu prüfen, dazu gehört auch der Schuldspruch, kann sich der Angeklagte nur schriftlich äußern. Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren erfordert generell jedoch die Anwesenheit des Angeklagten vor einem Gericht, das die Berufungsgründe unter Einbeziehung des Gesetzes und der Fallgegebenheiten hört. Amnesty International ist außerdem besorgt, dass das Kassationsgericht bei der Stattgabe des Schuldspruchs und des Todesurteils von Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Foltervorwürfe und die Verwendung von unzulässigem Beweismaterial außer Acht gelassen hat, so z. B. die während der Ermittlungen mutmaßlich unter Folter erzwungenen "Geständnisse". Diese waren Berichten zufolge im ersten Verfahren sogar zurückgezogen worden.

Am 21. Juli 2006 war Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad von Sicherheitskräften im Bagdader Stadtteil al-Zayouna festgenommen und über ein Jahr lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden. Berichten zufolge wurde er gefoltert und gezwungen, zu "gestehen", dass er einer bewaffneten Gruppe angehöre, die Sprengkörper deponieren wollte. Am 17. Mai 2011 verurteilte das Al-Resafa-Strafgericht Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad auf der Grundlage des Antiterrorgesetzes von 2005 zum Tode. Bei der Urteilsverkündung wies das Gericht darauf hin, dass Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad seine selbstbelastende Aussage, die er zuvor vor Gericht gemacht hatte, zurückgezogen habe, da er unter Folter dazu gezwungen worden sei. Dennoch bezog das Gericht bei der Verurteilung die von Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad zurückgezogene Aussage ausdrücklich in die Urteilsfindung mit ein. Am 26. September 2011 bestätigte das Kassationsgericht das gegen ihn verhängte Todesurteil. Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad befindet sich derzeit im Hochsicherheitsgefängnis (al-Himaya al-Quswa) im Camp Justice in Bagdad. In diesem Gefängnis werden Hinrichtungen vollzogen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Irak ist weltweit eines der Länder mit den meisten Hinrichtungen. Die Regierung bekämpft damit weiterhin das hohe Maß an Gewalt durch bewaffnete Gruppierungen. Hunderte Gefangene befinden sich derzeit in Todeszellen. 2012 wurden mindestens 129 Menschen exekutiert, fast doppelt so viele wie im Jahr 2011. Dadurch nahm der Irak nach China und dem Iran Platz drei der Länder mit den meisten Hinrichtungen weltweit ein. Auch in diesem Jahr sind bereits mindestens 132 Todesurteile im Irak vollstreckt worden. Das ist die höchste Zahl seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahre 2004. Die wirkliche Zahl könnte jedoch noch viel höher sein, denn die irakischen Behörden haben bislang keine offiziellen Zahlen veröffentlicht.

Obwohl die Einzelheiten nicht in vollem Umfang zugänglich sind, sollen die meisten Todesurteile der vergangenen Jahre auf Grundlage des Antiterrorgesetzes 13 aus dem Jahr 2005 verhängt worden sein. Dieses Gesetz umfasst in vagen Formulierungen Taten wie die Anstiftung, Planung, Finanzierung und das Begehen oder die Unterstützung anderer bei der Begehung von Terrorakten. Todesurteile werden häufig in äußerst unfairen Gerichtsverfahren verhängt, in denen die Angeklagten nicht angemessen rechtlich vertreten werden und "Geständnisse" oft unter Folter und anderweitigen Misshandlungen erzwungen werden.

Bei der Verkündung der Hinrichtungen von 23 Gefangenen im September und 42 Gefangenen im Oktober hat das irakische Justizministerium fälschlicherweise mitgeteilt, dass alle Todesurteile vor der Vollstreckung durch das Kassationsgericht überprüft und bestätigt wurden. Das Kassationsgericht lässt jedoch regelmäßig bei der Überprüfung von Todesurteilen die Anwendung von unzulässigem Beweismaterial außer Acht, darunter zurückgezogene "Geständnisse" und Foltervorwürfe. Das Kassationsgericht trifft seine Entscheidung anhand des schriftlichen Urteils und der Gerichtsakten. Für den Angeklagten stellt dies keine echte Überprüfung seines Falls dar. Nach internationalem Recht erfordert das Recht, ein Urteil entsprechend dem Gesetz durch ein höheres Gericht nachprüfen zu lassen (Artikel 14(5) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte - IPbpR) eine umfassende Auswertung der Beweisführung des ersten Verfahrens. Das Recht auf persönliche Anwesenheit der Angeklagten bei ihrem Berufungsverfahren hat bei Fällen mit Todesurteil einen noch höheren Stellenwert. Sobald ein Todesurteil vom Kassationsgericht bestätigt wurde, muss es laut Paragraf 286 der irakischen Strafprozessordnung an den Präsidenten weitergeleitet werden, der wiederrum entscheidet, ob es ratifiziert und der Verurteilte hingerichtet wird oder ob seine Strafe umgewandelt bzw. er begnadigt wird.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie nachdrücklich bitten, Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad ein Wiederaufnahmeverfahren zu gewähren, welches den internationalen Standards entspricht.
  • Ich bitte Sie eindringlich, sein Todesurteil aufzuheben und ihn nicht hinzurichten.
  • Ich bitte Sie zudem, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen, und alle bereits verhängten Todesurteile umgehend umzuwandeln.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT
His Excellency Nuri Kamil al-Maliki
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@pmo.iq

JUSTIZMINISTER
Hassan al-Shammari
Ministry of Justice
Baghdad, IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: http://www.moj.gov.iq/complaints.php (nur auf Arabisch)


KOPIEN AN

MINISTER FÜR MENSCHENRECHTE
His Excellency Mohammad Shayaa al-Sudani
Ministry of Human Rights
Baghdad, IRAK
E-Mail: shakawa@humanrights.gov.iq oder
minister1@humanrights.gov.iq

BOTSCHAFT DER REPUBLIK IRAK
S. E. Herrn Hussain Mahmood Fadhlalla Alkhateeb
Pacelliallee 19-21
14195 Berlin
Fax: 030-8148 8222
E-Mail: info@iraqiembassy-berlin.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 26. Dezember 2013 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch.

Weitere Informationen zu UA-297/2012 (MDE 14/014/2012, 4. Oktober 2012)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Iraqi authorities to grant Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad a retrial in full compliance with international standards.
  • Calling on them to overturn his death sentence and not to execute him.
  • Urging the authorities to declare an official moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty, and to commute without delay all death sentences.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Im März 2013 hat Amnesty International 90 Fälle von Gefangenen in irakischen Todeszellen dokumentiert, die aufgrund von "Geständnissen", die ihren Angaben zufolge unter Folter erzwungen wurden, terroristischer oder anderer schwerer Straftaten für schuldig befunden worden waren. Dies geschah zu Zeiten, in denen sie in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten wurden. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Iraq: A Decade of Abuse
(http://amnesty.org/en/library/info/MDE14/001/2013/en) und in dem Video Iraq's lethal confession culture
(http://www.youtube.com/watch?v=kCfEnbDKp2I). Mindestens 14 der 90 Gefangenen, deren Fälle der Bericht dokumentiert, wurden 2013 bereits hingerichtet.

Die Hilfsmission der Vereinten Nationen für Irak (United Nations Assistance Mission for Iraq - UNAMI), der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und der Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen haben die irakischen Behörden wiederholt dazu aufgefordert, ein Moratorium für die Todesstrafe zu verhängen. Im Zusammenhang mit 21 am selben Tag im April 2013 vollstreckten Hinrichtungen vergleicht der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die Hinrichtung von Menschen in einem solchen Ausmaß mit der Verarbeitung von Tieren auf dem Schlachthof. Das Strafjustizsystem im Irak mit zahlreichen Verurteilungen auf der Grundlage von durch Folter und Misshandlungen erzwungenen Geständnissen funktioniere immer noch nicht angemessen, es zeuge von einer schwachen Justiz und Gerichtsverfahren, die internationalen Standards zuwiderlaufen. Die Anwendung der Todesstrafe sei in diesem Zusammenhang gewissenlos, da Fehlurteile bei der Vollstreckung von Todesurteilen nicht rückgängig gemacht werden können.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-297/2012-1, AI-Index: MDE 14/019/2013, Datum: 14. November 2013 - mv
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2013