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AKTION/1532: Urgent Action - USA (Georgia), Oberster Gerichtshof muss Hinrichtung stoppen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-197/2012-3, AI-Index: AMR 51/046/2013, Datum: 8. Juli 2013 - bs

USA (Georgia)
Oberster Gerichtshof muss Hinrichtung stoppen



Herr WARREN HILL, 53-jähriger Afro-Amerikaner

Warren Hill soll am 15. Juli im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden. Die sieben ExpertInnen, die ihn untersucht haben, sagen inzwischen alle, dass er "geistig behindert" ist. In diesem Fall würde eine Hinrichtung gegen die US-amerikanische Verfassung verstoßen. Seine Rechtsbeistände haben sich an den Obersten Gerichtshof der USA gewandt, damit er eingreift. Im Jahr 2002 befand ein Richter des Bundesstaates Georgia, dass Warren Hill tatsächlich "deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten" aufweise, aber dass nicht zweifelsfrei "Defizite im adaptiven Verhalten" nachzuweisen seien. Warren Hill war 1991 wegen des 1990 begangenen Mordes an seinem Mithäftling Joseph Handspike zum Tode verurteilt worden. Im Jahr 1988 hat das Parlament des Bundesstaates Georgia ein Gesetz verabschiedet, das die Verhängung der Todesstrafe gegen jede Person untersagt, bei der "ohne berechtigten Zweifel" eine "geistigen Behinderung" festgestellt wurde. Das Gesetz definiert diese Behinderung als "deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten", die zu "Defiziten im adaptiven Verhalten" führen, die sich "in der Entwicklungsphase manifestierten".

Der Oberste Gerichtshof der USA (US Supreme Court) befand in der Grundsatzentscheidung "Atkins gegen Virginia", dass die Hinrichtung von geistig behinderten Menschen gegen die US-Verfassung verstoße. Die Rechtsbeistände von Warren Hill baten auf Grundlage dieser Entscheidung um erneute Prüfung ihrer vorherigen Rechtsmittel. Diesmal entschied das zuständige Gericht, dass "das Überwiegen der Beweise" ausreiche um festzustellen, dass Warren Hill an einer geistigen Behinderung leidet. Das strengere Kriterium "ohne berechtigte Zweifel" müsse nicht erfüllt sein. Auf der Grundlage dieser Beurteilung kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beeinträchtigung von Warren Hill einer geistigen Behinderung gleichkäme. Die Behörden von Georgia legten dagegen jedoch Rechtsmittel beim Obersten Gericht des Bundesstaates ein, das 2003 mit vier zu drei Stimmen entschied, in diesem Kontext sei das Kriterium "ohne berechtigten Zweifel" anzulegen. Der Fall wurde dann an die Bundesgerichte verwiesen, und 2011 entschied ein Bundesberufungsgericht (Court of Appeals for the 11th Circuit) mit sieben zu vier Stimmen, dass selbst wenn der Bundesstaat in seiner Gesetzgebung nicht für einen angemessenen Ausgleich gesorgt hat, das US-Bundesgericht aufgrund von US-Recht nicht befugt sei einzuschreiten, auch wenn es die Entscheidung des bundesstaatlichen Gerichts "für nicht korrekt oder unüberlegt" erachte.

Im Februar 2013 stoppte das Bundesberufungsgericht des 11. Bezirks die Hinrichtung von Warren Hill. Zu diesem Zeitpunkt waren alle an dem Fall beteiligten ExpertInnen zu dem Schluss gekommen, dass Warren Hill an einer "geistigen Behinderung" leidet. Am 22. April jedoch wies das dreiköpfige Richtergremium das neue Rechtsmittel von Warren Hill mit der Begründung zurück, das Gericht sei den strengen Beschränkungen unterworfen, die das "Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und zur effektiven Durchsetzung der Todesstrafe" (Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act - AEDPA) aus dem Jahr 1996 bei aufeinanderfolgenden Rechtsmitteln anwende. Eine Richterin des Gremiums widersprach dieser Auffassung jedoch und erklärte, "ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz kann nicht angewendet werden, um das in der Verfassung festgeschriebene Recht von Warren Hill, nicht hingerichtet zu werden, außer Kraft zu setzen". Die Richterin schrieb: ". der Bundesstaat Georgia wird einen geistig behinderten Mann hinrichten. Denn alle sieben ExpertInnen, die Warren Hill jemals untersucht haben, sowohl die vom Bundesstaat bestellten als auch die von Warren Hill beauftragen ExpertInnen, sind inzwischen zu der übereinstimmenden Auffassung gelangt, dass er geistig behindert ist."

Die Rechtsbeistände von Warren Hill bitten den Obersten Gerichtshof der USA, die Hinrichtung zu stoppen. Der Gerichtshof hatte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes AEDPA 1996 bestätigt und erklärt, das Gesetz habe nicht die Befugnis des Gerichtshofs aufgehoben, sich direkt mit Originalanträgen (original habeas petitions) zu befassen, d.h. unter außergewöhnlichen Umständen kann sich der Gerichtshof mit einem ihm direkt vorgetragenen Fall befassen, ohne dass der Fall nach einem Berufungsverfahren vor einem anderen Gericht an den Gerichtshof weiterverwiesen wurde. Mehrere JuraprofesssorInnen in den USA haben sich in einem Schreiben an den Gerichtshof gewandt und sich dafür ausgesprochen, dass der Gerichtshof sich zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschließen sollte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN (AUF ENGLISCH)

Signing the AEDPA into law on 24 April 1996, President Bill Clinton said: "For too long, and in too many cases, endless death row appeals have stood in the way of justice being served. From now on, criminals sentenced to death for their vicious crimes will no longer be able to use endless appeals to delay their sentences." The US Supreme Court has said that under the AEDPA federal courts must operate a "highly deferential standard for evaluating state-court rulings, which demands that state court decisions be given the benefit of the doubt". The UN Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions expressed serious concern in 1998 that "the guarantee of due process in capital cases [had] been seriously jeopardized" by the AEDPA, which placed unprecedented restrictions on prisoners raising claims of constitutional violations. In 2012, the UN Special Rapporteur reiterated concern about the failure of the USA to address the AEDPA's curtailment of judicial review.

In its 22 April 2013 ruling in the Warren Hill case, the 11th Circuit panel ruled 2-1 that the AEDPA barred his successive petition. In support of that petition, Warren Hill's lawyers had filed affidavits signed in February 2013 by the three experts who had testified for the state in late 2000 that they did not believe Hill had mental retardation. In their affidavits, all three revealed that they had changed their minds and now considered that Hill did have mental retardation, thereby now agreeing with the four experts presented by the defence in 2000. The two judges in the 11th Circuit majority said that they had "considered with care and caution our colleague's dissent. We are required, however, to apply the rules of the AEDPA".


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass inzwischen alle sieben ExpertInnen, die Warren Hill untersucht haben, übereinstimmend zu der Überzeugung gelangt sind, dass er an einer geistigen Behinderung leidet und seine Hinrichtung somit einen Verstoß gegen die US-Verfassung darstellen würde.
  • Angesichts dieser übereinstimmenden Meinung bitte ich Sie, den Antrag an den Obersten Gerichtshof zu unterstützen.

APPELLE AN

STAATSANWALT VON GEORGIA
The Honorable Sam Olens
Attorney General of Georgia
40 Capitol Square,
SW, Atlanta, GA 30334
USA
(Anrede: Dear Attorney General / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: 001 404 657 8733
E-Mail: AGOlens@law.ga.gov


KOPIEN AN

GOUVERNEUR VON GEORGIA
Governor Nathan Deal
Georgia State Capitol, Atlanta, GA 30334, USA
Fax: 001 404 657 7332
E-Mail: http://gov.georgia.gov/webform/contact-governor-international-form

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip Dunton Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 15. Juli 2013 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Noting that all seven experts who have assessed Warren Hill now agree that he has mental retardation, which would render his execution unconstitutional.
  • Calling on the Attorney General to concede this and to support the petition for Supreme Court intervention.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG (AUF ENGLISCH)

For her part, the dissenting judge wrote: "The state of Georgia and the majority. take the position that a federal court cannot consider Hill's newly discovered and compelling evidence because Congress's gate-keeping rules under AEDPA preclude us from allowing a mentally retarded person to vindicate his constitutional right to never be put to death. The perverse consequences of such an application of AEDPA is that federal court must acquiesce to, even condone, a state's insistence on carrying out the unconstitutional execution of a mentally retarded person. The idea that courts are not permitted to acknowledge that a mistake has been made which would bar an execution is quite incredible for a country that not only prides itself on having the quintessential system of justice but attempts to export it to the world as a model of fairness". She further argued that the AEDPA should not be interpreted to require the execution of a prisoner in a case where the current state of the evidence "virtually guarantees that he can establish his mental retardation", indeed can "satisfy even the preposterous burden of proof Georgia demands". No other US state requires proof of mental retardation beyond a reasonable doubt in the death penalty context. Indeed, a majority of the USA's 32 death penalty states, and the federal government, utilize the "preponderance of the evidence" standard, under which the Georgia trial-level judge found Warren Hill to have mental retardation.

There is no petition for clemency before the Georgia Board of Pardons and Paroles, which already denied clemency in 2012. The final hope for a stay of execution rests with the US Supreme Court. Several leading mental health professionals have signed an amici curiae (friends of the court) brief in support of Warren Hill's petition to the Supreme Court, saying: "As clinicians in the field of mental disabilities, amici are acutely conscious of the stakes in capital cases, and believe that a death sentence cannot rest upon what are now acknowledged to be diagnostic errors". On 3 July 2013, a Georgia county court set a seven-day window in which the execution of 53-year-old Warren Hill can be carried out. The execution warrant is valid noon on 13 July and expires at noon on 20 July. The Commissioner of the Georgia Department of Corrections has scheduled the execution for 7.00 pm on 15 July at the Georgia Diagnostic and Classification Prison in Jackson.

There have been 18 executions in the USA this year, and 1,338 executions since 1977, 53 of them in Georgia. Amnesty International opposes the death penalty in all cases.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-197/2012-3, AI-Index: AMR 51/046/2013, Datum: 8. Juli 2013 - bs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2013