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AKTION/1510: Urgent Action - Vereinigte Arabische Emirate, baldiges Urteil im Prozess gegen Regierungskritiker


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-214/2012-3, AI-Index: MDE 25/006/2013, Datum: 10. Juni 2013 - mr

Vereinigte Arabische Emirate
Baldiges Urteil im Prozess gegen Regierungskritiker



BIS ZU 94 STAATSANGEHÖRE DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE,
darunter: Dr. MOHAMED AL-MANSOORI Dr. MOHAMED 'ABDULLAH AL-ROKEN Herr SALEM AL-SHEHHI Herr MOHAMMED SALIM AL-ZUMOR Dr. HADEF AL-OWAIS Herr MOHAMMED SAEED AL-ABDOULI

94 RegierungskritikerInnen, darunter etwa 60, die der Vereinigung al-Islah nahestehen, stehen seit dem 4. März vor Gericht. Am 2. Juli sollen die Urteile verkündet werden. Den Angeklagten könnten jeweils bis zu 15 Jahre Haft drohen.

Am 21. Mai hielten die Rechtsbeistände der 94 Staatsangehörigen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihre Schlussplädoyers vor dem Staatssicherheitsgericht. In diesem Strafverfahren wurden weder rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten noch waren unabhängige BeobachterInnen und internationale Medien zugelassen. Die Rechtsbeistände legten die Verfahrensverstöße des Gerichtsverfahrens dar und forderten Freispruch für ihre MandantInnen. Sie begründeten diese Forderung u. a. mit der Tatsache, dass die Gerichtsakten manipuliert worden seien und sie manchmal monatelang keinen Zugang zu den Akten gehabt hätten. Nachdem Einzelheiten des Verfahrens auf den Internetseiten sozialer Medien aufgetaucht waren, wurden Angehörige der Angeklagten am 20. März darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie der Verhandlung in Zukunft nicht mehr beiwohnen dürften.

Die 94 Angeklagten stehen vor Gericht, weil sie angeblich gegen Paragraf 180 des Strafgesetzbuchs verstoßen haben, der die Gründung, Organisation oder Leitung einer Gruppe untersagt, die darauf abzielt, das politische System des Landes zu stürzen. Unter den Angeklagten befinden sich mindestens drei gewaltlose politische Gefangene: die Menschenrechtsanwälte Dr. Mohamed al-Mansoori und Dr. Mohamed 'Abdullah al-Roken sowie ihr Anwalt Salem al-Shehhi, des Weiteren der 19-jährige Student Mohammed Salim al-Zumor sowie der Jurist Dr. Hadef al-Owais, der öffentlich seine Bereitschaft bekundet hatte, die Gefangenen zu verteidigen, und der ehemalige Vorsitzende eines Berufungsgerichts in Abu Dhabi, Mohammed Saeed al-Abdouli. Mindestens 64 der Angeklagten wurden im Vorfeld des Gerichtsverfahrens bis zu einem Jahr lang an unbekannten Haftorten festgehalten, manche von ihnen mussten lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen. Berichten zufolge sollen mindestens einige von ihnen im Gewahrsam gefoltert oder in anderer Weise misshandelt worden sein. Viele der Angeklagten hatten monatelang keine rechtliche Vertretung und wenn sie überhaupt einen Rechtsbeistand sehen durften, dann immer in Gegenwart eines Vertreters der Staatsanwaltschaft der Staatsicherheit.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Al-Islah ist eine friedliche Gruppierung, die sich 1974 formierte und sich an der friedlichen politischen Debatte in den VAE beteiligt. Sie setzt sich für die strikte Einhaltung islamischer Grundsätze ein und es gibt keine Hinweise darauf, dass sie Gewalt einsetzt oder diese befürwortet. Sultan al-Qasimi, der Leiter der al-Islah, befindet sich seit seiner Festnahme im April 2012 in Haft. Im Juli verurteilte ein Gericht in Abu Dhabi den ehemaligen Richter und Angehörigen der al-Islah Dr. Ahmed al-Zaabi aus offenbar politischen Gründen wegen Betrugs zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe. Man geht davon aus, dass er in der Haft gefoltert oder in anderer Weise misshandelt wurde. Am 20. Februar 2013 hob ein Berufungsgericht die Freiheitsstrafe auf, erhielt die Geldstrafe jedoch aufrecht. Im Juli 2012 gaben die Behörden der VAE an, "ausländische" Gruppierungen bedrohten die staatliche Sicherheit. Gleichzeitig begann eine zweite Festnahmewelle, die bis Dezember anhielt. Unter den Gefangenen, die in der Untersuchungshaft psychisch oder physisch gefoltert oder in anderer Weise misshandelt wurden, befanden sich Rashid al-Roken und Abdallah al-Hajeri, der Sohn und der Schwiegersohn von Dr. Mohamed 'Abdullah al-Roken. Einige Gefangene hatten monatelang keine rechtliche Vertretung und konnten im November 2012 bzw. am 20. und 21. Februar 2013 erstmalig einen Rechtsbeistand sehen. Die Treffen fanden in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit statt. Berichten zufolge war währenddessen die ganze Zeit ein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend. Dies verstößt gegen geltendes Recht der VAE sowie gegen internationale Standards für ein faires Gerichtsverfahren. Entscheidungen des Staatssicherheitsgerichts können nicht angefochten werden.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie nachdrücklich, alle Anklagen fallen zu lassen, die sich lediglich auf die Ausübung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit beziehen, und alle Gefangenen sofort und bedingungslos freizulassen, die sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung dieser Rechte in Haft befinden.
  • Stellen Sie sicher, dass die Gefangenen vor Folter und anderer Misshandlung geschützt sind, Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und zu ihren Familien erhalten und bei Bedarf medizinisch versorgt werden.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die Vorwürfe wegen Folter und anderen Misshandlungen umgehend unabhängig und unparteilich untersucht werden.

APPELLE AN

STELLVERTRETENDER STAATSCHEF UND MINISTERPRÄSIDENT
Shaikh Mohammad bin Rashid Al-Maktoum
Office of the Prime Minister
POB 2838, Dubai, VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Highness / Sehr geehrter Herr Premierminister)
Fax: (00 971) 4 353 19 74
E-Mail: über http://uaepm.ae/English/Pages/ContactUs.aspx

INNENMINISTER
Lt-General Sheikh Saif bin Zayed Al-Nahyan
Human Rights Directorate
POB 398, Abu Dhabi, VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE (Anrede: Your Highness / Sehr geehrter Herr Innenminister)
Fax: (00 971) 4 398 11 19


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
Dr Hadef bin Jua'an Al Dhaheri
Ministry of Justice
Al Khubirah, Sector 93, Street 5
P.O. Box 260
Abu Dhabi
VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE
(Anrede: Your Excellency / Sehr geehrter Herr Justizminister)
Fax: (00 971) 2 681 06 80

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN ARABISCHEN EMIRATE
S. E. Herrn Jumaa Mubarak Jumaa Salem Aljunaibi
Hiroshimastraße 18-20
10785 Berlin
Fax: 030-5165 190


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Juli 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-214/2012 (MDE 25/006/2012, 17. Juli 2012, MDE 25/007/2012, 29. Juli 2012 und MDE 25/002/2013, 28. Februar 2013)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to drop any charges that relate solely to the peaceful exercise of the rights to freedom of expression or association and to release immediately and unconditionally all those held on this basis.
  • Urging them to ensure that all detainees are protected from torture and other ill-treatment and have access to their families and all necessary medical treatment.
  • Calling on them to ensure that independent and impartial investigations are promptly opened into all allegations of torture and other ill-treatment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Angehörige der Gefangenen sind bedroht worden und im Januar 2013 wurden etwa 10 weibliche Familienangehörige von inhaftierten al-Islah-Mitgliedern befragt, zum Teil vier Stunden lang. Während der Befragungen verweigerte man ihnen eine rechtliche Vertretung. Eine Reihe von Personen sind festgenommen und beschuldigt worden, Einzelheiten des Gerichtsverfahrens auf Internetseiten sozialer Medien veröffentlicht zu haben, darunter Abdulla al-Hadidi, der Sohn des Angeklagten Abdulrahman al-Hadidi. Er wurde am 21. März festgenommen und unter dem im November 2012 verabschiedeten Dekret Nr. 5/2012 zur Internetkriminalität beschuldigt, "in unseriöser Weise und böser Absicht" Einzelheiten der öffentlichen Verhandlung über die soziale Plattform Twitter verbreitet zu haben. Im April wurde er zu zehn Monaten Haft verurteilt. Dieses Urteil erhielt das Berufungsgericht in Abu Dhabi am 20. Mai aufrecht. Der politische Aktivist Waleed al-Shehhi wurde ebenfalls am 11. Mai festgenommen und unter Artikel 28 des Dekrets der "Störung der öffentlichen Ordnung" beschuldigt, nachdem er auf Twitter seine Sorge über das Verfahren geäußert hatte. Das Dekret unterbindet im Netz alle Arten von Kritik an der Regierung der VAE und untersagt es den BürgerInnen des Landes ebenfalls, Informationen an Menschenrechtsorganisationen und JournalistInnen weiterzugeben.

Amnesty International verleiht seit Jahren ihrer Sorge Ausdruck, dass die Gerichtsverfahren in den VAE den internationalen Standards für einen fairen Gerichtsprozess nicht entsprechen. Im vergangenen Jahr kritisierte die Organisation die Inhaftierung von fünf Aktivisten in den VAE, die beschuldigt wurden, führende Vertreter der VAE "öffentlich beleidigt" zu haben. Lesen Sie hierzu auch den englischsprachigen Artikel Amnesty International: Trial observer finds flagrant flaws in "UAE 5" trial case vom 3. November 2012 unter:
http://www.amnesty.org/en/news/uae-trial-observer-finds-flagrant-flaws-uae-5-case-2011-11-03
und das Interview mit Generalsekretär Salil Shetty auf YouTube:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=_zju9jBBOAg

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-214/2012-3, AI-Index: MDE 25/006/2013, Datum: 10. Juni 2013 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2013