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AKTION/1250: Urgent Action - Israel / Besetzte Palästinensische Gebiete, Hungerstreik beendet


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-11, AI-Index: MDE 15/060/2012, Datum: 30. Oktober 2012 - we

Israel / Besetzte Palästinensische Gebiete
Hungerstreik beendet

Weitere Informationen zu UA-119/2012 (MDE 15/023/2012, 27. April 2012, MDE 15/025/2012, 4. Mai 2012, MDE 15/028/2012, 18. Mai 2012, MDE 15/032/2012, 11. Juni 2012, MDE 15/035/2012, 21. Juni 2012, MDE 15/038/2012, 12. Juli 2012, MDE 15/047/2012, 10. August 2012, MDE 15/049/2012, 31. August 2012, MDE 15/051/2012, 14. September 2012, MDE 15/052/2012, 25. September 2012 und MDE15/056/2012, 18. Oktober 2012)



Herr SAMER AL-BARQ, 37 Jahre alt
Herr HASSAN SAFADI, 33 Jahre alt

Der palästinensische Verwaltungshäftling Hassan Safadi ist am 29. Oktober freigelassen worden. Er hatte zuvor bereits zweimal mit einem Hungerstreik gegen seine Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren durch die israelischen Behörden protestiert. Ein weiterer Häftling, Samer al-Barq, hat seinen dritten Hungerstreik ausgesetzt, nachdem ihm versichert worden war, dass man ihn aus der Haft entlassen und über Ägypten nach Pakistan überstellen werde.

Hassan Safadi wurde am 29. Oktober aus dem israelischen Hadarim-Gefängnis entlassen, wo er seit dem 21. September festgehalten worden war, nachdem er einen dreimonatigen Hungerstreik beendet hatte. Seine Familie nahm den Palästinenser in Empfang. Er befindet sich nun wieder in seiner Heimatstadt Nablus.

Samer al-Barq, ein weiterer Verwaltungshäftling, setzte seinen dritten Hungerstreik am 24. Oktober aus, nachdem ihm Rechtsbeistände der Vereinigung der palästinensischen Gefangenen (Palestinian Prisoner's Club) versichert hatten, dass er schon bald über Ägypten nach Pakistan überstellt werden wird. Der Vorsitzende der Vereinigung, Qaddoura Fares, sagte gegenüber Amnesty International, dass der palästinensischen Autonomiebehörde ein offizielles Schreiben des Außenministeriums von Pakistan vorläge, in dem dieses der Aufnahme von Samer al-Barq zustimme. Der 37-Jährige hat in der Vergangenheit in Pakistan studiert und ist mit einer pakistanischen Frau verheiratet. Qaddoura Fares sagte weiterhin, dass man Samer al-Barq mit dem Ziel einer Überstellung nach Pakistan nach dem islamischen Opferfest am 30. Oktober in einem ersten Schritt zunächst nach Ägypten bringen werde.

Die Eltern von Samer al-Barq besuchten ihn am 25. Oktober in der medizinischen Einrichtung des israelischen Gefängnisdienstes (Israel Prison Service - IPS) im Ramleh-Gefängnis. Sein Vater, Hilmi al-Barq, sagte Amnesty International, dass sein Sohn in einem Rollstuhl zu ihnen gebracht wurde und nicht in der Lage war aufzustehen. Samer al-Barq soll über starke Schmerzen in seinem rechten Bein geklagt haben, die scheinbar durch einen Metalleinsatz hervorgerufen werden, der sich seit einer Operation in seinem Bein befindet.

Die beiden Männer erhielten während ihres gesamten Hungerstreiks keine fachärztliche Betreuung oder Behandlung in einem entsprechend ausgestattetem Krankenhaus und wurden wiederholt von Angehörigen des IPS misshandelt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der 37-jährige Samer al-Barq wurde am 11. Juli 2010 von den jordanischen Behörden an die Militärbehörden in Israel überstellt und wird seitdem ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Zuvor war er bis 2008 viereinhalb Jahre lang ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Jordanien inhaftiert gewesen. Das erste Mal wurde er am 15. Juli 2003 in Pakistan festgenommen, wo er zu dieser Zeit studierte. Danach übergab man ihn den US-Behörden, die ihn für drei Monate in einem geheimen Gefängnis außerhalb von Pakistan festhielten. Am 26. Oktober wurde er dann in jordanischen Gewahrsam überstellt. Hassan Safadi gab an, sowohl in US-amerikanischer als auch in jordanischer Haft gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein. Sein Rechtsbeistand hat gegenüber Amnesty International erklärt, dass die israelischen Behörden Samer al-Barq während seiner Inhaftierung nicht verhört haben. Nach 30 Tagen beendete er am 14. Mai 2012 seinen ersten Hungerstreik. Ab dem 22. Mai verweigerte er erneut die Nahrungsaufnahme, nachdem seine Haftanordnung um weitere drei Monate verlängert worden war. Die Haftordnung wurde am 22. August erneut verlängert. Während des zweiten Hungerstreiks war er zeitweise an das Krankenhausbett gekettet. AnwältInnen gegenüber gab er an, vom Gefängnispersonal geschlagen und beschimpft worden zu sein. Er beendete seinen Hungerstreik am 23. September, nachdem ihm zugesichert worden war, dass man ihn nach Ägypten überstellen würde. Nachdem die israelischen Behörden diesem Versprechen jedoch nicht nachgekommen waren, trat er am 14. Oktober erneut in den Hungerstreik. Amnesty International geht aufgrund der Angaben der AnwältInnen von Samer al-Barq, die an den Verhandlungen über seine Freilassung und mögliche Aufnahme in Ägypten beteiligt waren, davon aus, dass der Gefangene seine freiwillige Zustimmung zu diesen Verhandlungen gegeben hat. Amnesty International konnte jedoch nicht mit Samer al-Barq persönlich sprechen, um sich dies bestätigen zu lassen. Nachdem man ihm ein Jahr lang keine Besuche von Angehörigen erlaubt hatte, durfte seine Familie ihn am 11. Oktober zum ersten Mal und am 25. Oktober ein weiteres Mal besuchen. Sie sagten Amnesty International, dass er äußerst schwach und deprimiert sei. Er leide zudem unter inneren Blutungen und starken Bauchschmerzen.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, Samer al-Barq sowie alle weiteren palästinensischen Verwaltungshäftlinge freizulassen, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden.
  • Verlegen Sie Samer al-Barq bitte nicht ohne seine Zustimmung und ohne vorherige Bestätigung durch einen unabhängigen Arzt, dass sein Gesundheitszustand dies zulässt. Sorgen Sie bitte dafür, dass er auch während einer eventuellen Verlegung angemessene medizinische Versorgung erhält.
  • Ich fordere nachdrücklich die unverzügliche Freilassung aller Verwaltungshäftlinge. Bis zu ihrer Freilassung müssen den Gefangenen regelmäßige Besuche ihrer Familien gewährt werden.

APPELLE AN

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service
P.O. Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800

GENERALDIREKTOR DES GESUNDHEITSMINISTERIUMS
Dr. Roni Gamzo
Director General, Ministry of Health
2 Ben Tabai Street
Jerusalem 93591, ISRAEL
(Anrede: Dear Director General / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
Fax: (00 972) 2 565 5966


KOPIEN AN

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Yitzhak Aharonovitch
Ministry of Public Security
Kiryat Hamemshala
Jerusalem 91181, ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: sar@mops.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S. E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030-8904 5555 oder 030-8904 5309
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. Dezember 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Israeli authorities to immediately release Samer al-Barq and other Palestinians held in administrative detention, unless they are promptly charged with internationally recognizable criminal offences and brought to trial in full conformity with international fair trial standards.
  • Calling for no transfer of Samer al-Barq to take place without his consent and until an independent doctor certifies that his health condition permits it, and for adequate medical care to be provided during any transfer.
  • Urging the Israeli authorities to end the use of administrative detention and permit all detainees family visits.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Der 33-jährige Hassan Safadi wird seit dem 29. Juni 2011 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Seine Haftanordnung war im Juni 2012 zunächst um weitere sechs Monate verlängert worden, bevor sie dann bei einer gerichtlichen Überprüfung im September auf vier Monate verkürzt wurde. Hassan Safadi hatte im Mai nach 70 Tagen seinen ersten Hungerstreik beendet, verweigerte jedoch ab dem 21. Juni wegen der Verlängerung seiner Haftanordnung erneut die Nahrungsaufnahme. Er beendete den Hungerstreik erst, als das Militärische Berufungsgericht entschied, seine derzeitige Verwaltungshaftanordnung - die am 29. Oktober ausläuft - nicht weiter zu verlängern. Dies wurde am 18. Oktober durch den israelischen Generalstaatsanwalt bestätigt. Daraufhin zog Hassan Safadi einen Antrag auf Aufhebung seiner Verwaltungshaft zurück, den er beim Obersten Gerichtshof eingereicht hatte. Ein PHR-Arzt, der Hassan Safadi zuletzt am 10. September untersuchte, stellte fest, dass er 24 Prozent seines Körpergewichts verloren hat und an Muskelatrophie, vermindertem Sehvermögen, Schwindel, extrem niedrigem Blutdruck, Nierensteinen, Gelenkschmerzen sowie eingeschränktem Empfinden und Zyanose in den Händen und Füßen leidet, was auf eine dauerhafte Nervenschädigung hindeuten könnte. Da seitdem keine PHR-ÄrztInnen mehr zu Hassan Safadi vorgelassen wurden, liegen keine Informationen über seinen aktuellen Gesundheitszustand vor und es ist unklar, ob er die erforderliche medizinische Versorgung und Betreuung erhält, die während der langsamen Wiederaufnahme von Nahrung nach einem Hungerstreik nötig sind. Auch Hassan Safadi hat angegeben, vom Gefängnispersonal während seines Hungerstreiks geschlagen und beschimpft worden zu sein.

Ein weiterer palästinensischer Gefangener, Ayman Sharawna, der am 31. Januar festgenommen wurde - drei Monate, nachdem er im Oktober 2011 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigekommen war -, befindet sich seit dem 1. Juli 2012 im Hungerstreik. Er protestiert damit gegen die Weigerung eines israelischen Militärausschusses, ihm oder seinen Rechtsbeiständen ihre Vorwürfe zu begründen, er habe gegen Auflagen für seine Freilassung verstoßen. Er hat die meiste Zeit seines Hungerstreik im Gefängniskrankenhaus Ramleh verbracht, das jedoch weder ausreichend ausgestattet ist noch über das nötige Fachpersonal verfügt, um Personen, die sich seit längerer Zeit im Hungerstreik befinden, die erforderliche Betreuung bieten zu können. Berichten zufolge nimmt er seit dem 14. Oktober keine Vitaminpräparate mehr zu sich und hat damit gedroht, auch kein Wasser mehr zu trinken, sollte der Militärausschuss keine Entscheidung bezüglich seiner Haftstrafe fällen.

Verwaltungshaft ist die Inhaftierung von Personen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren. Die Haftanordnung kann auf der Grundlage von Beweisen, die weder den Gefangenen selbst noch ihren Rechtsbeiständen mitgeteilt werden, immer wieder verlängert werden. Aus Protest gegen schlechte Haftbedingungen wie z. B. Einzelhaft, die Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklage traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2.000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung, die den Hungerstreik beendete. Trotz Medienberichten, laut denen die israelischen Behörden derzeit anhängige Verwaltungshaftanordnungen nicht erneuern wollen, sofern die Nachrichtendienste keine neuen belastenden Erkenntnisse zutage fördern, scheinen auch weiterhin Verwaltungshaftanordnungen ausgestellt worden zu sein. Am 30. September befanden sich 184 Menschen in Verwaltungshaft, was mehr als 130 weniger sind als noch im März 2012. Einige Verwaltungshäftlinge sind freigekommen, nachdem sie zugesichert hatten, die Besetzten Palästinensischen Gebieten dauerhaft zu verlassen und ins Exil zu gehen. Die Vierte Genfer Konvention untersagt es Besatzungsmächten, Menschen gegen ihren Willen aus einem besetzten Gebiet auszuweisen. Weitere Informationen finden Sie in dem im Juni 2012 veröffentlichten englischen Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-11, AI-Index: MDE 15/060/2012, Datum: 30. Oktober 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2012