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AKTION/1226: Urgent Action - Bahrain, Unfaires Verfahren


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-128/2012-8, AI-Index: MDE 11/059/2012, Datum: 16. Oktober 2012 - we

Bahrain
Unfaires Verfahren

Weitere Informationen zu UA-128/2012 (AFR 54/027/2012, 8. Mai 2012, MDE 11/033/2012, 23. Mai 2012, MDE 11/036/2012, 29. Mai 2012, MDE 11/038/2012, 8. Juni 2012, MDE 11/042/2012, 29. Juni 2012, MDE 11/044/2012, 10. Juli 2012, MDE 11/051/2012, 21. August 2012 und MDE 11/052/2012, 24. August 2012).



NABEEL RAJAB, Leiter des Menschenrechtszentrums von Bahrain

Am 16. Oktober fand vor dem Berufungsgericht in Manama eine Anhörung zum Fall des Menschenrechtsverteidigers Nabeel Rajab statt. Mindestens ein Zeuge durfte nicht nach Bahrain einreisen, um vor Gericht für Nabeel Rajab auszusagen. Beweismittel, die bei früheren Anhörungen vorlagen, sind scheinbar aus der Verfahrensakte "verschwunden".

Am 16. Oktober erschien Nabeel Rajab vor dem Berufungsgericht in der bahrainischen Hauptstadt Manama. Mindestens einem Entlastungszeugen aus dem Ausland wurde die Einreise nach Bahrain verwehrt. Die bahrainischen Behörden sollen ihm gesagt haben, dass er ein gerichtliches Genehmigungsschreiben benötige. Während der Anhörung stellten die Rechtsbeistände von Nabeel Rajab einen Antrag auf die Ausstellung eines solchen Schreibens, der jedoch abgelehnt wurde. Die VerteidigerInnen des Menschenrechtlers beschwerten sich daraufhin darüber, dass so das Recht ihres Mandanten auf Verteidigung untergraben werde. Die Rechtsbeistände von Nabeel Rajab forderten den Berufungsrichter zudem auf, eine Untersuchung zu CDs und Videos durchzuführen, die ihn früheren Anhörungen als Beweismitteln vorlagen und nun scheinbar aus der Verfahrensakte "verschwunden" sind. Die nächste Anhörung ist für den 8. November anberaumt.

Nabeel Rajab verbüßt im Al-Jaw-Gefängnis eine dreijährige Haftstrafe, nachdem ihn ein Strafgericht in der bahrainischen Hauptstadt Manama am 16. August wegen der Teilnahme an "illegalen Versammlungen" und der "Störung der öffentlichen Ordnung" verurteilt hatte. Man warf ihm vor, ohne vorherige Genehmigung am 12. Januar, 6. Februar und 31. März 2012 zu Demonstrationen aufgerufen und daran teilgenommen zu haben. Die erste Anhörung im Berufungsverfahren wegen "Verunglimpfung einer staatlichen Institution" in seinen Twitter-Nachrichten wurde für den 17. November angesetzt. Am 4. Oktober erlaubte man ihm zur Beerdigung seiner Mutter zu reisen. Er wurde jedoch noch am selben Tag wieder ins Gefängnis gebracht und durfte nicht an den Trauerfeierlichkeiten in den darauffolgenden Tagen teilnehmen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nabeel Rajab, Vorsitzender des Menschenrechtszentrums von Bahrain und Leiter des Menschenrechtszentrums der Golfregion, hatte im Februar 2012 eine Protestkundgebung organisiert, auf der die Freilassung von politischen Gefangenen gefordert wurde. Während der Demonstration wurde der Menschenrechtler von der Bereitschaftspolizei angegriffen, die ihn mehrfach mit Fausthieben auf den Kopf und Rücken sowie ins Gesicht traktierte. Er sagte: "Ich fiel hin, aber sie schlugen weiter auf mich ein, sie trampelten sogar auf mir herum und traten mich." Der Menschenrechtsverteidiger war im Zusammenhang mit einer vom Innenministerium gegen ihn erstatteten Anzeige für den 26. April von der Staatsanwaltschaft zur Vernehmung vorgeladen worden. Wegen seiner bevorstehenden Auslandsreise nahm er den Termin jedoch nicht wahr. Bei seiner Rückkehr am 5. Mai wurde er auf dem Flughafen von Manama festgenommen. Gegen den Menschenrechtsverteidiger erging im Zusammenhang mit den von ihm versandten Twitter-Nachrichten Anklage wegen "Verunglimpfung einer nationalen Institution" (gemeint war das Innenministerium). Er sagte dem Staatsanwalt, dass alle auf seinem Twitter-Konto veröffentlichten Tweets von ihm stammen, weigerte sich jedoch andere Fragen zu beantworten. Am 16. Mai erschien er vor einem Strafgericht in Manama und erklärte dem Gericht scheinbar, er betrachte die Anklage als böswillig und seine Festnahme und Inhaftierung seien politisch motiviert. Er soll gesagt haben: "Ich habe lediglich mein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Ich habe keine Straftat begangen. Die Entscheidung, mich festzunehmen und vor Gericht zu stellen, war politisch motiviert". Er kam am 27. Mai gegen Kaution frei.

Am 6. Juni wurde Nabeel Rajab erneut festgenommen - diesmal im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einer Beschwerde mehrerer Personen aus der nördlichen Region al-Muharraq, die sich ebenfalls auf eine Twitter-Nachricht bezog. Der Menschenrechtler wurde daraufhin wegen Verleumdung unter Anklage gestellt, kam aber am 27. Juni auf Kaution aus dem al-Hoora-Gefängnis frei.

Am 9. Juli wurde Nabeel Rajab dann ein weiteres Mal in Haft genommen, nachdem das Niedere Strafgericht ihn am selben Tag wegen Verleumdung schuldig befunden und zu drei Monaten Haft verurteilt hatte. Der Schuldspruch bezog sich auf einen Tweet im Zusammenhang mit dem Besuch des Ministerpräsidenten in al-Muharraq. Am 23. August sprach ihn das Berufungsgericht in Manama frei.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Nabeel Rajab bitte umgehend und bedingungslos frei, da er sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von seinen Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hat und er somit ein gewaltloser politischer Gefangener ist.
  • Ich fordere Sie auf, alle Anklagen gegen Nabeel Rajab fallen zu lassen und alle Urteile aufzuheben.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass Nabeel Rajab vor Folter und anderer Misshandlung geschützt wird. Sorgen Sie zudem dafür, dass eine Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe in Haft eingeleitet wird und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.

APPELLE AN

KÖNIG
Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa
Office of His Majesty the King
P.O. Box 555, Rifa'a Palace, al-Manama
BAHRAIN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 973) 1766 4587

INNENMINISTER
Shaikh Rashid bin 'Abdullah Al Khalifa
Ministry of Interior, P.O. Box 13, al-Manama, BAHRAIN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1723 2661
Twitter: @moi_Bahrain


KOPIEN AN

MINISTER FÜR JUSTIZ UND ISLAMISCHE ANGELEGENHEITEN
Shaikh Khalid bin Ali bin Abdullah Al Khalifa
Ministry of Justice and Islamic Affairs
P. O. Box 450, al-Manama, BAHRAIN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1753 1284

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS BAHRAIN
S.E. Herrn Ebrahim Mohmood Ahmed Abdulla
Klingelhöfer Str. 7, 10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de oder über die Website http://www.bahrain-embassy.de/kontakt/


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Bahraini authorities to release Nabeel Rajab immediately and unconditionally, as he is detained solely for peacefully exercising his rights to freedom of expression and assembly and as such is a prisoner of conscience.
  • Calling on them to quash his convictions and sentences and to drop any remaining charges Nabeel Rajab faces.
  • Urging them to protect him from torture or other ill-treatment and to order an investigation into reports that Nabeel Rajab has been ill-treated in detention, and bring anyone found responsible to justice.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die bahrainische Regierung erklärte wiederholt öffentlich ihre Absicht, Reformen auf den Weg zu bringen und Lehren aus den Ereignissen im Februar und März 2011 zu ziehen, als die Behörden hart gegen regierungskritische Protestierende vorgegangen waren. Im November 2011 präsentierte die von König Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa einberufene unabhängige Untersuchungskommission Bahrains (BICI) ihre Ermittlungsergebnisse im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen während der Proteste. In dem Bericht wurde unter anderem festgestellt, dass die Behörden straffrei mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Protestierende vorgegangen waren, dazu zählte exzessive Gewaltanwendung gegen Protestierende, weit verbreitete Folter und andere Misshandlungen von Protestierenden, unfaire Gerichtsverfahren und rechtswidrige Tötungen. Der Bericht enthält die Aufforderung, umgehend ein unabhängiges Gremium bestehend aus VertreterInnen der Zivilgesellschaft, der Opposition und der Regierung zu bilden. Es soll die Umsetzung der Empfehlungen des Berichts beobachten und rechtliche Reformen voranbringen, um sicherzustellen, dass die Gesetze mit den internationalen Menschenrechtsstandards übereinstimmen. Zudem soll es dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt werden, dass alle gewaltlosen politischen Gefangenen freigelassen werden und man Untersuchungen zu ihren Vorwürfen der Folter durchführt.

Doch bislang hat die Regierung Bahrains auch auf die Empfehlungen der BICI lediglich mit halbherzigen Reformen reagiert, die möglicherweise nur darauf abzielen, Bahrains internationale Partner zufrieden zu stellen. Rechenschaft und Gerechtigkeit für die Betroffenen haben sie bisher nicht bewirkt. Auch wenn die Behörden das Gegenteil behaupten, werden KritikerInnen der Herrschaft der Al Khalifa-Familie weiterhin zum Ziel von Angriffen. Die Regierung weigert sich, die vielen Gefangenen freizulassen, die sich für bedeutende politische Reformen einsetzten, und ignoriert auch weiter die von der schiitischen Minderheit angeprangerte Diskriminierung und politische Marginalisierung, die die religiöse Spaltung im Land vertieft. Der jüngste Schuldspruch und die gegen Nabeel Rajab verhängte Haftstrafe stehen in deutlichem Widerspruch zu der großen Reformwilligkeit, die die bahrainischen Behörden nach außen hin demonstrieren.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-128/2012-8, AI-Index: MDE 11/059/2012, Datum: 16. Oktober 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2012