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AKTION/1209: Urgent Action - Irak, Drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-297/2012, AI-Index: MDE 14/014/2012, Datum: 4. Oktober 2012 - ar

Irak
Drohende Hinrichtung



Herr AHMAD 'AMR 'ABD AL-QADIR MUHAMMAD, 30 Jahre

Der im Irak geborene Palästinenser Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad wurde Ende August in das Gefängnis al-Kadhimiya in Bagdad überstellt. In diesem Gefängnis werden Hinrichtungen vollzogen.

Am 21. Juli 2006 war Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad von Sicherheitskräften im Bagdader Stadtteil al-Zayouna festgenommen und über ein Jahr lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten worden. Berichten zufolge wurde er gefoltert und gezwungen, zu "gestehen", dass er einer bewaffneten Gruppe angehöre, die Sprengkörper deponieren wollte. Seine Mutter und einige Nachbarn durften ihn erstmals im August 2007 in einer Hafteinrichtung im Bagdader Stadtteil Baladiyat besuchen. Sie reagierten schockiert, da es anhand sichtbarer Verletzungen wie z. B. Verbrennungen offensichtlich war, dass man Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad gefoltert hatte.

Am 17. Mai 2011 verurteilte das Al-Resafa-Strafgericht Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad auf der Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes von 2005 zum Tode. Seine VerteidigerInnen haben darauf aufmerksam gemacht, dass Augenzeugen des Vorfalls, darunter auch PolizistInnen, jeweils verschiedene Aussagen abgegeben haben. Bei der Urteilsverkündung wies das Gericht darauf hin, dass Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad seine selbstbelastende Aussage, die er zuvor vor Gericht gemacht hatte, zurückgezogen habe, da er unter Folter dazu gezwungen worden sei. Des Weiteren wies das Gericht darauf hin, dass in einer Untersuchung durch das Institut für Rechtsmedizin im August 2008 Narben an seinem Körper gefunden worden waren. Dennoch bezog das Gericht bei der Verurteilung zum Tode die von Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad zurückgezogene Aussage ausdrücklich in die Urteilsfindung mit ein. Amnesty International ist nicht bekannt, dass eine umfassende und unabhängige Untersuchung der Foltervorwürfe durchgeführt worden wäre.

Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad droht seit seiner Verlegung in das Gefängnis al-Kadhimiya unmittelbar die Hinrichtung.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen vorbehaltlos gegen die Todesstrafe, da sie grundlegende Menschenrechte verletzt, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben sind, vor allem aber das Recht auf Leben. Die Organisation betrachtet die Todesstrafe als die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Während Sicherheitskräfte den Vorwurf erheben, Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad habe am Tag seiner Festnahme Sprengkörper deponieren wollen, sagen seine Familienangehörigen, er habe lediglich deshalb ein Taxi gerufen, um für seine Verlobungsfeier Essen aus einem Restaurant abzuholen. Als Sicherheitskräfte, die Berichten zufolge in Zivil gekleidet waren, das Taxi anhielten und durchsuchten, zwangen sie Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad zum Aussteigen. Daraufhin lief er davon, da er befürchtete, sonst verschleppt zu werden. Der Taxifahrer soll sich mit den Sicherheitskräften einen Schusswechsel geliefert haben, bei dem er und ein Polizeibeamter ums Leben kamen. Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad wurde später ganz in der Nähe festgenommen.

Angeklagte im Irak berichten regelmäßig, dass sie mit Hilfe von Folter im Verlauf der vorgerichtlichen Vernehmungen zu "Geständnissen" gezwungen werden und in dieser Zeit häufig ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert sind. Die irakische Verfassung (Artikel 35 (1) c)) sowie internationale Verträge wie z. B. das UN-Übereinkommen gegen Folter (Artikel 15) verbieten die Verwendung von Aussagen, die nachweislich durch Folter herbeigeführt wurden, als Beweis gegen diejenige Person, die die Aussage gemacht hat. Selbstbelastende Aussagen von Untersuchungshäftlingen werden nach wie vor im irakischen Fernsehen übertragen. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Irakische Ermittler haben auch schon "Geständnisse" erpresst, die sich auf Vorfälle bezogen, die niemals stattgefunden haben. So nahmen irakische Sicherheitskräfte beispielsweise im Mai 2005 vier Palästinenser fest und folterten sie. In einem Programm des Fernsehsenders Al-Iraqia war daraufhin zu sehen, wie sie mit einem "Geständnis" die Verantwortung für einen Bombenanschlag übernahmen. Im Juli 2005 berichteten die Männer ihrem Rechtsbeistand, dass sie systematisch gefoltert worden seien. Ihren Aussagen zufolge wurden sie mit Kabeln geschlagen; erhielten Elektroschocks an den Händen, Handgelenken, Fingern, Knöcheln und Füßen; wurden mit Zigaretten im Gesicht verbrannt; und in einen Raum gesperrt, dessen Boden mit Wasser bedeckt war, durch welches elektrischer Strom floss. Die Männer unterschrieben Geständnisse, in denen sie die Verantwortung für fünf weitere Bombenanschläge in Bagdad übernahmen. Als der Rechtsbeistand der Männer diesen fünf angeblichen Bombenanschlägen nachging, stieß er auf Dokumente, aus denen hervorging, dass die Anschläge in Wirklichkeit niemals stattgefunden haben. Die vier Männer wurden freigelassen und verließen daraufhin das Land.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie nachdrücklich bitten, die Hinrichtung von Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad auf rechtliche oder andere Art zu stoppen. Bitte wandeln Sie sein Todesurteil um.
  • Es bereitet mir Sorge, dass Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad womöglich kein faires Verfahren erhalten hat, und möchte Sie bitten, ihn in Übereinstimmung mit den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren erneut vor Gericht zu stellen.
  • Ich bitte Sie höflich, die Foltervorwürfe umgehend und umfassend durch ein unabhängiges Organ untersuchen zu lassen und alle etwaigen Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
  • Ich bitte Sie zudem eindringlich, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen, und alle bereits verhängten Todesurteile umgehend umzuwandeln.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT
His Excellency Nuri Kamil al-Maliki
Prime Minister
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@pmo.iq

JUSTIZMINISTER
Hassan al-Shammari
Ministry of Justice
Baghdad, IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: http://www.moj.gov.iq/complaints.php (nur auf Arabisch)


KOPIEN AN

MINISTER FÜR MENSCHENRECHTE
His Excellency Mohammad Shayaa al-Sudani
Ministry of Human Rights
Baghdad
IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: shakawa@humanrights.gov.iq

BOTSCHAFT DER REPUBLIK IRAK
S. E. Herrn Hussain Mahmood Fadhlalla Alkhateeb
Pacelliallee 19-21
14195 Berlin
Fax: 030-8148 8222
E-Mail: info@iraqiembassy-berlin.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 15. November 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Iraqi authorities to stop the execution of Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad, by whatever judicial or other means available and overturn the death sentence.
  • Expressing concerns that he appears not have received a fair trial and calling for him to be retried in line with international standards.
  • Calling for his allegations of torture to be investigated promptly and thoroughly by an independent body, with anyone found responsible for abuses brought to justice.
  • Urging the authorities to declare an official moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty, and to commute without delay all death sentences.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

2006 - das Jahr, in dem Ahmad 'Amr 'Abd al-Qadir Muhammad festgenommen wurde - eskalierte im Irak die konfessionell motivierte Gewalt. Tausende Personen fielen gewalttätigen Übergriffen wie z. B. Tötungen und Entführungen zum Opfer. Bewaffnete Milizen nahmen besonders palästinensische Flüchtlinge ins Visier, da man der Ansicht war, diese wären von der früheren Ba'ath-Regierung unter Saddam Hussein bevorzugt worden. Seit der Invasion des Irak durch eine von den USA angeführte Koalition im März 2003 sind von den wenigen Tausend PalästinenserInnen, die sich noch im Irak befanden, Dutzende getötet worden.

Die Todesstrafe wird im Irak in großem Umfang verhängt. Seitdem sie im Jahre 2004 durch die irakische Regierung wieder eingeführt wurde, sind Hunderte von Menschen zum Tode verurteilt worden. Die Regierung stellt der Öffentlichkeit nur sehr spärliche Informationen zur Verfügung, weshalb auch kaum Statistiken über die Vollstreckung der Todesstrafe vorliegen. Dies widerspricht internationalen Standards zur Transparenz. Bislang sind im laufenden Jahr mindestens 96 Menschen im Irak hingerichtet worden.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-297/2012, AI-Index: MDE 14/014/2012, Datum: 4. Oktober 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2012