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AKTION/1171: Urgent Action - In Gambia droht mindestens 38 Personen die Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-247/2012-1, AI-Index: AFR 27/006/2012, Datum: 29. August 2012 - ar

Gambia
Mindestens 38 Personen droht die Hinrichtung

Weitere Informationen zu UA-247/2012 (AFR 27/005/2012, 23. August 2012)



MINDESTENS 38 ZUM TODE VERURTEILTE PERSONEN

Die gambische Regierung hat die Hinrichtung durch Erschießen von neun Häftlingen bestätigt. Sie waren am Abend des 23. August aus ihren Zellen geholt und kurz darauf hingerichtet worden. Amnesty International fordert die gambische Regierung auf, alle weiteren Hinrichtungen auszusetzen und ein offizielles Hinrichtungsmoratorium zu verhängen.

Nach der offiziellen Bestätigung der Hinrichtung durch Erschießen von neun Häftlingen und im Zuge der öffentlichen Ankündigung der gambischen Regierung, weitere Todesurteile vollstrecken zu wollen, wird befürchtet, dass mindestens 38 zum Tode verurteilten Personen die baldige Hinrichtung droht.

Viele der Häftlinge wurden in unfairen Gerichtsverfahren schuldig befunden, in denen sie womöglich keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand oder einem umfassenden Berufungsverfahren hatten. Manche Verurteilungen gehen auf politisch motivierte Anklagen zurück, und einige Personen wurden durch Folter oder andere Misshandlungen zu einem "Geständnis" gezwungen. Andere wurden wegen "Hochverrats" zum Tode verurteilt - was den völkerrechtlichen Bestimmungen zuwiderläuft, nach denen Todesurteile nur für Straftaten mit tödlichem Ausgang verhängt werden dürfen.

Am 19. und 20. August gab der gambische Präsident bekannt, dass alle Todesurteile bis Mitte September vollstreckt werden sollen. In der Folge wurden acht Männer und eine Frau hingerichtet. Die Hinrichtungen wurden im Geheimen vollzogen - weder die betroffenen Personen noch deren Familien wurden im Vorhinein darüber informiert. Die Haftbedingungen für zum Tode verurteilte Häftlinge sollen sehr schlecht sein, und Berichten zufolge hat sich die Situation seit den Hinrichtungen der vergangenen Woche noch verschlimmert. Sicherheitskontrollen wurden verstärkt, und alle Gefangenen sollen nun permanent eingeschlossen sein.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am Abend des 23. August wurden acht Männer und eine Frau aus dem Todestrakt des Mile-2-Gefängnisses nahe der Hauptstadt Banjul geholt und kurz darauf durch Erschießen hingerichtet. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurden die Hinrichtungen zwischen Donnerstagabend und Freitagmorgen vergangener Woche vollzogen. Die Regierung veröffentlichte am 27. August eine Stellungnahme, in der es hieß, die neun Personen seien am Sonntag, den 26. August, hingerichtet worden. Sieben der hingerichteten Häftlinge waren gambische Staatsangehörige, zwei besaßen die senegalesische Staatsbürgerschaft.

In der Stellungnahme wurde erneut betont, dass "alle rechtskräftigen Urteile ordnungsgemäß vollstreckt werden, auch die Todesurteile". Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die gambische Regierung die ausstehenden Hinrichtungen trotz einer internationalen Welle der Empörung vollziehen möchte.

Weder die Familienangehörigen noch die Rechtsbeistände der Häftlinge waren im Voraus über die Hinrichtungen informiert worden. Amnesty International liegen Informationen vor, nach denen die Betroffenen selbst erst von ihrer Hinrichtung erfahren haben, als sie aus ihren Zellen geholt wurden. Die Familienangehörigen der Gefangenen, die sich noch im Todestrakt befinden, erhalten keinen Zutritt zum Gefängnis und können nicht mit den Häftlingen kommunizieren. Amnesty International hat in den vergangenen beiden Jahren einen Anstieg in der Anzahl der Todesurteile in Gambia dokumentiert. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich ab.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte meine große Sorge über die jüngsten Hinrichtungen zum Ausdruck bringen. Es beunruhigt mich, dass sie heimlich vollzogen wurden und weder die Häftlinge selbst noch deren Familienangehörige im Voraus informiert worden sind. Dies verstößt zudem gegen die völkerrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung der Todesstrafe.
  • Es bereitet mir außerdem Sorge, dass viele der zum Tode verurteilten Häftlinge in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt wurden, in denen sie womöglich keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand oder einem umfassenden Berufungsverfahren hatten. Bitte stoppen Sie alle Hinrichtungen.
  • Ich appelliere an Sie, Herr Justizminister, der Regierung ein offizielles Hinrichtungsmoratorium zu empfehlen, mit dem Ziel, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen.
  • Ich bitte Sie zudem, alle Fälle, in denen Todesurteile verhängt wurden, eingehend zu prüfen und faire Gerichtsverfahren für alle zum Tode verurteilten Häftlinge sicherzustellen.

APPELLE AN

JUSTIZMINISTER UND GENERALSTAATSANWALT
Hon. Lamin A. M. S. Jobarteh
Ministry of Justice
Attorney General's Chambers
Marina Parade
Banjul
GAMBIA
(korrekte Anrede: Dear Attorney General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
E-Mail: info@moj.gov.gm


KOPIEN AN

AUSSENMINISTER
Dr Mamadou Tangara
Ministry of Foreign Affairs
4, Marina Parade
Banjul, GAMBIA
(korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
E-Mail: info@mofa.gov.gm

BOTSCHAFT DER REPUBLIK GAMBIA
S.E. Herrn Mamour A. Jagne
126, Avenue Franklin Roosevelt
1050 Brüssel
BELGIEN
Fax: (00 32) 264 63 277
E-Mail: info@gambiaembassy.be oder
mamour@gambiaembassy.be


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 15. September 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Expressing your deep concern about the executions and the fact that they were carried out in secret, without the prisoners themselves or their families being informed in advance, which violates international law on the use of the death penalty.
  • Expressing your concern that many death row prisoners have been convicted after unfair trials where they may not have had access to lawyers or a full appeals process; and urging the government to halt any further executions.
  • Urging the Minister of Justice to recommend that the government implement an official moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty.
  • Urging the Minister of Justice to ensure a comprehensive review of all death penalty cases to ensure fair trials of all death row inmates.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Laut des UN-Sonderberichterstatters über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen ist es eine "klare Menschenrechtsverletzung, wenn einer Person die Fakten ihres vorbestimmten Schicksals vorenthalten werden" und wenn "verurteilten Personen und Familienangehörigen Datum und Uhrzeit der Hinrichtung nicht im Voraus mitgeteilt werden". Weiter wird ausgeführt, solche Praktiken seien "unmenschlich und erniedrigend und unterlaufen die verfahrensrechtlichen Maßnahmen zum Schutz des Rechts auf Leben". Dass die Behörden es unterlassen haben, die Familien und Rechtsbeistände über die Hinrichtung der zum Tode verurteilten Häftlinge in Kenntnis zu setzen, ist laut dem Menschenrechtsausschuss unvereinbar mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

Seit den jüngsten Hinrichtungen stuft Amnesty International Gambia als ein Land ein, das von der Todesstrafe Gebrauch macht (wohingegen es zuvor als ein Land galt, das die Todesstrafe in der Praxis abgeschafft hatte). Damit haben derzeit weltweit 97 Staaten die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft; in 8 Ländern wird die Todesstrafe nur bei schweren Verbrechen verhängt; und in 35 Staaten ist die Todesstrafe in der Praxis abgeschafft. Somit haben weltweit 140 Staaten die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis abgeschafft, während in 58 Ländern an der Todesstrafe festgehalten wird. Regional betrachtet haben 37 der 54 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union die Todesstrafe gesetzlich (16) oder in der Praxis (21) abgeschafft.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-247/2012-1, AI-Index: AFR 27/006/2012, Datum: 29. August 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2012