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AKTION/1138: Urgent Action - Ägypten, Armee hält drei Aktivisten fest


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-207/2012, AI-Index: MDE 12/024/2012, Datum: 13. Juli 2012 - cr

Ägypten
Armee hält drei Aktivisten fest



Herr ISLAM AMIN, 26 Jahre alt
Herr MOHAMED MASOUD, 28 Jahre alt
Herr KARIM AL KENANY

Drei politische Aktivisten sind von der ägyptischen Armee inhaftiert worden. Sie sind Zivilisten und möglicherweise gewaltlose politische Gefangene. Die drei Parteimitglieder schweben in Gefahr, in Haft gefoltert oder auf andere Weise misshandelt zu werden. Zudem steht ihnen wahrscheinlich ein unfaires Verfahren vor einem Militärgericht bevor.

Islam Amin, Karim Al Kenany und Mohamed Masoud, drei junge Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Ägyptens, wurden am 12. Juli inhaftiert, nachdem sie bei der Moschee Rabaa Al Adawiya im Kairoer Bezirk Madinat Nasr demonstriert hatten. Die Teilnehmenden des Protests, an dessen Koordination die Männer beteiligt waren, forderten mehr Mitbestimmung in der verfassungsgebenden Versammlung, die mit der Erarbeitung der neuen ägyptischen Verfassung betraut ist.

Um etwa elf Uhr abends störten in Zivil gekleidete Männer die Demonstration. Berichten zufolge griffen sie Protestierende an und verwundeten mindestens eine Person mit einer scharfen Waffe. Demonstrierende berichteten später, bei der Auflösung des Protests gesehen zu haben, wie Mohamed Masoud von Männern in Zivil, die vermutlich Sicherheitskräfte waren, festgenommen wurde. Die FreundInnen und Familien von Islam Amin und Karim Al Kenany konnten die beiden Männer nicht auf ihren Mobiltelefonen erreichen und begannen deshalb, sich Sorgen zu machen.

In den darauffolgenden drei Stunden suchte ein Anwalt der sozialdemokratischen Partei Ägyptens zwei Polizeistationen in Madinat Nasr auf und versuchte herauszufinden, wo sich die drei Menschenrechtsverteidiger befinden. Bei seiner Suche nach den drei jungen Männern auf dem Militärgelände S28 in Madinat Nasr, auf dem das Militär bislang Protestierende inhaftierte, bestritt ein Angehöriger des Militärs, dass sich die Männer dort befänden. Minuten später sah der Anwalt jedoch, wie die drei Aktivisten umgeben von mutmaßlichen Sicherheitskräften in Zivil in einem Fahrzeug mit offener Ladefläche abtransportiert wurden. Dem Rechtsbeistand wurde danach durch den Oberbefehlshaber der ägyptischen Militärpolizei mitgeteilt, dass die drei Männer zur Militärstaatsanwaltschaft gebracht worden seien.

Amnesty International fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung der Männer, wenn sie allein aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit festgehalten werden. Die Organisation fürchtet, dass den Männern ein unfaires Gerichtsverfahren vor dem Militärgericht droht, obwohl es sich bei ihnen um Zivilisten handelt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit dem Amtsantritt von Präsident Mohamed Morsi (auch: Mursi) am 30. Juni 2012 ist dies einer der ersten Fälle, in denen MenschenrechtsverteidigerInnen festgenommen und der Militärstaatsanwaltschaft vorgeführt werden. Dieser Vorfall zeigt, dass die Menschenrechtsverletzungen durch das Militär entgegen der Behauptung der Obersten Militärrats, man habe die Macht an die bürgerlichen Behörden übergeben, andauert.

Islam Amin ist ein 26-jähriger selbstständiger Fotograf und Kameramann und koordiniert die Medienarbeit der sozialdemokratischen Partei Ägyptens im Osten von Kairo. Mohamed Masoud ist 28 Jahre alt, arbeitet als Vertreter einer Immobilienfirma und Sprecher des Jugendbereichs der ägyptischen Sozialdemokraten. Karim Al Kenany koordiniert den Jugendbereich der Partei im Osten von Kairo.

In den Jahren 2011 und 2012 haben Angehörige des Militärs als Reaktion auf die Proteste inhaftierte Demonstrierende und MenschenrechtsverteidigerInnen zuhauf gefoltert und misshandelt. Unter anderem wurde von Elektroschocks, Auspeitschungen oder dem Androhen sexueller Gewalt berichtet. Angehörige des Militärs stehen immer noch über dem Gesetz und bislang ist kein Fall bekannt, in dem ein Angehöriger des Militärs wegen dieser Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen worden ist.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Islam Amin, Karim Al Kenany und Mohamed Masoud bitte sofort und bedingungslos frei, falls sie sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie friedlich Gebrauch von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit gemacht haben.
  • Ich fordere Sie höflich auf, den Aufenthaltsort der drei Menschenrechtsverteidiger bekannt zu geben und ihnen den Kontakt zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und ihren Familienangehörigen sowie den Zugang zu gegebenenfalls benötigter medizinischer Versorgung zu ermöglichen.
  • Sorgen Sie dafür, dass sie weder gefoltert noch auf andere Weise misshandelt werden.
  • Ich bitte Sie eindringlich, alle Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft, die in Verbindung mit der Festnahme von Islam Amin, Karim Al Kenany und Mohamed Masoud stehen, einzustellen und sie umgehend freizulassen. Andernfalls müssen Sie die drei Männer der zivilen Generalstaatsanwaltschaft vorführen, um sie der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit zu übergeben.

APPELLE AN

VORSITZENDER DES OBERSTEN MILITÄRRATES
Field Marshal Muhammad Tantawi
Ministry of Defence
Kairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Dear Field Marshal / Sehr geehrter Herr Feldmarschall)
Fax: (00 202) 279 580 48 (könnte außerhalb der
Öffnungszeiten abgeschaltet sein)

LEITER DER MILITÄRJUSTIZ
Major-General Adel Al-Morsi
Military Judicial Department
Kairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2412 0980 (könnte außerhalb der
Öffnungszeiten abgeschaltet sein)
Salutation: (korrekte Anrede: Dear Major-General / Sehr geehrter Herr Generalmajor)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK
ÄGYPTEN
S.E. Herrn Ramzy Ezz Eldin Ramzy
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling for the immediate and unconditional release of Islam Amin, Karim Al Kenany and Mohamed Masoud, if they have been arrested solely for peacefully exercising their right to legitimate freedom of assembly.
  • Urging the Egyptian authorities to immediately disclose the whereabouts of the three activists and allow them access to lawyers of their choice, as well as their relatives and any medical treatment they may require.
  • Ensure that they are not subjected to torture or other ill-treatment.
  • Calling on the authorities to stop any investigations by the Military Prosecution in relation to the three activists and to release them or refer them to the ordinary civilian judiciary through the office of the Public Prosecutor.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Militärgerichte haben seit Beginn der Demonstrationen am 25. Januar 2011 mehrere tausend ägyptische Zivilpersonen inhaftiert. Mit Militärprozessen wird gegen einige grundlegende Garantien für ein faires Gerichtsverfahren verstoßen, so das Recht zur Einlegung von Rechtsmittel. Zwar haben Berichten zufolge zahlreiche Personen, die vor einem Militärgericht verurteilt wurden, mittlerweile ein neues Gerichtsverfahren erhalten und wurden freigelassen. Doch Tausende befinden sich immer noch in Haft.

Im Juni erteilte der Justizminister der Militärpolizei und Angehörigen der Geheimdienste dieselben Rechte wie der Kriminalpolizei, wenn Zivilpersonen in Verdacht stehen, die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung zu gefährden. Amnesty International kritisierte diesen Schritt als Wegbereiter für weitere Militärprozesse und andere Menschenrechtsverletzungen. Die Erteilung dieser Befugnisse ist inzwischen von einem Verwaltungsgericht für ungültig erklärt worden.

Der Oberste Militärrat nahm zudem Änderungen an der ägyptischen Verfassung vor, um die Sicherheitskräfte der Aufsicht durch zivile Behörden zu entziehen und dem Obersten Militärrat in allen militärischen Angelegenheiten die endgültige Entscheidung zu überlassen. Darüber hinaus kann das Militär durch die neuen Befugnisse auf Geheiß des Präsidenten auch in Situationen der "Aufruhr" intervenieren.

Die Verurteilung von Zivilpersonen vor Militärgerichten verstößt gegen geltendes internationales Recht und Amnesty International spricht sich entschieden gegen diese Prozesse aus. Sie verstoßen gegen das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor einem zuständigen, unabhängigen, unparteiischen und gesetzlich legitimierten Gericht in Übereinstimmung mit Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dem Ägypten als Vertragsstaat angehört.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-207/2012, AI-Index: MDE 12/024/2012, Datum: 13. Juli 2012 - cr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2012