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AKTION/1133: Urgent Action - Iran, Inhaftierter Journalist im "trockenen" Hungerstreik


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-204/2012-1, AI-Index: MDE 13/047/2012, Datum: 17. Juli 2012 - gs

Iran
Inhaftierter Journalist im "trockenen" Hungerstreik

Amnesty International hat im Jahr 2007 schon einmal eine Urgent Action zugunsten von Mohammad Sadiq Kabudvand gestartet (s. UA-171/2007 und weitere Informationen).



Herr MOHAMMAD SADIQ KABUDVAND

Der im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftierte Journalist Mohammad Sadiq Kabudvand befindet sich seit den Abendstunden des 14. Juli 2012 im "trockenen" Hungerstreik. Er verweigert nun nicht mehr nur feste Nahrung, sondern nimmt auch keine Flüssigkeit mehr zu sich. Die Aktion des Journalisten ist Ausdruck des Protests gegen die Ablehnung seines mehrfach eingereichten Antrags, seinen schwer erkrankten Sohn besuchen zu dürfen. Bei Mohammad Sadiq Kabudvand handelt es sich um einen gewaltlosen politischen Gefangenen, der wegen seiner journalistischen Tätigkeit und seines Einsatzes für die Menschenrechte eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten ableistet. Seine Gesundheit ist schwer angegriffen. Am 26. Mai 2012 trat Mohammad Sadiq Kabudvand in den Hungerstreik und nahm zunächst noch Flüssigkeit zu sich. Sein Sohn leidet seit Januar 2012 an einer bis heute nicht diagnostizierten Krankheit. Dennoch hat ihn Mohammad Sadiq Kabudvand bislang nur wenige Male besuchen dürfen, zuletzt Ende April/Anfang Mai 2012. Seinerzeit begleiteten ihn Gefängnisbedienstete bis an das Bett seines Sohnes und ließen ihn dort etwa 30 Minuten verweilen. Durch den Hungerstreik hat sich der ohnehin angegriffene Gesundheitszustand von Mohammad Sadiq Kabudvand nochmals verschlechtert. Die medizinischen Sachverständigen des Gefängnisses wie auch ÄrztInnen haben empfohlen, ihn in ein Krankenhaus zu verlegen, damit er dort angemessen behandelt werden kann. Mohammad Sadiq Kabudvand lehnte jedoch seine Einweisung in eine Klinik ab, weil ihm während seines dortigen Aufenthaltes Handschellen angelegt werden sollten. Außerdem befürchtete er, im Krankenhaus intravenös oder auf andere Weise zwangsernährt zu werden.

Parinaz Baghbani Hassani, die Ehefrau von Mohammad Sadiq Kabudvand, gab an, während eines Besuchs bei ihrem Mann am 16. Juli habe er über Benommenheit und Schwindelgefühle geklagt und nur unter Mühen sprechen können. Auf Drängen seiner Familie und FreundInnen willigte Mohammad Sadiq Kabudvand am 16. Juli ein, vor Ablauf einer Woche, wieder Wasser zu sich zu nehmen. Feste Nahrung, so der Gefangene, werde er solange verweigern, bis man ihm die Erlaubnis erteile, seinen Sohn zu besuchen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 27. Mai 2012 verfasste Mohammad Sadiq Kabudvand einen Offenen Brief, in dem er ausführte: "Staatsanwalt und Sicherheitsapparat verweigern mir nach wie vor Hafturlaub, weil sie mir als Menschenrechtsaktivisten feindlich gesonnen sind und Groll gegen mich hegen. Dabei habe ich bereits die Hälfte meiner rechtswidrigen und ungerechten Freiheitsstrafe verbüßt. Mein Sohn ist unheilbar krank. Er befindet sich in einer schweren Krise ... Ich bin deshalb aus Protest gegen die gesetzeswidrige und unmenschliche Haltung der Justiz- und Sicherheitsbediensteten am Samstag, den 26. Mai 2012, um 21.00 Uhr erneut in einen unbefristeten Hungerstreik getreten."

Nach seiner Festnahme am 1. Juli 2007 war Mohammad Sadiq Kabudvand zunächst in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses, der aller Wahrscheinlichkeit nach der Kontrolle des Geheimdienstministeriums untersteht, in Haft gehalten worden. Er verbrachte 40 Tage in Einzelhaft. Während dieser Zeit wurde Mohammad Sadiq Kabudvand nach eigenen Angaben verhört, während ihm die Augen verbunden sowie Hände und Füße gefesselt waren. Aus Protest gegen seine Haftbedingungen und die Art und Weise seiner Vernehmung verweigerte Mohammad Sadiq Kabudvand acht Tage lang jede Nahrungsaufnahme. Während dieser Zeit sagte ihm das Gefängnispersonal, er müsse einen schriftlichen Antrag stellen, falls er die Toilette benutzen wolle. Dadurch verschlimmerte sich die bereits bestehende Nierenerkrankung des Häftlings.

Am 19. Mai 2008 verlor Mohammad Sadiq Kabudvand für rund 30 Minuten das Bewusstsein. Ein mit ihm inhaftierter Arzt leistete damals erste Hilfe, während andere Insassen das Wachpersonal herbeiriefen, um Mohammad Sadiq Kabudvand in das Gefängniskrankenhaus bringen zu lassen. Die Wärter ließen ihn jedoch in seiner Zelle ausharren. Tags darauf musste Mohammad Sadiq Kabudvand zu einer bereits terminierten Gerichtsverhandlung erscheinen. Da die Staatsanwaltschaft keinen Vertreter entsandte, wurde die Verhandlung vertagt. Der Richter ordnete zugleich an, Mohammad Sadiq Kabudvand in ein Krankenhaus außerhalb des Evin-Gefängnisses zu bringen, um dort die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten. Der richterlichen Anweisung wurde allerdings nicht Folge geleistet, vielmehr blieb Mohammad Sadiq Kabudvand im Krankentrakt des Gefängnisses inhaftiert.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, den gewaltlosen politischen Gefangenen Mohammad Sadiq Kabudvand unverzüglich und bedingungslos freizulassen, damit er Zeit mit seinem schwer erkrankten Sohn verbringen kann. Mohammad Sadiq Kabudvand ist im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Journalist und in seiner Funktion als Menschenrechtsaktivist allein aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit inhaftiert.
  • Ich fordere Sie weiterhin auf sicherzustellen, dass Mohammad Sadiq Kabudvand jede notwendige medizinische Versorgung erfährt. Dazu zählt auch - wie von den Ärzten im Evin-Gefängnis angeraten - seine Behandlung in einer medizinischen Einrichtung außerhalb des Gefängnisses.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Twitter: @khamenei_ir #Iran must release #Kabudvand now
E-Mail: info_leader@leader.ir

LEITER DER JUSTIZ DER PROVINZ TEHERAN
Mr Ali Reza Avaie
No. 152, corner of 17th, Before Shahid Motahhany Ave. Sanaei
Ave, Kamkhan Zan Ave.
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency./.Extellenz
E-Mail: info@dadgostary-tehran.ir
(Betreff: FAO Mr. Ali Reza Avaie)
Fax: (00 98) 21-883 26700


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN
MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
MOHAMMAD JAVAD LARIJANI
High Council for Human Rights
[c/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave
South of Serah-e Jomhouri
Tehran, IRAN
(Betreff: FAO Mohammed Javad Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder
info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Iranian authorities to release Mohammad Sadiq Kabudvand immediately and unconditionally, as he is a prisoner of conscience, held solely for the peaceful exercise of his rights to freedom of expression and association in his journalism and human rights work which would leave him free to be with his son.
  • Calling on them to ensure that Mohammad Sadiq Kabudvand receives all necessary medical attention, including treatment at a medical facility outside the prison, as recommend by the doctors of Evin Prison.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Am 9. Januar 2012 wurde Mohammad Sadiq Kabudvand schließlich doch in eine Klinik verlegt. Seine Ehefrau Parinaz Baghbani Hassani, die ihn kurz zuvor am oder um den 30. Dezember 2011 herum im Evin-Gefängnis besucht hatte, berichtete, er habe sich benommen gefühlt. Am 10. Januar habe er sie angerufen und ihr mitgeteilt, er sei tags zuvor zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht worden. Dort habe man seine Prostata und seine Herzkranzgefäße untersucht sowie einen Bluttest gemacht. Die Untersuchungsbefunde veranlassten ÄrztInnen zu der Empfehlung, Mohammad Sadiq Kabudvand stationär im Krankenhaus aufzunehmen und ihn einer Operation an der Vorsteherdrüse zu unterziehen. Statt dessen wurde er aber ins Evin-Gefängnis zurückgebracht. Ob Mohammad Sadiq Kabudvand die notwendige medizinische Behandlung erhalten hat, ist unklar.

Mohammad Sadiq Kabudvand, ein Angehöriger der kurdischen Minderheit in Iran, ist Gründer und Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation von Kurdistan HROK (bekannt auch als RMMK in Ableitung aus den Initialen ihrer kurdischen Organisationsbezeichnung). Bis 2004 war Mohammad Sadiq Kabudvand zudem Herausgeber der Wochenzeitung Payam-e Mardome Kordestan, die in ihren Artikeln die kulturellen, sozialen und politischen Rechte der kurdischen Minderheit im Iran thematisierte. Am 27. Juni 2004 wurde die Zeitung von der iranischen Justiz wegen "Verbreitung separatistischen Gedankenguts und Veröffentlichung falscher Behauptungen" mit einem dreijährigen Erscheinungsverbot belegt. Der Oberste Gerichtshof hob das Verbot in der Berufung wieder auf, bislang hat Payam-e Mardome Kordestan jedoch ihre Publikationstätigkeit noch nicht wieder aufgenommen.

Seit seiner Festnahme am 1. Juni 2007 hat Mohammad Sadiq Kabudvand die überwiegende Zeit im Evin-Gefängnis verbracht. Am 16. Juli 2009 wurde er in das Mahabad-Gefängnis in der im Nordwesten des Iran gelegenen Provinz West-Aserbaidschan verlegt. Drei Tage später wurde der Häftling der 1. Kammer des Revolutionsgerichts in der im Nordosten von Iran gelegenen Stadt Mahabad vorgeführt und wegen der Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften über kurdische Frauen der "Propaganda gegen das System" angeklagt. Mohammad Sadiq Kabudvand soll seinerzeit gegenüber dem Gericht ausgeführt haben, dass "die in der Schrift enthaltenen Angaben, auf die sich die Anklage bezieht, keinerlei Ähnlichkeit mit der von HROK veröffentlichten Literatur aufweist". Er betonte des Weiteren: "Die von HROK herausgebrachten Schriften tragen das Logo der Organisation und enthalten ihre Adresse. Wir können nur für die Materialen verantwortlich gemacht werden, die auf der Website der Organisation veröffentlicht worden sind." Über ein Urteil im damaligen Prozess liegen keine Informationen vor. Im April 2010 wurde Mohammad Sadiq Kabudvand zurück ins Evin-Gefängnis verlegt.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-204/2012-1, AI-Index: MDE 13/047/2012, Datum: 17. Juli 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2012