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AKTION/1118: Urgent Action - Bahrain, Elfjähriger unter Aufsicht freigelassen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-171/2012-1, AI-Index: MDE 11/043/2012, Datum: 10. Juli 2012 - mr

Bahrain
Elfjähriger unter Aufsicht freigelassen

Weitere Informationen zu UA-171/2012 (MDE 11/040/2012, 18. Juni 2012)



ALI HASSAN ALI MOHAMMAD JASEM, 11 Jahre alter Junge

Das Jugendgericht in Bahrain hat im Fall des elfjährigen Ali Hassan ein Urteil gefällt. Der Junge wird ein Jahr lang unter sozialarbeiterische Aufsicht gestellt, bei der er nach sechs und zwölf Monaten begutachtet wird. Er bleibt während dieser Zeit auf freiem Fuß.

Am 5. Juli stand Ali Hassan Ali Mohammad Jasem in Manama, der Hauptstadt Bahrains, vor dem Jugendgericht. Das Gericht erklärte ihn nach Paragraphen des Jugendrechts und den Paragraphen 178 und 179 des Strafgesetzbuchs von Bahrain schuldig "an einer verbotenen Zusammenkunft von mehr als fünf Personen" teilgenommen zu haben, "mit dem Ziel, durch die Anwendung von Gewalt die öffentliche Sicherheit zu gefährden" und verurteilte ihn zu einem Jahr Beobachtung und einer Begutachtung durch SozialarbeiterInnen alle sechs Monate. Nach Angaben seines Anwalts ist Ali Hassan nun vorbestraft und könnte bei einem ähnlichen Vergehen schwerer bestraft werden. Der Anwalt wird gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.

Der elfjährige Ali Hassan Ali Mohammad Jasem war am 13. Mai in der Nähe der elterlichen Wohnung auf der Straße festgenommen worden. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme fand wenige Straßen weiter eine Protestveranstaltung statt. Ali Hassan spielte in Bilad al Qadeem, einem Vorort der Hauptstadt Manama, mit zwei anderen Jungen, als PolizistInnen die drei Jungen anhielten und drohten, auf sie zu schießen, sollten sie ihren Anweisungen nicht Folge leisten. Die beiden anderen Jungen konnten entkommen, Ali Hassan hingegen wurde festgenommen und einige Stunden von der Polizei festgehalten, ehe sie ihn zu seiner Mutter zurückbrachten. Die Polizei nahm der Mutter das Versprechen ab, den Jungen am nächsten Tag zur Polizeiwache zu bringen. Am nächsten Tag wurde Ali Hassan offiziell beschuldigt, die Straße vorsätzlich mit großen Müllcontainern versperrt zu haben, und in eine Jugendhafteinrichtung gebracht. Am 29. Mai erhob die Jugendstaatsanwaltschaft Anklage gegen Ali Hassan. Doch einen Anwalt durfte er erst unmittelbar vor der dritten Anhörung vor dem Jugendgericht am 6. Juni sehen. Am 11. Juni wurde er aus der Jugendhafteinrichtung freigelassen. Ali Hassan wies alle Anschuldigungen zurück und gab an, er habe nur deshalb "gestanden", weil die Polizei ihm versprochen habe, ihn im Gegenzug freizulassen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In Paragraph 32 des Strafgesetzbuchs von Bahrain heißt es: "Eine Person, die bei Begehung einer Straftat nicht älter als 15 Jahre ist, darf für die Tat nicht verantwortlich gemacht werden. In einem solchen Fall gelten die Vorschriften des Jugendrechts".

Artikel 15 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, zu dessen Vertragsstaaten Bahrain zählt, schreibt vor:

"(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, sich frei mit anderen zusammenzuschließen und sich friedlich zu versammeln.

(2) Die Ausübung dieses Rechts darf keinen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen oder der öffentlichen Ordnung zum Schutz der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind."

In Artikel 37 b) der Kinderrechtskonvention heißt es weiter:

"Die Vertragsstaaten stellen sicher,
a) dass keinem Kind die Freiheit rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird. Festnahmen, Freiheitsentziehung oder Freiheitsstrafe darf bei einem Kind im Einklang mit dem Gesetz nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden;

d) dass jedes Kind, dem die Freiheit entzogen ist, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand und das Recht hat, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Behörde anzufechten, sowie das Recht auf alsbaldige Entscheidung in einem solchen Verfahren."


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN ODER SENDEN SIE EINE TWITTER-NACHRICHT

  • Ich appelliere an Sie, den gegen Ali Hassan Ali Mohammad Jasem ergangenen Schuldspruch aufzuheben, die Vorstrafe aus dem Strafregister zu streichen und die Verurteilung zu der einjährigen Beobachtung für nichtig zu erklären.
  • Ich darf Sie daran erinnern, dass das Strafmündigkeitsalter in Bahrain bei 15 Jahren liegt und Minderjährigen nach internationalen Rechtsstandards nur als letztes Mittel ihre Freiheit entzogen werden darf. Der Ausschuss für die Rechte des Kindes hat hierzu festgestellt: "Der Ausschuss betrachtet ein Strafmündigkeitsalter von weniger als 12 Jahren für international inakzeptabel." (Allgemeine Bemerkung Nr. 10, CRC/C/GC/10, 2077, Absatz 32).

APPELLE AN

KÖNIG
Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa
Office of His Majesty the King
P.O. Box 555, Rifa'a Palace
al-Manama
BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 973) 1766 4587

INNENMINISTER
Shaikh Rashid bin 'Abdullah bin Ahmad Al Khalifa
Ministry of Interior
P.O. Box 13, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1723 2661
Twitter: @moi_Bahrain


KOPIEN AN

MINISTER FÜR JUSTIZ UND ISLAMISCHE
ANGELEGENHEITEN
Shaikh Khalid bin Ali bin Abdullah Al Khalifa
Ministry of Justice and Islamic Affairs
PO Box 450
al-Manama
BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1753 6343

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS BAHRAIN
S.E. Herr Ebrahim Mohmood Ahmed Abdulla
Klingelhöfer Str. 7, 10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de oder über die
Website http://www.bahrain-embassy.de/kontakt/


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Bahraini authorities to quash the conviction of Ali Hassan and erase it from his record and remove the sentence of supervision.
  • Reminding the authorities the age of criminal responsibility is 15 in Bahrain; and that under international standards children may only be imprisoned as a measure of last resort. The Committee on the Rights of the Child has stated "a minimum age of criminal responsibility below the age of 12 years is considered by the Committee not to be internationally acceptable".

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Artikel 40 (2) der Kinderrechtskonvention schließlich schreibt unter Punkt a) fest, "dass kein Kind wegen Handlungen oder Unterlassungen, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem Recht oder Völkerrecht nicht verboten waren, der Verletzung der Strafgesetze verdächtigt, beschuldigt oder überführt wird". Unter Punkt (2) b) II) heißt es weiter, "dass jedes Kind, das einer Verletzung der Strafgesetze verdächtigt oder beschuldigt wird, Anspruch auf folgende Mindestgarantien hat: unverzüglich und unmittelbar über die gegen das Kind erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden, gegebenenfalls durch seine Eltern oder seinen Vormund, und einen rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand zur Vorbereitung und Wahrnehmung seiner Verteidigung zu erhalten". Nach Punkt (2) b) IV) dürfen Kinder nicht gezwungen werden, "als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen sowie die Belastungszeugen zu befragen oder befragen zu lassen und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter gleichen Bedingungen zu erwirken".

Die Behörden Bahrains haben öffentlich ihre Bereitschaft bekundet, Reformen auf den Weg zu bringen. Sie haben betont, Lehren aus den Vorgängen der Monate Februar und März 2011 gezogen zu haben, als sie mit aller Härte gegen die Teilnehmenden regierungskritischer Proteste vorgegangen sind. Die von König Shaikh Hamad bin Issa Al Khalifa eingesetzte Unabhängige Untersuchungskommission von Bahrain (BICI) hat einen Bericht über ihre Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen im Kontext der Proteste vorgelegt. In dem Bericht kommt die Kommission zu dem Schluss, dass staatliche Stellen für schwere Menschenrechtsverletzungen wie etwa die übermäßige Anwendung von Gewalt gegen Protestierende, weit verbreitete Folter und Misshandlungen, unfaire Gerichtsverfahren und rechtswidrige Tötungen verantwortlich sind. Die Kommission beanstandete in ihrem Bericht die Straffreiheit der TäterInnen und rief die Regierung auf, unverzüglich ein unabhängiges Gremium aus VertreterInnen der Zivilgesellschaft, der Opposition und der staatlichen Behörden ins Leben zu rufen; die Umsetzung der von der Untersuchungskommission unterbreiteten Empfehlungen zu überwachen; Gesetzesreformen auf den Weg zu bringen, um sicherzustellen, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang stehen; die für Menschenrechtsverstöße Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen; alle gewaltlosen politischen Gefangenen aus der Haft zu entlassen und Ermittlungen zur Aufklärung von Foltervorwürfen einzuleiten. Mit ihren bisherigen Maßnahmen ist die Regierung die vorhandenen Probleme nur halbherzig angegangen. Auf den Weg gebrachte Reformen sind Stückwerk und scheinen den Zweck zu verfolgen, internationale Partner Bahrains zu beschwichtigen. Eine wirkliche Rechenschaftspflicht der für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen ist nicht hergestellt worden, ebenso wenig haben die Opfer Gerechtigkeit erfahren. Wer in Bahrain die Herrschaft der Familie Al Khalifa in Frage stellt, dem drohen, ungeachtet anders lautender Äußerungen der Behörden, nach wie vor Menschenrechtsverletzungen. Die Regierung verwehrt zahlreichen Gefangenen, die ihrer Freiheit beraubt sind, weil sie spürbare politische Reformen eingefordert haben, nach wie vor die Freilassung. Dem unter der Mehrheitsbevölkerung der Schiiten weit verbreiteten Gefühl, diskriminiert und ins politische Abseits gedrängt worden zu sein, wird von der Regierung nicht mit entsprechenden Maßnahmen begegnet.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-171/2012-1, AI-Index: MDE 11/043/2012, Datum: 10. Juli 2012 - mr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2012