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AKTION/1049: Urgent Action - Syrien - Nach wie vor inhaftiert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-067/2012-1, AI-Index: MDE 24/047/2012, Datum: 22. Mai 2012 - gs

Syrien
Nach wie vor inhaftiert

Weitere Informationen zu UA-067/2012 (MDE 24/019/2012, 29. Februar 2012)



MAZEN DARWISH, Leiter des Medienzentrums
Herr HANI AL-ZITANI
Herr ABD AL-RAHMAN HAMADA
Herr HUSSEIN GHARIR
Herr MANSOUR AL-OMARI
mehrere weitere MitarbeiterInnen des Zentrums

Fünf Mitarbeiter des Syrischen Zentrums für Medien und Freie Meinungsäußerung befinden sich in verschiedenen syrischen Hafteinrichtungen nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt in staatlichem Gewahrsam. Es besteht die Gefahr, dass die Gefangenen gefoltert oder anderweitig misshandelt werden. Gegen acht weitere in Haft befindliche MitarbeiterInnen und einen Besucher des Zentrums ist vor einem Militärgericht Anklage erhoben worden. Amnesty International geht davon aus, dass sie gewaltlose politische Gefangene sind, die allein deshalb in Haft gehalten werden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen haben.

Am 16. Februar wurde während einer Razzia im Syrischen Zentrum für Medien und Freie Meinungsäußerung (Syrian Centre for Media and Freedom of Expression - SCM) der Leiter des Zentrums, Mazen Darwish, zusammen mit 13 MitarbeiterInnen und zwei BesucherInnen festgenommen. Fünf von ihnen befinden sich nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Es handelt sich um Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir und Mansour al-Omari, über deren rechtlichen Status Amnesty International keine Informationen vorliegen. Mazen Darwish und Hussein Gharir waren nach ihrer Festnahme zum Stützpunkt des Luftwaffengeheimdienstes in Damaskus gebracht worden und sitzen dort vermutlich weiterhin ein. Ein kürzlich aus dem Stützpunkt freigelassener Gefangener hat berichtet, der Gesundheitszustand von Mazen Darwish habe sich dramatisch verschlechtert. Mansour al-Omari, Hani al-Zitani und Abd al-Rahman Hamada wurden zuletzt auf einem Stützpunkt vermutlich der 4. Panzerdivision in der Stadt al-Mo'damiya nahe Damaskus gesehen. Faktischer Befehlshaber der Division ist Mahed al-Assad, ein Bruder des syrischen Staatspräsidenten. Drei zwischen dem 19. März und 22. April 2012 ebenfalls auf dem Stützpunkt inhaftierte Männer haben den Vorwurf erhoben, sie selbst wie auch die drei SCM-Mitarbeiter seien dort gefoltert und geschlagen worden. Über Mansour al-Omari, Hani al-Zitani und Abd al-Rahman Hamada sind seit dem 22. April keine Informationen mehr bekannt geworden. Es besteht deshalb Anlass zu großer Sorge um ihre Sicherheit.

Die übrigen acht SCM-MitarbeiterInnen Sanaa Mohsen, Mayada Khalil, Razan Ghazzawi, Yara Badr, Bassam Al-Ahmad, Joan Fersso und der Besucher des Zentrums Ayham Ghazoul befinden sich bis zur Prozesseröffnung am 29. Mai 2012 vor einem Militärgericht vorläufig auf freiem Fuß. Die Anklage gegen sie lautet auf "Besitz illegaler Aufzeichnungen und geplante Verbreitung verbotener Schriften". Sollten sie schuldig gesprochen und zu Haftstrafen verurteilt werden, würde es sich bei ihnen um gewaltlose politische Gefangene handeln. Die beiden ebenfalls festgenommenen SCM-Mitarbeiterinnnen Rita Dayoub und Maha Assabalani wie auch der Besucher Shadi Yazbek befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß. Gegen sie sind offenbar keine strafrechtlichen Schritte eingeleitet worden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Mazen Darwish ist Leiter des SMC. Das Zentrum war 2009 von den syrischen Behörden geschlossen worden, hatte aber später seine Arbeit mit Zustimmung der Behörden wieder aufnehmen dürfen. Seitdem hat das SMC eine Reihe von Berichten veröffentlicht, die Anschläge auf Medienschaffende und die Presse sowie unzulässige Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung dokumentieren. Seit Einsetzen der Demonstrationen für Reformen in Syrien im Februar 2011 verzeichnet Amnesty International einen Anstieg an Menschenrechtsverletzungen der syrischen Behörden gegenüber MenschenrechtsverteidigerInnen. Die Demonstrationen für Reformen in Syrien begannen im Februar 2011 und entwickelten sich im März, nachdem erstmals DemonstrationsteilnehmerInnen getötet worden waren, zu Massenprotesten. Obwohl die Demonstrationen zunächst weitgehend friedlich verliefen, reagierten die Behörden in ihrem Bestreben, die Proteste niederzuschlagen, mit großer Brutalität. Seitdem finden zwar auch weiterhin friedliche Demonstrationen statt, zunehmend haben die Proteste aber auch gewalttätige Züge angenommen. Bewaffnete Oppositionsgruppen, von denen sich viele unter dem Namen "Freie Syrische Armee" in einem losen Verbund zusammen geschlossen haben, verüben Anschläge, die sich in erster Linie gegen die syrischen Sicherheitskräfte richten. Amnesty International verfügt über die Namen von mehr als 9200 Menschen, die Berichten zufolge seit Mitte März 2011 im Zusammenhang mit den Demonstrationen und damit einhergehenden Unruhen gestorben sind oder getötet wurden. Auch Angehörige der Sicherheitskräfte sind getötet worden, einige von abtrünnigen Soldaten, die ihre Waffen nun gegen die Regierung richten.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere die sofortige und bedingungslose Freilassung der seit dem 16. Februar 2012 ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft befindlichen Gefangenen Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir und Mansour al-Oman.

- Stellen Sie bitte sicher, dass die genannten Gefangenen weder gefoltert noch anderweitig misshandelt werden. Veranlassen Sie bitte, dass Mazen Darwish und seine Mithäftlinge unverzüglich Kontakt zu ihren Familien und einem Rechtsbeistand eigener Wahl aufnehmen können und angemessen medizinisch versorgt werden.

- Ich erwarte, dass sämtliche gegen die übrigen acht Gefangenen wegen ihres gewaltfreien Engagements und ihrer Verbindungen zum Syrischen Zentrum für Medien und Freie Meinungsäußerung erhobenen Anklagen zurückgezogen werden.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus
SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs and Expatriates
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
Fax: (00 963) 11 214 6253

INNEMINISTER
His Excellency Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
Ministry of Interior, 'Abd al-Rahman Shahbandar Street
Damascus, SYRIEN
Fax: (00 963) 11 211 9578


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herr Radwan Loutfi
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling for the immediate and unconditional release of Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir and Mansour al-Omari, all held incommunicado since 16 February 2012.

- Urge the Syrian authorities to ensure that Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir, and Mansour al-Omari are protected from torture and other ill-treatment, allowed immediate contact with their families and a lawyer of their choice, and provided with all necessary medical treatment.

- Call for the dropping of all charges against the other eight related solely to their peaceful activities for, or links with, the Syrian Centre for Media and Freedom of Expression (SCM).


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Seit Ausbruch der Proteste sind tausende mutmaßliche GegnerInnen der syrischen Regierung festgenommen und viele von ihnen, vermutlich sogar die Mehrzahl, gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 360 Menschen vor, die Berichten zufolge in dieser Zeit in Haft gestorben sind. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Weitere Informationen zu Fällen von Folter und anderen Misshandlungen von syrischen Häftlingen finden Sie im englischsprachigen Bericht: "I wanted to die": Syria's torture survivors speak out, März 2012,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en

Amnesty International liegen zudem zahlreiche Berichte über offensichtliche Fälle des Verschwindenlassen vor, in denen die syrische Regierung den Familienangehörigen keinerlei Informationen über den Verbleib der "verschwundenen" Personen zukommen ließ. In den meisten dieser Fälle sollen die Festnahmen von Sicherheitskräften ausgeführt worden sein. Die syrische Regierung hat zwar am 27. März 2012 den von Kofi Annan, dem Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien, vorgelegten Sechs-Punkte-Plan wie auch das am 12. April vereinbarte Waffenstillstandsabkommen akzeptiert, gleichwohl gehen bei Amnesty International auch weiterhin Meldungen über Festnahmen und anhaltende Inhaftierungen ein. Die Bedingungen, unter denen Menschen in Syrien in Haft gehalten werden, kommen nicht selten dem Verschwindenlassen gleich. Amnesty International hat zudem in einer Reihe ausgewählter Krankenhäuser Menschenrechtsverletzungen und anderweitige Übergriffe gegen Patientinnen und HeilberuflerInnen dokumentiert. Nähere Informationen finden Sie im englischsprachigen Bericht Health crisis: Syrian government targets the wounded and health workers,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/059/2011/en

Seit April 2011 hat Amnesty International in Syrien systematische und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Die Organisation ruft seither dazu auf, die Situation in Syrien der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, ein internationales Waffenembargo gegen das Land zu verhängen und die Vermögenswerte von Präsident al-Assad und seinen engsten Vertrauten einzufrieren.

Besuchen Sie die interaktive Karte "Eyes on Syria" auf der internationalen Webseite: www.eyesonsyria.org. Dort sind Orte eingezeichnet, an denen Berichten zufolge Menschenrechtsverletzungen begangen worden sind. Zudem finden Sie dort Informationen über die weltweiten Aktionen von Amnesty International für Gerechtigkeit in Syrien.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-067/2012-1, AI-Index: MDE 24/047/2012, Datum: 22. Mai 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2012