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REZENSION/450: Lenni Brenner - Zionismus und Faschismus (SB)


Lenni Brenner


Zionismus und Faschismus

Über die unheimliche Zusammenarbeit von Zionisten und Faschisten



Als blutigste und schrecklichste Menschenabschlachterei überhaupt ist der Zweite Weltkrieg in die Geschichte eingegangen. Sein dunkelstes Kapitel stellt bekanntlich der Holocaust an den europäischen Juden dar. Vor diesem Hintergrund hat man normalerweise den Boden des politischen Diskurses verlassen, wenn man irgendwelche Vergleiche zwischen dem Umgang der Israelis mit den Palästinensern und den antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen des Regimes Adolf Hitlers in den zwischen 1938 und 1945 von den Deutschen besetzten Ländern Europas zieht. Angesichts dessen hat Lenni Brenner 1983 mit dem Buch "Zionism in the Age of the Dictators", das jetzt erstmals auf Deutsch in einer gemäß den historischen Erkenntnissen der letzten 25 Jahre überarbeiteten Ausgabe erschienen ist, ein heißes Eisen angefaßt, als er die bis dahin weitestgehend ignorierten Details der früheren heimlichen Zusammenarbeit zwischen den Zionisten, einer kleinen aber einflußreichen Minderheit innerhalb des Judentums, und den Faschisten einem breiten Publikum zugänglich machte.

Der 1937 in den USA als Kind einer jüdisch-orthodoxen Familie geborene Brenner hat nach eigenen Angaben mit rund zwölf Jahren der Religion abgeschworen und sich seit seinem 15. Lebensjahr dem Marxismus zugewandt. In den sechziger Jahren spielte er bei den Bewegungen zur Beendigung der Rassendiskriminierung und des Vietnamkrieges eine führende Rolle und mußte deshalb 39 Monate hinter Gitter. Seitdem arbeitet er als Aktivist und Autor. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, und seine Artikel erscheinen bei namhaften linken Publikationen wie Counterpunch, der Monthly Review und The Nation in den USA sowie dem New Statesman in Großbritannien. Der überzeugte Säkularist und Antirassist ist auch Gründungsmitglied der internationalen Gruppe Jews against Zionism und befürwortet zur Lösung des Nahost-Konfliktes einen einzigen Staat, in dem Juden und Palästinenser friedlich und gleichberechtigt zusammenleben.

Aus Sicht Brenners sind die Zionisten, auf deren Betreiben die Gründung Israels zurückgeht, immer eurozentrische Rassisten gewesen, die sich stets irgendwelcher Großmächte bedient haben, um ihr Kolonisierungsprojekt im Nahen Osten gegen den Willen der einheimischen arabisch-muslimischen Bevölkerung durchzudrücken. Dies fing mit den Anbiederungsversuchen Theodor Herzls gegenüber dem zaristischen Rußland an, ging über die Zusammenarbeit Chaim Weizmanns, des späteren Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation (WZO) und ersten Präsidenten Israels, und Lord Rotschilds mit den Briten im Ersten Weltkrieg, wodurch die beiden 1917 von London die berühmte, nach Außenminister Lord Arthur Balfour benannte Willenserklärung zur Wünschbarkeit der Gründung einer jüdischen Heimstätte im Nahen Osten bekamen, und setzt sich heute in der mächtigen Militärallianz zwischen Israel und den USA fort.

Weniger bekannt sind die Aktivitäten der Zionisten in der Zeit zwischen 1918 und 1945, als sich die Großmächte vom Ersten Weltkrieg zunächst erholten, nur um erneut und mit um so größerer Wucht übereinander herzufallen. Für den im Europa der Zwischenkriegsjahre aufgekommenen Faschismus gab es auf der Seite der Zionisten nicht wenig Sympathie. Wie Brenner in seinem Buch hervorhebt, befanden sich Anfang der zwanziger Jahre unter den Gründern der faschistischen Bewegung Benito Mussolinis in Italien fünf Juden. Für die Zionisten waren die gefährlichsten Feinde der Juden nicht die Antisemiten, denn mit ihnen teilten sie schließlich den Wunsch nach einer eigenen rassisch-kulturell-religiös-homogenen Gesellschaft, sondern die Kommunisten mit ihrem Traum von einer atheistischen, egalitären Welt.

Die Bewunderung der zionistischen Revisionisten um Wladimir (Ze'ev) Jabotinski, die später die Likud-Partei in Israel gründeten, für das Mussolini-Regime ging sogar soweit, daß sich einige der Mitglieder ihrer Betar-Jugend damals von den italienischen Streitkräften für den Kampf gegen die britische Herrschaft im Mandatsgebiet Palästina ausbilden ließen. Als später in Deutschland unter Hitler die Nazis an die Macht kamen, begrüßten dies viele Zionisten. Laut Brenner erhofften sie sich vom Scheitern des Liberalismus in Deutschland ein Ende der Assimilierung und sahen im damaligen Reichskanzler jenen "Dreschflegel der Geschichte, mit dem die halsstarrigen Juden in ihr eigenes Land und zu ihresgleichen zurückgetrieben würden". (S. 105)

Während andere jüdische Organisationen zum Widerstand und zu internationalen Boykotts gegen das Nazi-Regime aufriefen, setzten die Zionisten auf Annäherung und trafen mit Berlin bereits im Sommer 1933 das umstrittene Ha'avara-Abkommen, das den Export jüdischen Vermögens in Form von deutschen Waren nach Palästina ermöglichte. Dazu schreibt Brenner:

Die maximale Summe, die jeder Emigrant über das Ha'avara-Programm ausführen durfte, lag bei 50.000 Reichsmark, was das Programm für reiche Juden unattraktiv machte. So flossen umgerechnet nur etwa 40.419.000 Dollar über Ha'avara nach Palästina, während 650 Millionen Dollar in die Vereinigten Staaten gingen, 60 Millionen Dollar nach Großbritannien und andere nicht unwesentliche Summen anderswohin. Doch auch wenn die Summen, die über das Ha'avara-Programm transferiert wurden, im Vergleich zum Gesamtvermögen der deutschen Juden vergleichsweise klein waren, so waren sie doch von entscheidender Bedeutung für den Zionismus. Etwa 60 Prozent des Kapitals, das zwischen August 1933 und September 1939 in Palästina investiert wurde, war durch das Abkommen mit den Nazis ins Land gekommen.
(S. 112 f.)

Was die Judenverfolgung in dieser Phase in Deutschland betrifft, so kamen die Zionisten glimpflich davon. Nach der Verkündung der Nürnberger Rassengesetze von 1935 wurden alle jüdischen Zeitungen - mit Ausnahme der zionistischen Rundschau - verboten, während im gesamten Reichsgebiet nur noch zwei Flaggen erlaubt waren, die Hakenkreuzfahne und das blau-weiße Zionistenbanner. Nicht umsonst empört sich Brenner darüber, daß, während Linke aus aller Welt, darunter jüdische Kommunisten, von 1936 bis 1939 im spanischen Bürgergkrieg vergeblich gegen Franco und den internationalen Faschismus kämpften und dabei oft ihr Leben ließen, die Arbeiter-Zionisten - aus deren Reihen die israelische Labour Party hervorgegangen ist - Berlins Abgesandten Adolph Eichmann "als Gast in Palästina empfingen und ihm anboten, als Spione für die SS zu arbeiten". (S. 244) Den früheren Gesprächspartner und SS-Obersturmbannführer sollten Anfang der sechziger Jahre die Israelis aus Argentinien verschleppen, als großen Nazi-Verbrecher einem weltweit öffentlichkeitswirksamen Prozeß unterziehen und schließlich hinrichten.

Unter realpolitischen Gesichtspunkten kann man die Überlegungen der Zionisten in den Wirrungen der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre nachvollziehen. Ein fürchterliches Gemetzel braute sich in Europa zusammen und nahm dann seinen Lauf. Um das Projekt eines jüdischen Staates im Nahen Osten am Leben zu erhalten, mußte man zusehen, daß man am Ende des Krieges auf der Seite der Sieger stand, wobei es lange Zeit nicht ganz so klar war, wer diese sein würden, wie man es im nachhinein darstellt. Deshalb haben sich zum Beispiel Abraham Sterns rechtsgerichtete "Kämpfer für die Freiheit Israels" 1940 von der revisionistischen Irgun abgespalten, um sich den Nazis als Verbündete im Kampf gegen die Briten in Palästina und eventuell in Indien anzubieten. Trotz mehrmaliger Versuche der Kontaktaufnahme ist Berlin jedoch nicht auf das Kooperationsangebot der Stern-Gruppe eingegangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Irgun und die Stern-Gruppe durch zahlreiche "terroristische" Anschläge auf britische und arabische Ziele in Palästina hervorgetan. Jahrzehnte später sollten Irgun und Stern-Gruppe mit Menachem Begin und Yitzhak Shamir zwei Führer des Likud-Blocks und Premierminister Israels stellen (Für seine Rolle am Zustandekommen des Camp-David-Abkommens erhielt Begin zusammen mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar Al Sadat 1978 den Friedensnobelpreis).

Was Brenner jedoch am meisten - man muß auch sagen zurecht - kritisiert, ist die von ihm eindeutig belegte Tatsache, daß die Zionisten, in dem Moment des Zweiten Weltkrieges, als die Verfolgung der Juden in deren planmäßige, industrielle Vernichtung umschlug, die eigenen Glaubensbrüder und -schwestern ihrem Schicksal überließen und nur damit beschäftigt waren, dafür zu sorgen, daß sie selbst, ihre Freunde, Familien und Gesinnungsgenossen dem Inferno entkamen. Es kommt noch schlimmer. Angebote seitens der Nazis beziehungsweise Gelegenheiten, größere Segmente der jüdischen Bevölkerung Europas zu retten, schlugen sie aus oder beachteten sie nicht. Dafür gab es ein zweifaches Motiv: erstens wollte man keine alten oder gebrechlichen Menschen im Palästina haben, die dem Aufbauprojekt Israel zur Last fallen könnten; zweitens beabsichtigte man von vornherein, bei den Verhandlungen über die Nachkriegsordnung das verflossene Blut der ermordeten Juden als moralisches Argument zu instrumentalisieren.

Recht eindrücklich schildert Brenner die verzweifelte Lage der Juden in den von den Nazis besetzten Ländern Osteuropas. Für ihn steht fest, daß es diesen besser ergangen wäre und sie eventuell weniger Menschen verloren hätten, hätten sie entschiedeneren, in der Konsequenz militärischen Widerstand geleistet, statt auf die Zusicherungen ihrer auf Beschwichtigung und Kompromiß setzenden Führer zu hören. Dieses Fazit, das jedes potentielle Opfer eines Unterdrückungsregimes sich zu Herzen nehmen müßte, ist nicht die einzige Lehre aus Brenners faszinierendem und empfehlenswerten Buch, denn die Geschichte von damals setzt sich heute fort. Obwohl sich die Mehrheit der Juden Amerikas und der Israelis seit Jahren für einen Frieden mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarländern ausspricht, arbeiten die zionistischen Hardliner in Israel und ihre neokonservativen Verbündeten in den USA mit den christlichen Fundamentalisten, die das Ende der Welt und die Rückkehr von Jesus Christus herbeisehnen, politisch zusammen, setzen auf territoriale Expansion und drängen auf einen Krieg gegen den Iran eventuell mit dem Einsatz von Atomwaffen.

21. August 2008


Lenni Brenner
Zionismus und Nazismus
Über die unheimliche Zusammenarbeit von Zionisten und Faschisten
(Aus dem Englischen "Zionism in the Age of the Dictators" übersetzt
von Verena Gajewski), Kai Homilius Verlag, Berlin, 2007
370 Seiten
ISBN: 987-389706-873-5