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REZENSION/379: Oliver Demny - Die Wut des Panthers (SB)


Oliver Demny


Die Wut des Panthers
Die Geschichte der Black Panther Party

Schwarzer Widerstand in den USA



Im politischen Geschehen der USA sind sie seit langem nicht mehr präsent, und doch ist die Geschichte der Black Panther Party nicht abgeschlossen. In einem Land, in dem nach wie vor schwerwiegender Rassismus herrscht und das die Geschichte der Versklavung der Vorfahren seiner afroamerikanischen Bürger mit symbolpolitischen Mitteln verdrängt, um nicht an ihre fortwährende Benachteiligung rühren zu müssen, sitzen heute noch Dutzende politische Gefangene aus dieser Bewegung wegen Taten hinter Gittern, die auf Kämpfe zwischen schwarzen Aktivisten und der Staatsgewalt in den späten sechziger und den siebziger Jahren zurückgehen. Für manche bedeutet dies, seit über 30 Jahren eingesperrt zu sein, und Ruchel Magee, der sich als Gefangener spontan an einer Befreiungsaktion der Black Panther beteiligte, befindet sich bereits seit 42 Jahren im Knast.

Die von der Black Panther Party herausgeforderten weißen Eliten haben nicht vergessen, daß der Schoß der Rebellion unter den desolaten Bedingungen, unter denen ein Großteil der schwarzen US-Bevölkerung leben muß, nach wie vor fruchtbar ist. Nur so ist zu erklären, daß im Januar 2007 in San Francisco ein neuer Prozeß gegen acht ehemalige Black Panther, denen vorgeworfen wird, 1971 an der Ermordung eines Polizisten beteiligt gewesen zu sein, eröffnet wurde. Die Angeklagten im Alter von 55 bis 71 Jahren wurden dem Gericht in Ketten vorgeführt und mit Kautionssummen in Höhe von mehreren Millionen Dollar belegt, so daß sie während des Prozesses kaum auf freien Fuß gelangen werden.

Die weiße angelsächsische protestantische Mehrheit hat dem vermutlich aufgrund eines politischen Komplotts, an dem das FBI und das Militär beteiligt waren, niedergestreckten Martin Luther King eigens einen Feiertag gewidmet, um den Zorn der schwarzen Minderheit zu beschwichtigen, auf daß sie sich nicht ihrer Stärke besinnt und in einer schlagkräftigen Bewegung wie der der Black Panther zusammenschließt. Diese zogen Mitte der sechziger Jahre aus den trotz der Erfolge der Bürgerrechtsbewegung nicht enden wollenden Drangsalierungen der Polizei die Konsequenz, das Recht auf Besitz einer Schußwaffe zu nutzen, um ein sichtbares Zeichen ihrer Wehrhaftigkeit zu setzen, und machten sich daran, die Utopie einer besseren Welt sofort zu verwirklichen, indem sie umfangreiche Programme der sozialen Selbstorganisation und politischen Bildung initiierten.

Ihre Analyse, daß es sich beim Rassismus der weißen Mehrheit um eine Strategie handelt, den Klassenwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft zu überlagern, um die verschiedenen Ethnien gegeneinander auszuspielen und die Bildung einer alle Rassengrenzen überschreitenden antikapitalistischen Bewegung zu verhindern, ist heute so gültig wie vor 40 Jahren. Der soziale Charakter ethnisch larvierter Auseinandersetzungen wurde in der Flutkatastrophe nach dem Hurrikan Katrina ebenso manifest, wie die vermeintlich religiös motivierten Kämpfe im Irak die Wirksamkeit derartiger Spaltungsstrategien dokumentieren.

Oliver Demny hat mit "Die Wut des Panthers" ein Werk verfaßt, das die Geschichte der Black Panther-Bewegung mit gebotenem Ernst, das heißt ohne die bei dem Thema naheliegende popkulturelle Schlagseite, nachzeichnet und auf ihre emanzipatorische Relevanz hin untersucht. Zwar spart sein Buch nicht mit detaillierten Schilderungen einzelner Aktionen und Konfrontationen, doch sein Hauptgewicht liegt auf der politischen Geschichte der Bewegung, ihren Wurzeln, ihrer revolutionären Programmatik, ihren inneren Kämpfen und ihrem Niedergang.

Die Black Panther ließen sich von Theoretikern des Antikolonialismus und Antiimperialismus wie Frantz Fanon und Che Guevara inspirieren, sie orientierten sich im Aufbau ihrer Partei an Lenin und Mao, nahmen sich für den spezifischen Charakter ihres Kampfes Malcolm X zum Vorbild und vertraten eine marxistische Gesellschaftsanalyse, mit der sie sich von der Black Power-Ideologie absetzten, die einen Schwarze nicht länger benachteiligenden Kapitalismus propagierte. Der ursprüngliche Name Black Panther Party for Self-Defense wurde wieder aufgegeben, um den Anspruch auf Selbstverteidigung, der mit einer spektakulären Demonstration im kalifornischen Parlament, wo man eigens auf die Partei zugeschnittene Waffengesetze verabschieden wollte, auf sehr öffentlichkeitswirksame Weise unterstrichen wurde, nicht zu sehr zu betonen. Ihr politisches Anliegen war durchaus friedlicher Natur und fand in dem Zehn-Punkte-Programm vom Oktober 1966 seinen programmatischen Ausdruck.

Darin formulierten die Parteigründer Huey P. Newton und Bobby Seale ihre sozialen, politischen und - im Sinne der Einheit der Schwarzen - nationalen Ziele. Ihr Verhältnis zur Anwendung von Gewalt reflektierte die gesellschaftliche Repression auf eine zwar defensive, aber für die weiße Elite, die es nicht gewohnt war, daß sich Schwarze die gleichen Rechte herausnahmen wie die erzkonservativen Mitglieder der National Rifle Alliance, durchaus bedrohliche Weise. Ihre Klassenanalyse bezog alle Menschen, die sich als erniedrigte und unterdrückte Wesen begriffen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft in eine gemeinsame Front ein. Eldridge Cleaver verortete die Basis der Partei im schwarzen Lumpenproletariat, das sich auf die weiße wie schwarze Arbeiterklasse aufgrund der Privilegien, mit denen sie für die Zwecke der Herrschenden korrumpiert würden, nicht verlassen könne, während Newton und Seale die Identität der Interessen weißer und schwarzer Proletarier propagierten.

Vor dem Hintergrund einer inzwischen auch in den europäischen Metropolengesellschaften dauerhaft als nicht mehr für die kapitalistische Wertschöpfung benötigten Millionenbevölkerung zeigt Cleavers Charakterisierung des Lumpenproletariats aus dem Jahre 1970, daß deutsche Langzeitarbeitslose heute eine Form gesellschaftlicher Ausgrenzung erleben, die für viele Schwarze in den USA seit jeher bedrückende Realität ist:

"O.K. Wir sind Lumpen. Vorwärts. Lumpenproletariat sind all diejenigen, die keine sichere Beziehung oder althergebrachten Anteil an den Produktionsmitteln und den Einrichtungen der kapitalistischen Gesellschaft haben. Der Teil der 'industriellen Reservearmee', der beständig in Reserve gehalten wird; der niemals gearbeitet hat und der das auch niemals tun wird; der keine Arbeit finden kann; der ohne Ausbildung und ungelernt ist; der durch Maschinen, Automation und Kybernetik ersetzt und niemals 'umgeschult oder mit neuen Qualifikationen versehen' worden ist; all diejenigen, die von Wohlfahrt oder staatlicher Hilfe leben."
(S. 62)

Ihr Vorhaben, das von Marx und Engels als politisch unzuverlässig eingestufte Lumpenproletariat in die Speerspitze des Aufstands gegen kapitalistische Herrschaft zu verwandeln, war der elenden Lebenssituation vieler Schwarzer auf den Leib geschrieben. Die dafür eingesetzen Mittel politischer Bildung und sozialer Selbsthilfe sollte die schwarzen Ghettos von weißer Propaganda und Almosenwirtschaft befreien, um das Wissen und die Autonomie zu schaffen, ohne die ein revolutionärer Prozeß Gefahr liefe, in unkontrollierte Destruktivität und innere Spaltung zu entufern. Die sozialistische Agenda der Black Panther Party und ihre Erkenntnis, daß der alleinige Kampf gegen den Rassismus ungenügend ist, weil er nicht an die systemischen Wurzeln von Ausbeutung und Unterdrückung geht, stießen denn auch auf erhebliche Resonanz unter der urbanen schwarzen Bevölkerung, so daß die Black Panther Party trotz ihrer strikten Verhaltensregeln und Kommandostruktur Tausende von Mitgliedern erhielt.

Wie man aus der Rückschau weiß, war die praktische Arbeit revolutionärer Bewegungen in den sechziger und siebziger Jahren von tiefgreifenden Widersprüchen zwischen theoretischem Anspruch und politischer Aktion gekennzeichnet. Bei den Black Panthers führten persönliche Animositäten unter den Führern und der Streit um die strategische Ausrichtung der Parteiarbeit schließlich zur Spaltung in zwei verfeindete Lager. Zudem hatte sich gezeigt, daß die Verwirklichung der völligen Gleichberechtigung der Frau und die Durchsetzung strikter disziplinarischer Regeln auf Widerstände stieß.

Was jedoch zum endgültigen Niedergang der Partei führen sollte, war eine der größten Unterwanderungsaktionen der politischen Polizei in der Geschichte der USA. Zur Bekämpfung sozialemanzipatorischer und revolutionärer Bewegungen hatte das FBI zahlreiche Counterintelligence-Programme (COINTELPRO) aufgelegt. FBI-Chef J. Edgar Hoover bezeichnete die Black Panther Party als größte Gefahr für die innere Sicherheit der USA, so daß sich die meisten dieser subversiven Aktionen gegen die schwarzen Aktivisten richteten. Es handelte sich um eine systematische Form der Zerstörung der Organisation, bei der Undercover-Agenten eingeschleust, Informanten aus den eigenen Reihen angeworben, Provokationsakte begangen und alle nur erdenklichen Propagandamittel aufgeboten wurden. Dabei setzte das FBI insbesondere an den inneren Bruchstellen der Organisation an, indem es Feindschaften und Machtkämpfe zwischen den Mitgliedern durch Intrigen und Verleumdungen schürte. In der Hochzeit der Black Panther zwischen Mitte 1967 und Ende 1970 wurden bei Auseinandersetzungen mit der Polizei und Angriffen im Rahmen der COINTELPRO-Aktionen 40 Aktivisten getötet und 85 verletzt.

Die Spaltung und der Niedergang der Black Panther Party konnten nicht verhindern, daß sich ihr organisiertes Aufbegehren heute zu einer Legende verklärt hat, die junge Schwarze durchaus zu inspirieren vermag. Die Black Panther sind zuerst als Form sozialer Selbstorganisation in Erscheinung getreten, bevor sie sich zur Selbstverteidigung und im Rahmen der Gesetze gegen die Angriffe der Polizei bewaffneten. In ihrer Hochzeit hatten sie in etwa 100 Großstädten Parteiorganisationen gegründet, verfügten über einen mehrere Tausend Mitglieder zählenden, gut organisierten Parteiapparat und eine von Schwarzen in den ganzen USA gelesene Zeitung, The Black Panther. Ihre Begründer und Führer Huey P. Newton, Bobby Seale, Eldridge Cleaver und Stokeley Carmichael wurden in aller Welt bekannt und auch bewundert. Das weiße Establishment hatte also allen Grund zu befürchten, die Kontrolle über das schwarze Subproletariat zu verlieren. Die Zerschlagung einer in der Kompromißlosigkeit ihrer Forderungen und Effizienz ihres Vorgehens für die Nachfahren der Sklaven beispiellosen Organisation war mithin eine unabdingbare Notwendigkeit der Herrschaftsicherung.

Das galt um so mehr, als es, wie Demny ausführt, in den USA der späten Sechziger und frühen Siebziger zahlreiche Gruppen gab, die sich angesichts massiver Polizeirepression und der in Vietnam wütenden US-Kriegsmaschinerie nicht auf gewaltfreie Aktionsformen beschränkten. Die dagegen gerichteten Maßnahmen des Staates haben dazu beigetragen, daß die Stärke der linksradikalen Counterculture der sechziger Jahre niemals wieder erreicht wurde. Die durch soziale Verelendung und urbane Ghettoisierung zu einem Leben in desolaten Verhältnissen verurteilten, von einem überdimensional aufgeblähten Repressionsapparat unterdrückten und durch eine das privilegierte Leben weißer Eliten zum Lebensziel erhebenden Unterhaltungskultur manipulierten Schwarzen hätten daher viel aufzuholen, wenn sie an die Anfänge der Black Panther-Bewegung anknüpfen wollten.

Oliver Demny vermittelt mit "Die Wut des Panthers" einen umfassenden Überblick über die Geschichte einer Organisation des schwarzen Widerstands, die aus sozialen Widersprüchen in der US-Gesellschaft entstanden ist, welche heute mindestens so scharf konturiert sind wie vor 40 Jahren. Wenn etwa der in kommunalen und sozialen Projekten tätige Bobby Seale von den kanadischen Behörden an der Einreise gehindert wird, weil er einen Vortrag vor schwarzen Jugendlichen halten will, wenn ehemalige Aktivisten, die eine politische Laufbahn eingeschlagen haben, trotz ihrer inzwischen moderaten Ansichten massiv an der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte behindert werden und viele Aktivisten auch noch Jahrzehnte nach Auflösung der Partei unter politischer Verfolgung zu leiden haben, zeigt das, daß die dagegen gerichtete politische Programmatik virulent bleibt.

22. April 2007


Oliver Demny
Die Wut des Panthers
Die Geschichte der Black Panther Party;
Schwarzer Widerstand in den USA
Unrast Verlag, Münster, 4. ergänzte Auflage, 2004
242 Seiten
ISBN 3-89771-003-X