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REZENSION/377: Peter Lance - Triple Cross (Spionage/Terrorismus) (SB)


Peter Lance


Triple Cross

How bin Laden's Master Spy Penetrated the CIA, the Green Berets and the FBI - and Why Patrick Fitzgerald Failed to Stop Him



Mit der Veröffentlichung des "Geständnisses" von Khalid Sheikh Mohammed, dem sogenannten "Chefplaner" der Flugzeuganschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Arlingtoner Pentagon, am 14. März ist es der Regierung von US-Präsident George W. Bush gelungen, zumindest vorübergehend die immer dürftiger erscheinende, offizielle Verschwörungstheorie zu den Ereignissen vom 11. September 2001 in der Öffentlichkeit zu stützen. Gleichzeitig hat die Tatsache, daß sich KSM, den niemand außerhalb der CIA seit seiner angeblichen Festnahme im März 2003 in Pakistan gesehen hat und der in der Zwischenzeit an irgendwelchen geheimen "black sites" gefoltert worden sein soll, praktisch zu allem bekannte, wofür das Al-Kaida-"Netzwerk" von Osama Bin Laden seit Anfang der neunziger Jahre in Verbindung gebracht wird, nicht nur bei Experten erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der in dem 26seitigen, zum Teil ausgeschwärzten Dokument aus dem Sondergefängnis auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay aufkommen lassen. In einem Gastkommentar, der am 15. März auf der Website des Nachrichtenmagazins Time erschienen ist, stellte beispielsweise der Ex- CIA-Mann, Nahostkenner und Buchautor Robert Baer, den George Clooney vor kurzem in dem Politthriller "Syrianna" spielte, fest, daß das "Geständnis" des aus dem pakistanischen Belutschistan stammenden KSM lediglich eine Vielzahl von Behauptungen enthält, die wenig Beweiskraft besitzen und bei denen die meisten wahrscheinlich Übertreibungen und Erfindungen sind.

Wenn es jemanden gibt, der maßgeblich an der Entstehung dessen, was wir heute den "internationalen" beziehungsweise "islamischen Terrorismus" nennen, beteiligt war, dann ist es der aus Ägypten stammende Ali A. Mohamed. Im Gegensatz zu KSM wird Ali Mohamed in jenem berühmt-berüchtigten, George W. Bush am 4. August 2001 vorgelegten Presidential Daily Briefing (DPB), das den unmißverständlichen Titel "Bin Laden entschlossen, in den USA zuzuschlagen" trägt und dessen Veröffentlichung im März 2004 im Rahmen der Anhörungen der 9/11-Kommission für Furore in der amerikanischen Öffentlichkeit sorgte, ausdrücklich als jahrelanges, in den USA aktives Al-Kaida-Mitglied erwähnt. Weshalb die Welt dennoch bislang sowenig von dieser mysteriösen Figur gehört hat, ist leicht erklärt. Während seiner langjährigen Tätigkeit als "Topterrorist" und Leibwächter Bin Ladens war Ali Mohamed Bürger der Vereinigten Staaten, stand im Solde der US-Armee, arbeitete offiziell als Informant des Bureau of Federal Investigations (FBI) und betätigte sich als Doppelagent der Central Intelligence Agency (CIA) in islamistischen Kreisen.

Ali Mohamed wurde in September 1998, wenige Wochen nach den von ihm entworfenen und geleiteten Anschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam, bei einem Aufenthalt in den USA aus dem Verkehr gezogen und zunächst versteckt gehalten. Im Oktober 2000 ging er einen Deal mit den US-Justizbehörden ein. Damals bekannte sich Ali Mohamed vor einem Bundesgericht in New York dazu, mit tödlicher Absicht Anschläge auf amerikanische Ziele im Ausland geplant und durchgeführt zu haben. Er gab zudem Aussagen zu Protokoll, die im Mai 2001 zur Verurteilung vierer seiner eigenen Untergebenen wegen der Ermordung der 224 Opfer der Botschaftsanschläge führten. Seltsamerweise ist im Falle Ali Mohameds bis heute, fast sieben Jahre danach, kein ordentlicher Prozeß durchgeführt und auch kein rechtskräftige Urteil gefällt worden. Selbst über den Aufenthaltsort dieses Mannes ist offiziell nichts bekannt. Berichten zufolge soll er sich im Zeugenschutzprogramm des FBI befinden.

In "Triple Cross: How Bin Laden's Master Spy Penetrated the CIA, the Green Berets and the FBI - and Why Patrick Fitzgerald Failed to Stop Him" versucht der in Kalifornien lebende Investigativjournalist Peter Lance die dunkle Wahrheit über Ali Mohamed ans Tageslicht zu fördern. Herausgekommen ist ein 639seitiges Buch, das eine ganze Fülle detaillierter Informationen über den Kampf der US-Behörden gegen den "islamischen Terrorismus" enthält. Lance, ein fünffacher Emmy-Gewinner für seine politischen Reportagen unter anderem für die amerikanischen Nachrichtensendungen 20/20, Nightline und World News Tonight, weist akribisch nach, in welch ungeheuerlichem und schockierenden Ausmaß die Joint Terrorism Task Force (JTTF) des FBI und des New York Police Department (NYPD) sowie die zuständige Organized Crime & Terrorism Unit des Southern District of New York (SDNY) und deren früherer Leiter, Bundesstaatsanwalt Patrick Fitzgerald, über die kriminellen, umstürzlerischen Aktivitäten der im Großraum der Hudson-Metropole wohnenden Islamisten im Bilde gewesen sind. Die Antwort auf die vom Autor selbst gestellte Frage, warum man nichts unternommen hat und statt dessen bis heute hauptsächlich damit beschäftigt ist, die Spuren der eigenen Nachlässigkeiten und Verfehlungen zu verwischen, bleibt Lance jedoch schuldig und weicht auf die für die Politelite in Washington am wenigsten belastende Erklärung, wonach die Verantwortlichen bei Geheimdienst und Polizei der USA ihre Arbeit einfach nicht richtig gemacht hätten, aus. Gleichwohl liefert er unzählige Hinweise dafür, daß die ermittelnden FBI-Beamten ihre Arbeit nicht richtig machen durften, und daß diejenigen, die es trotzdem versuchten, geschnitten und bestraft wurden.

Die Widersprüche in der offiziellen Version Washingtons von der "islamistischen Gefahr" fangen im Grunde mit dem blinden Scheich Omar Abdel Rahman an, der in den achtziger Jahren Freiwillige aus der ganzen muslimischen Welt für die großangelegte CIA-Hilfsoperation zugunsten der afghanischen Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjetunion rekrutierte. Bis heute fehlt eine schlüssige Erklärung dafür, warum Rahman, dem als Staatsfeind in seinem Heimatland Ägypten die behördliche Verfolgung drohte, im Juli 1990 seinen Wohnsitz vom Sudan in den New Yorker Stadtteil Brooklyn verlegte und wieso die US- Behörden dies überhaupt zuließen. Mit der Rekrutierung von amerikanischen Moslems, um die Rote Armee aus Afghanistan zu vertreiben, kann es nichts zu tun gehabt haben, denn Moskau hatte schon im Jahr zuvor seine letzten Soldaten vom Hindukusch nach Hause geholt. Zum Zeitpunkt der Einreise in die USA stand Rahman bereits auf einer "Terrorliste" des US-Außenministeriums, weshalb man annimmt, daß die CIA ihm bei der Beseitigung bürokratischer Hindernisse geholfen hat. In Brooklyn übernahm Rahman die geistige Führung derjenigen Moslemextremisten aus dem Großraum New York, die schon seit einem Jahr an den Wochenenden von Ali Mohamed "terroristisch", sprich militärisch, ausgebildet wurden. Das Verblüffende an dieser Konstellation ist die Tatsache, daß Ali Mohamed damals im Dienste der Spezialstreitkräfte der USA stand.

Geboren in Alexandria im Jahre 1952 tritt Ali Mohamed nach einem Pschologiestudium 1971 der ägyptischen Armee bei. Er studiert zwei weitere Jahre an der ägyptischen Militärakademie und wird Major bei den Spezialstreitkräften. In dieser Funktion arbeitet er häufig im Ausland beim Schutz ägyptischer Botschaften und Diplomaten - eine Aufgabe, bei der er offenbar wertvolle Erkenntnisse für spätere Anschläge gewinnt. 1981 soll er der fundamentalistischen Gruppierung Ägyptischer Islamischer Dschihad des späteren Al-Kaida-Vizechefs Dr. Aiman Al Zawahiri beigetreten sein - ob aus Überzeugung oder zur Unterwanderung, ist nicht klar. Für die letztere Annahme sprechen beispielsweise die Ausbildung Mohameds zum Experten der psychologischen Kriegsführung sowie die späteren Aussagen von Zeugen beim Prozeß um die Botschaftsanschläge. Unter Eid sagte beispielsweise der Al-Kaida-Mitläufer L'Houssaine Khertchou aus, Mohamed sei "kein frommer Moslem" gewesen.

Kurz nach seiner ersten Kontaktaufnahme zum Egyptian Islamic Jihad (EIJ) wird Major Mohamed von der ägyptischen Armee zur Weiterbildung in die USA entsandt. Dort trainiert er auf dem Armeestützpunkt Fort Bragg, der Heimatbasis der Green Berets und der Delta Force im Bundesstaat North Carolina. Er lernt die Führung von Soldaten in schwierigen Missionen wie Aufstandsbekämpfung sowie Späh- und Sabotageaktionen hinter den feindlichen Linien und erhält nach vier Monaten einen Diplom der Green Berets. Während der Zeit Mohameds in den USA, nämlich am 6. Oktober 1981, bringen EIJ-Mitglieder bei der ägyptischen Armee während einer Militärparade Präsident Anwar Sadat dafür um, drei Jahre zuvor Frieden mit Israel geschlossen zu haben. Nach der Rückkehr in die Heimat bleibt Mohamed weitere drei Jahre beim ägyptischen Militär. 1984 scheidet er aus dem Armeedienst aus und wird Sicherheitsberater bei der staatlichen Luftfahrtgesellschaft Egypt Air, was ihm Jahre später dazu befähigen wird, in Afghanistan Al-Kaida- Mitglieder, darunter eventuell sogar einige Teilnehmer der 9/11- Operation, in Sachen Flugzeugentführung auszubilden.

Nach Angaben von Peter Lance hat Mohamed erst nach der Beendigung seiner Laufbahn bei den ägyptischen Streitkräften Verbindung zur CIA, und zwar von sich aus über die US-Botschaft in Kairo, aufgenommen. Vorstellbar wäre auch, daß die ersten Kontakte zwischen dem US- Auslandsgeheimdienst und dem arabischen Elitesoldaten bereits 1981 in Fort Bragg im Rahmen des amerikanisch-ägyptischen Offiziersaustauschprogramms geknüpft wurden. Nach einem kurzen Intermezzo als CIA-Maulwurf in islamistischen Kreisen in Hamburg, dem späteren Wohnort führender Mitglieder der 9/11-Operation, erhält Ali Mohamed, obwohl sein Name bereits auf besagter "Terrorliste" des State Department steht, 1985 ein Visum für die Einreise in die USA. Auf dem Flug von Athen nach New York lernt er die damals 43jährige Medizintechnikerin Linda Sanchez kennen, die er noch im selbem Jahr heiratet und zu der er nach Santa Clara in Kalifornien zieht.

Nach der US-Einbürgerung tritt der inzwischen 34jährige CIA- Kontaktmann und mehrfach dekorierte, ägyptische Major a. D. 1986 als einfacher Soldat der US-Armee in Oakland, Kalifornien, bei. Nach der Ausbildung, in der Ali Mohamed angeblich die anderen, um mehr als 10 Jahre jüngeren Rekruten geistig und physisch alt aussehen läßt, wird er dem John F. Kennedy Special Warfare Center in Fort Bragg zugeteilt. Dort kann man den erfahrenen Offizier, der fließend Arabisch, Englisch, Französisch und Hebräisch spricht, gut gebrauchen. Offiziell arbeitet Mohamed in Fort Bragg als Feldwebel einer Logistikbrigade, dennoch erteilt er gleichzeitig an der JFK-Schule für Spezialstreitkräfte Unterricht in Nahost-Studien. Gegenüber Peter Lance vertritt Ali Mohameds damaliger Vorgesetzter in Fort Bragg, Oberstleutnant a. D. Robert Anderson, die Ansicht, daß der extrem leistungsfähige, aber unter Islamismus-Verdacht stehende Ägypter heimliche Hilfe von der CIA hätte bekommen müssen, um überhaupt in die USA zu gelangen, geschweige denn am Ausbildungszentrum der Elitetruppen Amerikas postiert zu werden. Für die Richtigkeit von Andersons Vermutung sprechen zum Beispiel Angaben eines Artikels des Boston Globe aus dem Jahr 1995, den Lance erwähnt. Dort heißt es unter Verweis auf "Regierungsquellen", die Einwanderung Ali Mohameds in die USA sei "das Ergebnis einer von Langley initiierten Aktion" gewesen.

Während der Zeit in North Carolina macht Mohamed jedenfalls keinen Hehl aus seinen "islamisch-fundamentalistischen" Ansichten. 1988 eröffnet der Neu-Amerikaner den Kameraden, er wolle den nächsten Urlaub nutzen, um in Afghanistan gegen die Sowjets zu kämpfen. Zwar wurden damals die afghanischen Mudschaheddin stark von der Administration Ronald Reagans mit Waffen unterstützt, doch für einen US-Soldaten wäre es eigentlich illegal gewesen, an einem Krieg im Ausland teilzunehmen, ohne dafür einen ausdrücklichen Befehl erhalten zu haben. Wäre Mohamed zum Beispiel in sowjetische Gefangenschaft geraten, hätte das Washington ein peinliches PR-Fiasko beschert. Um dem vorzubeugen, teilt Oberstleutnant Anderson der Leitung von Fort Bragg die abenteuerlichen Pläne Mohameds zwei Wochen vor dessen geplanter Abreise schriftlich in der Erwartung mit, daß man den Ägypter festsetzt. Doch die Mitteilung Andersons bleibt unbeantwortet - was den Schluß, daß die Afghanistan-Reise von höherer Stelle gebilligt worden war, zuläßt.

Von seinem einmonatigen Afghanistan-Ausflug kehrt Mohamed abgemagert zurück - für die Kameraden in Fort Bragg der Beweis, daß die Tour strapaziös gewesen ist. Er läßt den heiligen Krieger heraushängen und zeigt den Gürtel eines russischen Elitesoldaten herum, den er eigenhändig getötet haben will. Das primitive Verhalten veranlaßt Anderson, einen weiteren Brief über den sonderbaren ägyptisch- amerikanischen Feldwebel an den Kommandostab zu schreiben. Doch auch das zweite Schreiben bleibt unkommentiert.

Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst im Jahre 1989 - er bleibt Mitglied der Reserve bis 1995 - kommt Ali Mohamed bis zu seiner Festnahme im Jahre 1998 viel in islamischen Oppositionskreisen auf der ganzen Welt herum. Er unterhält eine Wohnung in Kalifornien, hält sich längere Zeit in Afghanistan, Kenia und Somalia auf und besucht mindestens ein Dutzend weiterer Länder. Bereits 1990 hätte Mohamed, handelte es sich bei ihm um keinen Doppelagenten, ins Netz der Polizei gehen müssen. Nach der Ermordung des radikalen Zionistenführers Rabbi Meier Kahane am 5. November jenes Jahres in New York wird die Wohnung des Schützen El Sayyid Nosair in New Jersey durchsucht. Dort stellt das FBI unter anderem Trainingshandbücher der US-Armee, Videoaufnahmen von Vorträgen, die Mohamed am Kennedy Special Warfare Center gehalten hat, einen Operationsplan für das gemeinsame amerikanisch-ägyptische Militärmanöver Operation Bright Star sowie andere Dokumente, welche die Aufschrift "vertraulich" oder "streng geheim" tragen, und nicht zuletzt auf arabisch verfaßte Ideen hinsichtlich eines Anschlags auf das World Trade Center sicher. Quelle des brisanten Materials - darunter sogar Planungsdokumente des US-Generalstabs! - ist niemand anderer als Ali Mohamed, der bei seinen Wochenendausflügen im Großraum New York regelmäßig bei Nosair absteigt.

Beim ersten Prozeß um das Kahane-Attentat im Jahre 1991 tauchen die von Mohamed gestohlenen Geheimdokumente nicht auf, dies geschieht erst 1995, als Nosair schuldig gesprochen wird, an der Verschwörung zum Bombenanschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993 sowie auf andere Wahrzeichen New Yorks wie das UN-Hauptquartier und den Holland- Tunnel teilgenommen zu haben. Bei jenem Prozeß beschuldigt Nosairs Anwalt Roger Stavis die US-Armee, Mohamed gezielt nach New York entsandt zu haben, um Exil-Araber in Untergrundkampftaktiken zu unterweisen und sie zu Anschlägen zu animieren. Khalid Ibrahim, einer der Zeugen, sagt damals unter Eid aus, er sei von Mohamed in New Jersey zum heiligen Krieger ausgebildet worden und habe den US- Reserveoffizier später in Afghanistan wiedergesehen. "Er ist im aktiven Dienst und hilft im Rahmen einer Operation der US-Regierung, die Moslems in Afghanistan zu trainieren", so Ibrahim.

Bereits 1992 gibt Mohamed, der zu diesem Zeitpunkt bereits FBI- Informant ist, in den afghanischen Al-Kaida-Trainingslagern Unterricht im Bombenbau und in anderem "terroristischen" Handwerk. Die Ausbildungsunterlagen der US-Spezialstreitkräfte aus seiner Zeit in Fort Bragg übersetzt er aus dem Englischen ins Arabische. Sie bilden den Grundstein dessen, was heute von "terroristischen" Kreisen an Bildungsmaterial im Internet ausgetauscht wird. Nicht umsonst nennen die Al-Kaida-Mitglieder den ägyptischen Streitgefährten "Abu Mohamed Al Amriki", übersetzt "Mohamed, der Amerikaner". Über die Verbindungen zu Al Zawahiris EIJ soll 1991 die erste Begegnung Mohameds mit Bin Laden erfolgt sein. Mohamed kämpft zu dieser Zeit im afghanischen Bürgerkrieg und hilft im selben Jahr dem saudischen Exilanten und Bauunternehmer bei dessen Umzug von Afghanistan in den Sudan. Von dort aus reist er nach Somalia, wo er angeblich diejenigen somalischen Stammeskrieger trainiert, die 1993 bei einem Feuergefecht in Mogadischu 18 US-Elitesoldaten töten.

Am 26. Februar 1993 kommt es zu einer riesigen Bombenexplosion in der Tiefgarage des New Yorker World Trade Center. Glücklicherweise werden nur sechs Menschen getötet und 1000 verletzt. Nach Angaben des später verurteilten Bombenbauers Ramsi Jousef, des ebenfalls aus Belutschistan stammenden Neffens von Khalid Sheikh Mohammed, wollte man mindestens den einen, wenn nicht sogar beide Türme zum Einknicken bringen. Ingenieure und Sachverständige sagen später vor Gericht aus, daß der teuflische Plan eventuell aufgegangen wäre, hätten die Täter den Lastwagen mit der Düngelmittelbombe nur wenige Meter näher an einer der tragenden Säulen im Fundament parken können. Ein solches Ereignis hätte das, was New York, die USA und per Fernsehen die restliche Welt später am 11. September 2001 erlebt hat, völlig in den Schatten gestellt. Statt knappe 3000 Tote hätte es mit einem Schlag mehrere zehntausend gegeben.

Mit diesem alptraumartigen Szenario vor Augen soll daran erinnert werden, daß Ramsi Jousef bei der Vorbereitung und Durchführung des ersten WTC-Anschlags die tatkräftige Mithilfe von den drei 1994 verurteilten Schülern Ali Mohameds, Nidal Ayyad, Mohammed Salameh und Mahmud Aboulahima, erhielt. Sowohl sie, als auch die Männer, die 1995 zusammen mit Scheich Omar wegen geplanter Anschläge auf bekannte New Yorker Wahrzeichen langjährige Haftstrafen bekamen, gehörten laut Staatsanwaltschaft einer "Dschihad Armee" an, die einen "heiligen Krieg" auf dem Boden der Vereinigten Staaten anzetteln sollte. Doch das Skurrile an dieser Geschichte ist die Tatsache, daß es ohne entsprechende Ausbildung durch den US-Feldwebel beziehungsweise -Armeereservisten Ali Mohamed diese "Dschihad Armee" wahrscheinlich niemals gegeben hätte. Darüber hinaus hatte das FBI, wie Peter Lance zurecht konstatiert, mit Emad Salem, einem weiteren ehemaligen Offizier der ägyptischen Armee, innerhalb der Rahman-Gruppe eine zuverlässige Quelle, deren präzise und rechtzeitige Informationen über den Bau der Lastwagenbombe und die laufende Planung für den ersten WTC- Anschlag sträflich vernachlässigt wurden.

Ebenfalls im Jahre 1993 beauftragt Bin Laden angeblich Mohamed, der inzwischen zu dessen engsten Vertrauten gehört, amerikanische, britische, französische und israelische Ziele in Nairobi wegen der Intervention der westlichen Großmächte im somalischen Bürgerkrieg auszukundschaften. Als potentielle Ziele werden die Botschaften Frankreichs, Großbritanniens und der USA sowie die United States Agency for International Development und das französische Kulturinstitut ins Auge gefaßt. Von diesen Objekten macht der beim Prozeß um die Botschaftsanschläge als Kronzeuge aufgeführte Mohamed nach eigenen Angaben Fotos, zeichnet Pläne und schreibt einen ausführlichen Bericht. Mit diesem Material fährt er anschließend nach Khartum, der Hauptstadt des Sudans, wo der "Terrorchef" den Bericht inspiziert. "Bin Laden schaute sich das Bild von der US-Botschaft an und zeigte dorthin, wo ein von einem Selbstmordkommando gefahrener Lastwagen am besten plaziert werden könnte", so die Angaben Mohameds im Oktober 2000 vor Gericht in New York. Aufgrund von Aussagen wie dieser ist Ali Mohamed die erste Person überhaupt, die den konkreten Nachweis für die direkte Beteiligung Bin Ladens an Anschlägen geliefert hat. In Nairobi gründet Mohamed zusammen mit Wadih El Hage einen Autoverleih und einen islamischen Wohltätigkeitsverein als Tarnorganisationen, die Aktivitäten der Al Kaida in Somalia wie in ganz Ostafrika unterstützen sollen.

1994, nach einem mißglückten Attentatsversuch auf bin Laden, holt dieser Ali Mohamed in den Sudan, um die Ausbildung seiner Leibwächter persönlich zu übernehmen und um die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst Khartums, der für die Sicherheit des saudischen Finanziers außerhalb dessen Hauptquartier zuständig ist, zu koordinieren. Im selben Jahr erhält Mohamed im Sudan einen Anruf vom FBI, das ihn darum bittet, in die USA zu kommen, um mit den Justizbeamten dort über den bevorstehenden Prozeß um den ersten WTC- Anschlag zu sprechen. "Ich bin in die USA geflogen, habe mit dem FBI gesprochen, ihnen jedoch nicht alles, was ich wußte, gesagt", gibt Mohamed später zu Protokoll.

Auf ähnliche Weise erfolgt die Festnahme Ali Mohameds im Jahre 1998. Kurz nach den Anschlägen am 7. August auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam, für die Al-Zawahiris EIJ offiziell die Verantwortung übernimmt, stürmt das FBI die Wohnung Mohameds im kalifornischen Sacramento und findet umfangreiches Belastungsmaterial über Bombenbau und die Führung von "Terrorzellen". Unterdessen bereitet sich Mohamed auf eine Reise über Ägypten nach Afghanistan vor, um sich mit Bin Laden zu treffen. Doch bevor es dazu kommen kann, erhält Mohamed in Verbindung mit dem Doppelanschlag in Afrika eine Vorladung zur Aussage vor der Grand Jury in New York. Er fliegt dorthin, sagt am 10. September 1998 vor der Grand Jury aus - und wird anschließend festgenommen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird die Festnahme Mohameds fast zwei Jahre lang geheimgehalten. Bei dem Prozeß im Frühjahr 2001 um die Botschaftsanschläge von Kenia und Tansania stellt sich heraus, daß der Ägypter das FBI über seine Aktivitäten im Bereich des "internationalen Terrorismus" fortlaufend informierte. Aus Dokumenten, die dem Bundesgericht des Südlichen Bezirks von New York vorgelegt werden, geht hervor, daß Mohamed bereits 1993 dem FBI berichtete, Bin Laden betreibe "eine Organisation unter dem Namen Al Kaida" und baue eine Armee auf, "die zum Sturz der saudischen Regierung benutzt werden könnte". 1994 soll er das FBI über seine Hilfe beim Auszug Bin Ladens aus Afghanistan informiert haben. Nach Angaben von Peter Lance hörte sogar bereits seit August 1996 der US-Nachrichtendienst die Telefone vom erwähnten El Hage, US-Bürger und Sekretär Bin Ladens, und den anderen Beteiligten des Botschaftskomplotts in Nairobi ab.

Kurz nach dem Anschlag auf das US-Kriegsschiff Cole im jemenitischen Aden am 12. Oktober 2000 wird Ali Mohamed der Öffentlichkeit als Kronzeuge beim damals bevorstehenden Prozeß um die Botschaftsanschläge präsentiert. Dank seiner Aussagen werden nach vier Monaten Gerichtsverhandlung am 30. Mai 2001 Wadih El Hage, der Saudi Mohamed Rashed Daoud Al-'Owali, der Tansanier Khalfan Khamis Mohamed und der Jordanier Mohamed Sadeek Odeh des Massenmordes für schuldig befunden und wenige Monate später, kurz vor den Flugzeuganschlägen, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. In der allgemeinen Hysterie nach dem 11. September gerät Ali Mohamed in Vergessenheit, was für Peter Lance völlig unverständlich ist. Spätestens 1995 nach der Festnahme des ersten WTC-Bombenbauers Ramsi Jousef in Pakistan und Bekanntwerden von dessen Plan Bojinka für einen großangelegten Mehrfachanschlag auf US-Passagiermaschinen hätten die Behörden in New York und Washington vor der Gefahr für den US-Luftverkehr gewarnt sein müssen. 1996 bietet die Regierung des Sudans den USA an, Bin Laden an sie auszuliefern, doch die Regierung Bill Clintons winkt ab und läßt den "Terrorpaten" mit Hilfe Ali Mohameds nach Afghanistan übersiedeln.

Über das Mafia-Mitglied Gregory Scarpa jun., Ramsi Jousefs Zellengenosse im New Yorker Untersuchungsgefängnis, hatte das FBI wichtige Erkenntnisse über die Umtriebe der Gruppe um Omar Abdel Rahman und Ali Mohamed gewonnen. Wie Peter Lance berichtet, konnte sich der Polizeispitzel mit Jousef anfreunden und ihn dazu bringen, über eine vermeintliche Scheinfirma seiner eigenen Unterweltkumpels - tatsächlich steckte dahinter eine ausgeklügelte Tarnoperation des FBI - zu telefonieren, wodurch die US-Geheimdienste das ganze "Netzwerk", Bin Laden, Al Zawahiri, KSM, Mohammed Atef, Wadih El Hage et al., belauschen konnten. Lance präsentiert in diesem Zusammenhang mehrere von den US-Behörden stark vernachlässigte Hinweise darauf, daß hinter dem Absturz der Passagiermaschine TWA 800 vor der Küste New Yorks im Sommer 1996 kein technischer Mangel, sondern der Versuch von KSM, seinen Vetter Jousef mittels eines Bombenanschlags aus dem Gefängnis in New York freizubekommen, steckte. Hierzu gehören die nachgewiesenen Sprengstoffspuren in der Kabine des geborgenen 747-Wracks, die nach der amtlichen Version einige Wochen zuvor während der Ausbildung eines Spürhundes beim Finden von Bombenmaterial dorthin gelangt sein sollen.

Im Oktober 1997 flog Patrick Fitzgerald persönlich nach Sacramento, um sich mit Ali Mohamed zu treffen. Doch statt den angeblich überzeugten Dschihadisten festzunehmen, lud der Bundesstaatsanwalt diesen zum Essen ein und sprach mit ihm mehrere Stunden. Dieses Gespräch, über dessen Inhalt recht wenig bekannt ist, stellt für Peter Lance den Grund dar, warum man gegen Ali Mohamed keine Anklage wegen Verwicklung in die Botschaftsanschläge erhoben hat, weil ansonsten dadurch die Frage aufkommen würde, warum man dem Hauptorganisator nicht rechtzeitig das Handwerk gelegt hat.

Eine Gelegenheit, bei der sogar das ganze 9/11-Komplott hätte vereitelt werden können, war das inzwischen legendäre Al-Kaida- "Gipfeltreffen" Anfang Januar 2000 in Kuala Lumpur. An dem Treffen sollen neben KSM auch die beiden späteren mutmaßlichen Flugzeugentführer Salem Al Hasmi und Chalid Al Midhar teilgenommen haben. Die angeblich konspirative Zusammenkunft, von der der Impuls für den 11. September ausgegangen sein soll, fand damals unter strengster Beobachtung der amerikanischen und malaysischen Sicherheitsapparate statt. Wie Lance unter anderen unter Verweis auf die Geheimdienstkoryphäe James Bamford berichtet, wurden damals mehrere Spitzenmitglieder der Clinton-Regierung in Washington, darunter der Nationale Sicherheitsberater Samuel "Sandy" Berger, der FBI-Chef Louis Freeh und der Antiterrorkoordinator Richard Clarke über die Observation des dreitägigen Treffens in der malaysischen Hauptstadt unterrichtet - und zwar "laufend".

Als eine der größten "Pannen" der US-Geheimdienste in Verbindung mit dem 11. September gilt die in Anschluß an den "Terrorgipfel" in Kuala Lumpur erfolgte, völlig ungehinderte Einreise der beiden mutmaßlichen Flugzeugentführer in spe, Al Hasmi und Al Midhar, in die USA, wo sie ausgerechnet bei einem Informanten des FBI in San Diego zur Untermiete abstiegen. In diesem Zusammenhang ist auch die ebenfalls von Lance hervorgehobene Tatsache interessant, daß Sandy Berger 2005 rechtskräftig dafür verurteilt wurde, ein Jahr zuvor, in seiner Funktion als offizieller Rapporteur der Clinton-Regierung bei der 9/11- Kommission bei mehreren Besuchen im Nationalarchiv eine Reihe von streng geheimen Dokumente entwendet und vernichtet zu haben. Außer Berger selbst weiß niemand, welche Geheimnisse damit vertuscht werden sollten.

Ein weiterer von Lance ausführlich behandelter Skandal ist der um das Geheimprojekt Able Danger, der im Spätsommer 2005 von Marinekapitän Scott Philpott, dem früheren Leiter der gleichnamigen Rasterfahndungsoperation, und dessen ehemaligem Assistenten Oberstleutnant Anthony Shaffer von der US-Armeereserve ausgelöst wurde. Den beiden Armeeoffizieren zufolge hat man 2000 im Rahmen des zweieinhalb Jahre zuvor ins Leben gerufenen Able-Danger-Programms den späteren, mutmaßlichen Chef der 9/11-Entführer, Mohammed Atta, sowie dessen Gesinnungsgenossen Marwan al-Shehhi, Chalid Al Mihdar und Nawaf Al Hasmi, die sich allesamt schon damals in den USA aufhielten, als Anhänger Abdel Rahmans und als Mitglieder einer sogenannten "Brooklyner Zelle" identifiziert. Als man jedoch diese Erkenntnisse an das FBI weiterleiten wollte, sei man von den eigenen Vorgesetzten - Able Danger war eine Operation der US-Spezialstreitkräfte, des Special Operations Command (SOCOM), mit Sitz in Tampa - daran gehindert worden, so Philpott und Shaffer.

Ende 2005 hat der frühere SOCOM-Oberbefehlshaber Hugh Shelton, der 1997 zum Generalstabschef der USA befördert wurde, öffentlich bestätigt, kurz vor seinem Umzug von Florida nach Washington die Einrichtung von Able Danger angeregt zu haben. Sowohl Philpott und Shaffer als auch der republikanische Kongreßabgeordnete Kurt Weldon, dem sich die beiden Offiziere anvertraut hatten, behaupteten, nach den Flugzeuganschlägen die 9/11-Kommission über Able Danger informiert und sich später darüber gewundert zu haben, daß im Abschlußbericht nichts zu diesem Thema zu finden war. Diese Vorwürfe haben alle drei Männer unter Eid vor einem Ausschuß des Kongresses, dafür jedoch unter Ausschluß der Öffentlichkeit, wiederholt.

Im seinem Buch erwähnt Lance ebenfalls die Affäre um die frühere FBI- Übersetzerin Sibel Edmonds, geht jedoch leider nicht ausführlich darauf ein, vermutlich weil deren Vorwürfe seiner Theorie von den stümpferhaften, aber nicht mutwilligen Fehlern des US- Sicherheitsapparats widersprechen. Edmonds wurde im Frühjahr 2002 vom FBI entlassen, nachdem sie Spionage im zentralen Übersetzungsbüro und Kontakte zwischen ausländischen Geheimdiensten, hochrangigen Mitgliedern der außenpolitischen Elite in Washington und Personen im Drogen- und Schmugglermilieu, in dem die mutmaßlichen Flugzeugentführer vom 11. September verkehrten, entdeckte und diese ihren Vorgesetzten meldete. Obwohl der Generalinspekteur des Justizministeriums nach eigenen Ermittlungen die Vorwürfe Edmonds' für begründet erklärte, hat sich der Oberste Gerichtshof der USA geweigert, die Klage der Iranisch-Amerikanerin gegen ungerechte Entlassung zuzulassen, nachdem zuvor die Bush-Regierung das Argument der "nationalen Sicherheit" geltend gemacht hatte.

So gesehen zieht Peter Lance mit der These, wonach Ali Mohamed die CIA, die Green Berets und das FBI "unterwandert" hat und es Patrick Fitzgerald versäumt hat, ihn aufzuhalten, möglicherweise den ganzen Komplex von der falschen Seite auf. Lance ist jedoch geschickt genug, das eigentlich wahrscheinlichere Szenario der Unterwanderung höchster islamistischer Kreise durch einen zu allem entschlossenen Agent provokateur dem aufmerksamen Leser zwischen den Zeilen durchschimmern zu lassen. Zur Zeit Ali Mohameds in Fort Bragg war dessen unmittelbarer Vorgesetzter als Leiter der Abteilung für Nahoststudien an der JFK-Schule für Sonderkriegsführung Norvell "Tex" De Atkine. Als US-Militärattaché in Amman nahm De Atkine 1970 am Schwarzen September, als das jordanische Königshaus zusammen mit der muslimischen Bruderschaft die palästinensische Aufstandsbewegung niederschlug, teil. Darüber hinaus soll er - welch ein Zufall - zehn Jahre später auf der Tribüne gewesen sein, als Sadat von Al Zawahiris EIJ ermordet wurde. Wenig überraschend bewegt sich De Atkine, der inzwischen als Experte auf dem Gebiet des arabischen Militärwesens gilt, publizistisch in denselben neokonservativen Kreisen wie Daniel Pipes und Paul Wolfowitz, die in den USA nach dem Ende des Kalten Krieges nicht schnell genug die abhanden gekommene, "rote" Bedrohung durch eine "grüne", sprich islamische, ersetzen konnten.

Nicht umsonst hält Linda Sanchez, die von Peter Lance für dessen Buch ein exklusives Interview gegeben hat, ihrem seit 2001 verschwundenen Ehemann die Treue. Lance zitierte Ali Mohameds amerikanische Gattin, die keine Muslimin, sondern Christin ist, unter anderem mit den zum Nachdenken anregenden Worten: "Er hat viel gutes für die Regierung getan. Eines Tages werden Sie die ganze Wahrheit erfahren, aber ich kann nicht darüber diskutieren."

27. März 2007


Peter Lance
Triple Cross
How bin Laden's Master Spy Penetrated the CIA, the Green Berets and
the FBI - and Why Patrick Fitzgerald Failed to Stop Him
Regan Books, Los Angeles, 2006
639 Seiten
ISBN-10: 0-06-088688-9
ISBN-13: 978-0-06-088688-2