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REZENSION/293: Aufgabensammlung zur Übung und Wiederholung - Mathematik (SB)


Helmut Postel


Aufgabensammlung zur Übung und Wiederholung

Mathematik



Wann befaßt sich ein Schüler der achten, neunten oder zehnten Klasse zur Verbesserung seiner Leistungen in Mathematik mit einer eigenen Aufgabensammlung neben den Übungsaufgaben, die er in dem im Unterricht verwendeten Mathematikbuch finden kann? Ließe sich diese Frage eindeutig beantworten, stände Pisa sicherlich nicht mehr zur Diskussion. Der Verlag Schroedel legt mit der Aufgabensammlung zur Übung und Wiederholung von Helmut Postel die Hürde für eine nicht von außen angestoßene Zuwendung des Schülers zum Lehrstoff jedoch so niedrig, wie es sich Lehrer, Eltern und natürlich auch der Lernende nur wünschen können.

Verlag und Autor haben sich zu drei klar auszumachenden Kompromissen entschieden, die in der Summe die didaktische Qualität des vorliegenden Übungsbuches ausmachen.

Selbstverständlich lassen sich problemlos Tausende Mathematikaufgaben bei geringfügiger Abwandlung der in jedem Lehrbuch vorhandenen Übungen zusammenstellen, doch könnte man eine derartige Sammlung keinem Schüler in die Hand drücken, daß er ab nun daraus freudig lerne. Die vermeintlich schiere Masse des Stoffs wird ihn überwältigen. Ein gänzlicher Verzicht auf Übungsaufgaben andererseits dürfte den Schüler auch nicht weiterbringen. Postel hat sich dafür entschieden, den Übungsstoff der "Klassen 8 bis 10 der Realschulen und Gymnasien, der mittleren höheren Leistungskurse in den Gesamtschulen" sowie "der Sekundarstufe II" auf 120 Seiten (mit Lösungen 151 Seiten) unterzubringen. Damit entfallen auf ein Thema wie Potenzen mit ganzzahligen Exponenten drei Seiten, die in jedem Fall überschaubar sind, bewältigbar erscheinen und nicht von vornherein entmutigen.

Aus demselben Grunde darf ein Übungsbuch auch nicht wie ein konventionelles Mathematiklehrbuch daherkommen, mit festem Einband, schwer an Gewicht und vollgestopft mit fremder Symbolik und Leistungsforderungen. Demgegenüber unterläuft der Schroedel-Verlag mit der Ausgestaltung seiner Aufgabensammlung geradezu die Abneigungsschwelle des Schülers. Das Bändchen unterscheidet sich wenig von der Kladde, in die er seine Übungen einträgt - ebenso schmal, ein ähnliches Format, flexibler Deckel, kaum ein anderes Merkmal, als daß es rot ist. Da bewegt sich der Schüler von Anfang an auf vertrautem Terrain. Dieser Entwurf wird im Layout der Seiten fortgesetzt. Die Verteilung der Aufgaben hinterläßt einen Eindruck, als ob der Setzer sich bemüht hätte, möglichst viele Übungen unterzubringen, allerdings ohne sie zu sehr aneinanderzudrängen oder ungeordnet über das Blatt zu verteilen. In einem anderen Zusammenhang wirkte so etwas vielleicht unseriös, hier mindert es den Unterschied zwischen Arbeitsheft und Aufgabendarstellung. Abgesehen davon wurden strukturierende Elemente im Layout durchaus eingehalten. So stehen Definitionen und abstrahierende Hinweise immer in deutlich umrandeten Textfeldern, welche die gesamte Breite der Seite ausfüllen, während sich die blau hinterlegten, typischen Beispielrechnungen stets rechts auf der Seite finden. Auch die übergroßen Seitenzahlen an exponierter Stelle belegen, daß die Gestalter mit Bedacht vorgegangen sind.

Den dritten Kompromiß ging der Autor mit der Gewichtung von theoretischem Überbau, Beispielrechnungen und Aufgabenstellungen ein. Die formalen Definitionen kann man sich anschauen, muß es in vielen Fällen aber nicht. Zudem müßte die von der Mathematik unabhängige Symbolik in Form von Zuordnungspfeilen eigens erschlossen werden. Selbsterklärend sind sie nicht immer. Praktisch sind hingegen die Beispielrechnungen, die in den nebenstehenden Aufgaben leicht variiert werden. Auch hilft, daß Fremdworten der jeweilige deutsche Begriff in Klammern zugeordnet wurde, und zwar nicht nur innerhalb der Definitionen, sondern auch mehrfach wiederholt im Zusammenhang mit den Aufgabenstellungen.

Selbstverständlich bietet Postel für jede Aufgabe die richtige Lösung an, Lösungswege aber finden sich im Anhang kaum. Für den Schüler, der den Stoff beherrscht, ist das kein Problem. Er kann sich hinten im Buch seine Bestätigung holen. Was aber macht ein Schüler, der zwei- oder dreimal zu einem anderen Ergebnis als die Vorgabe gekommen ist? Er kann noch einmal Definitionen und Methoden in seinem Lehrbuch nachschlagen, seinen Rechenweg analysieren und beides in ein Verhältnis setzen oder er wendet sich mit der Bitte um Rat an eine andere Person, bei der es sich aber nicht um den Mathematiklehrer handeln kann, weil dieser seine Aufgabe bereits erfüllt hat. Weniger scharf akzentuiert schreibt Postel dazu im Klappentext:

Die Aufgaben dienen als zusätzliches Übungsmaterial parallel zum Unterricht sowie der gezielten Wiederholung an späterer Stelle, wenn im Unterricht auf bereits vermittelte Fertigkeiten und Fähigkeiten zurückgegriffen werden muss.

Konkret heißt dies, ohne einen Nachhilfelehrer kann die Aufgabensammlung nicht gewinnbringend genutzt werden. Den Nachhilfeunterricht unterstützt das Bändchen jedoch vorzüglich. Die Nachhilfestunde bekommt etwas Autarkes, eine Bedeutung neben dem Schulunterricht, wenn der Nachhilfelehrer sagen kann: Nimm mal unser rotes Buch heraus, mit welchen Aufgaben hast du dich befaßt? Abgesehen davon können Absprachen zu Hausaufgaben kurz gehalten werden, weil eine unmittelbare Wiederholung der Schulaufgaben ausgeschlossen ist.

Eine Kritik an der Aufgabensammlung Mathematik des Schroedel-Verlags träfe immer auf die erwähnten Kompromisse, die nicht deren Manko ausmachen, sondern ihre Qualität. Zum Beispiel fehlt gegenüber einem regulären Lehrbuch ein Register. Dieses hätte das absichtlich sparsam gehaltene Bändchen zum einen erweitert und zum anderen erfordert, Schulformen übergreifende Begriffe zu integrieren. Dann hätte sich der Lernende in jedem Fall mit Worten konfrontiert gesehen, die im Unterricht gar keine Verwendungen finden. Demgegenüber war der Verzicht auf ein Register die bessere Lösung. Ähnliches ließe sich auch inhaltlich sagen. Mathematisch gesehen ist es vielleicht unsauber, einen Begriff wie Zinsfaktor nicht zu definieren, im Umgang mit den zugehörigen Aufgaben erschließt er sich ebenso von selbst wie beispielsweise das Gleichungsprinzip, welches implizit mit der Einführung der Bruchzahlen vorgestellt wird.


Helmut Postel
Aufgabensammlung zur Übung und Wiederholung
Mathematik
Neubearbeitung
Schroedel Diesterweg Bildungsmedien GmbH & Co. KG, Hannover, 1998
ISBN 3-507-73221-1

7. Dezember 2005