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REZENSION/286: DUDEN Basiswissen Schule - Kunst (Lexikon) (SB)


Duden


Kunst - Basiswissen Schule

7. Klasse bis Abitur



Der Kunstduden für das Basiswissen Schule bietet mit seinen sieben Kapiteln einen guten Einblick in die verschiedensten Kunstbereiche. Mit der Aufteilung in Kunstgeschichte, Malerei, Grafik, Plastik, Architektur, Produkt-Design und Medien präsentiert der Duden einen Querschnitt, der einem modernen Schüler den Zugang zu einem umfangreichen Basiswissen ermöglicht. Die beigefügte CD-Rom erweitert den Wissensbereich mit mehreren Hundert zusätzlichen Themenbeiträgen zudem um ein Vielfaches.

Die für einen Schüler auf den ersten Blick schier unermeßliche Fülle an Informationen wird jedoch gut strukturiert dargeboten. Viele kleine Abbildungen, Fotos, Graphiken, Diagramme und Tabellen lockern das von Schülern möglicherweise als trocken empfundene Thema der Kunsttheorie in angenehmer Weise auf.

Zur leichteren Nutzung als Arbeitsmittel wird bereits im Klappendeckel erläuternd dargestellt, wie der Text aufgebaut ist, wofür die Symbole stehen, welche Bedeutung die Randbemerkungen haben und wo weiterführende Hinweise zu finden sind.

Auch das Inhaltsverzeichnis ist durch farbige Hervorhebung der Themen und fettgesetzte Titel übersichtlich gestaltet. Zudem bestehen die Abschnittstitel fast gänzlich aus Einzelworten, so daß keinerlei Unklarheit über den Inhalt entstehen kann.

Der Fließtext des Dudens ist durchgängig verständlich formuliert. Die Sätze sind nicht übermäßig lang und auch nicht mit Fremdwörtern überfrachtet. Allerdings drücken sich nicht alle zehn Autoren gleichermaßen geschickt aus. Wie ungeschliffen die ansonsten lobenswert einfach gehaltene Sprache an manchen Stellen wirkt, verdeutlicht dieses Zitat:

Eine besondere Stellung innerhalb des Porträts ist das SELBSTBILDNIS, das der Künstler von sich selber macht. Es hat einen hohen Aussagewert über die persönliche Selbsteinschätzung und repräsentiert die Stellung des Künstlers in der Gesellschaft. Es spiegelt Wesensmerkmale, Eigenschaften und Stimmungen zu einem bestimmten Zeitpunkt wider. (S. 233)

Man sollte annehmen, daß Schüler ab dem 12. Lebensjahr durchaus wissen, daß eine Selbsteinschätzung immer von persönlicher Natur ist. Zudem stimmt es faktisch nicht, daß ein Selbstbildnis in allen Fällen die Stellung eines Künstlers in der Gesellschaft repräsentiert. Rembrandt Harmensz. van Rijn beispielsweise hat sich in unterschiedlichen Verkleidungen porträtiert. Darüber hinaus gibt es viele Maler, die sich in ihrem Atelier in lockerer Arbeitskleidung abgebildet haben, an der man bestenfalls ihre Zunftzugehörigkeit, nicht aber ihren sozialen Status ablesen kann.

Hin und wieder fehlt es der Themenaufbereitung verschiedener Kapitel an sorgfältiger Recherche. Abgesehen von sensationsheischenden Schlagwörtern, die vielleicht ein mangelndes Interesse des Schülers wecken sollen, werden verschiedenartige Interpretationen herangezogen und in unzulässiger Weise miteinander vermengt.

Da wird zum Beispiel auf den ersten Dudenseiten die Höhlenmalerei vorgestellt. Für Schüler ist es sicherlich interessant, daß in diesem Zusammenhang die steinzeitlichen Lebensumstände anschaulich dargestellt werden. Die Schüler sollen sich vermutlich in das Dasein der Menschen vor etwa 30.000 Jahren v. Chr. hineinversetzen und somit auch die Anfänge von Kunst im europäischen und nordafrikanischen Gebiet leichter begreifen. Auch ist es für Jugendliche sicherlich spannend, Thesen kennenzulernen, die über den Entstehungshintergrund von Höhlenmalerei spekulieren. Doch in diesem Zusammenhang Totemismus heranzuziehen oder Schamanismus als eine Technik der Ekstase anzuführen, kann nur aufgrund von Vermengung und unzulässiger Verknüpfung von Vermutungen geschehen. Es werden somit kulturgeschichtlich wesentlich später stattfindende Entwicklungen aus geographisch weit voneinander entfernt liegenden Gegenden (Schamane - tungusischer Stammesangehöriger; Totem - indianische Vorstellungswelt) unzulässigerweise als Erklärungsmodell für Höhlenmalerei im europäischen Raum herangezogen.

Auch bei weiteren Thesen über kultischen Tanz, Ahnengeister und rituelle Handlungen kann es sich lediglich um Rückschlüsse aus einer modernen Zeitepoche handeln, die die Verbindung zu ihren Wurzeln schon lange vor der Geschichtsschreibung durchtrennt hat.

Den Schülern aber wird mit diesen unzutreffenden Schlagworten ein Schubladendenken aufgedrängt, dem sie sich kaum entziehen können.

Daß in diesem Duden das Augenmerk nicht immer auf didaktische Stringenz gelegt wurde, zeigt sich noch an anderen Stellen, an denen der Inhalt schlecht aufbereitet ist. Beispielsweise werden im Abschnitt `Kunst des Mittelalters' (S. 47) "Fensterrosen" als Leitmotiv der gotischen Kathedralen im 13. Jahrhundert eingeführt. Leider findet sich zwischen den Abbildungen und Zeichnungen auf jener Seite keinerlei Darstellung einer Fensterrose. Erst auf der folgenden Seite wird im nebenherein eine "Hauptrosette" erwähnt. Dem Schüler bleibt es nun überlassen, diese Hauptrosette mit den Fensterrosen gleichzusetzen und sie aus dem unbeschrifteten Foto einer Kathedrale herauszusuchen. Natürlich gibt es dann immer noch den Lehrer, den er fragen könnte - aber welcher Schüler geht einer derartigen Frage soweit nach?

Des weiteren ist es manchmal schwierig, die Logik des inhaltlichen Aufbaus nachzuvollziehen. Unter dem Titel "Physiologische Grundlagen" (S. 175) folgt der Abschnittstitel: "Das Auge". Darunter wird dem Schüler ein roter Merkkasten präsentiert, dessen Inhalt den Begriff der ÄSTHETIK definiert und ihn als Teilgebiet der Philosophie kennzeichnet. Dieser große Bogen wird geschlagen, um darauf hinzuweisen, daß die Ästhetik die Wahrnehmung "als einen subjektiven Erkenntnisprozeß über menschliche Sinnesorgane" untersucht. Erst dann wird auf die physiologischen Grundlagen der Augen eingegangen.

Sinnvoller wäre es sicherlich gewesen, den Bogen zur Ästhetik am Ende des physiologischen Exkurses über Netzhaut, Stäbchen und Zäpfchen zu schlagen.

Die Verknüpfung von Kunst und Politik, die die Autoren in den Erläuterungstexten durchaus haben mit einfließen lassen, entspricht einem staatskonformen Meinungsbild. Zwar halten sie sich mit aktueller Meinungsäußerung sehr zurück, aber erläutern die jeweiligen Herrschaftsstrukturen, in denen die Kunst jener Jahrhunderte stattfindet. Die Triumpfgemälde zu Ehren vorchristlicher Feldherren werden ebenso erwähnt wie die Einflüsse der Französischen Revolution auf die Entwicklung der Kunst weg von der höfisch-adligen Propagandakunst hin zur Darstellung der persönlichen Weltsicht der Maler.

Selbst dem Nationalsozialismus wird ein ganzer Abschnitt gewidmet, in dem die Ziele seiner Kulturpolitik anhand von Goebbelszitaten und einer neu geschaffenen Reichskulturkammer erläutert werden.

Auch die Kunst in der ehemaligen DDR wird beschrieben und als Sozialistischer Realismus mit Vertretern aufgezeigt. Daß der Autor allerdings eine Aversion gegen den damaligen Ostblockstaat hat, wird unterschwellig ausgedrückt. Die Konnotation der Auslegungen beinhaltet stromlinienförmige Kritik. So wird in der Beschreibung der Kunst nach 1945 zwar gesagt, daß sich die beiden neugegründeten deutschen Staaten nach 1949 am Beispiel ihrer Besatzungsmächte orientierten. Daß aber im Westen die "Freiheit der Kunst" proklamiert wurde, während "im Osten weithin staatliche Bevormundung" herrschte, beziehungsweise waren die Künstler von "Regierungsseite dazu verpflichtet, für jedermann verständliche Kunstwerke zu schaffen, deren Themen lange Zeit vor allem die Darstellung des Wiederaufbaus nach dem Krieg und des glücklichen Lebens im Sozialismus waren." (S. 146).

Da fragt sich der gewiefte Schüler doch, wo die Freiheit der Kunst geblieben ist, da sich die Malerei der westdeutschen Künstler nach dem Krieg überwiegend an den USA orientierte.

Mit der Auswahl des Kapitelthemas `Produkt-Design' kamen die Autoren dem Interesse der Jugendlichen von heute nur auf denjenigen Bahnen entgegen, wie sie dem vorherrschenden System der kapitalistischen Marktwirktschaft nützlich sind. Da die Menge an Konsumartikeln ein nahezu gigantisches Ausmaß angenommen hat, ist auch ein großes Berufsfeld in Form von Produkt-Design entstanden. Die Dekoration von Konsumartikel ist offenbar von derart großem Interesse, daß das Kapitel `Produkt-Design' im Seitenumfang nur geringfügig unterhalb des Architekturkapitels steht und dasjenige über Medien zweieinhalbmal übertrifft.

Die Ausführungen zu Printmedien sind hingegen leider sehr knapp gehalten und ohne Beispiele belassen. Lediglich die Grundlagen über das Layouten und verschiedene Schrifttypen sind tabellarisch und in Diagrammen aufgeführt.

Daß Jugendliche ab 12 Jahren eventuell Interesse an Graffiti oder Comics haben könnten, wird in diesem Schülerduden allerdings nicht aufgegriffen. Zwar werden Graffiti als moderne Form der prähistorischen Höhlenmalerei erwähnt, aber keineswegs als eine mögliche Kunstform akzeptiert. Dabei wäre es sicherlich auch für Jugendliche faszinierend, wie der Bogen von der Höhlenmalerei über pompejianische Wandinschriften zu Freskenmalerei oder Sgrafitto gespannt werden kann.

Fazit

Die handliche Größe des Dudens und die gute Papierqualität der 400 Buchseiten sprechen für ein funktional auf Beanspruchung ausgerichtetes Lexikon. Damit sich jeder Schüler ab Sekundarstufe I dieses Nachschlagewerks bedienen kann, haben sich die Autoren um eine einfache Sprache bemüht. Auch Merksätze, Tabellen und Graphiken erweisen sich als Lernhilfen und gewähren eine schnell zu erfassende Übersicht.

Bedauerlicherweise läßt die Sorgfalt der Text-Bearbeitung zu wünschen übrig. Neben Tipfehlern und Auslassungen bei Beschriftungen wird bisweilen auch didaktische Schlüssigkeit vernachlässigt.

Daß die leicht konservative politische Überzeugung der Autoren in den Texten untergebracht ist, wird sich bei einem Schülerduden wahrscheinlich gar nicht vermeiden lassen, denn die Schüler sollen schließlich im staatstragenden Sinne erzogen werden.

Die Darstellung der Kunstgeschichte ist leider auf den europäischen und nordafrikanischen Raum beschränkt, doch es wäre einem Abiturienten zu wünschen, daß er auch chinesische, japanische oder altamerikanische Kunst, vielleicht sogar die Kunst der Sumerer, Babylonier oder Phönizier während der Schulzeit kennenlernt.

Das Basiswissen der Kunst für Schüler ab der 7. Klasse wird in diesem Duden zwar übersichtlich und leicht erlernbar präsentiert, aber es birgt aufgrund der dargebrachten Inhalte und Beispiele die Gefahr, daß den jungen Leuten lediglich eine Reihe von Prototypen der Kunst geboten und dem Denken in Kategorien Vorschub geleistet wird.

19.10.2005


Duden
Kunst - Basiswissen Schule
7. Klasse bis Abitur
DUDEN PAETEC Schulbuchverlag
Berlin / Frankfurt a. M., 2005
400 Seiten
ISBN 3-898 18-730-6