Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → SACHBUCH

REZENSION/254: Hopsicker - Barry & the Boys (CIA, Mafia, Drogenkrieg) (SB)


Daniel Hopsicker


Barry and the Boys

Barry Seal, eine Schlüsselfigur der amerikanischen Geheimgeschichte



Seit der Veröffentlichung von "Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9.", dem zweiten erfolgreichen Enthüllungsbuch von Matthias Bröckers zu den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001, dürfte nicht wenigen Politikinteressierten in Deutschland der Name Daniel Hopsicker ein Begriff sein. Dem 2003 erschienenen Buch von Bröckers und dessen Mitautor Andreas Hauß hatte der Verlag Zweitausendeins einen ganz besonderen Leckerbissen auf CD beigefügt, nämlich den spannenden Dokumentarfilm "Mohammed Atta and the Venice Flying Circus", in dem der amerikanische Journalist Hopsicker die von ihm zutage geförderten Informationen über die rätselhafte Ausbildung Hunderter arabischer Flugschüler, darunter auch der Mehrzahl der mutmaßlichen "Todespiloten" des 11. September, an insgesamt zwei Flugschulen im Sonnenstaat Florida vorlegte, deren Betreibern dunkle Verbindungen zur CIA, zur Mafia und zum Bush-Clan nachgesagt werden.

2004 gab dann Zweitausendeins die Dokumentation "Welcome to Terrorland - Mohammed Atta und seine amerikanischen Helfer" heraus, mit dem Hopsicker die spektakulären Ergebnisse seiner fast zweieinhalbjährigen Recherche in Florida über die Flugausbildung der sogenannten "Kamikaze-Piloten" vom 11. September präsentiert. Die von Hopsicker in mühsamer Detektivarbeit aufgedeckten, im Widerspruch zu den FBI-Angaben über die Hintergründe von Atta und Co. stehenden Fakten wären geeignet gewesen, die offizielle Verschwörungstheorie auszuhebeln. Demnach war Atta, der einstige Student der Technischen Hochschule Harburg, überhaupt kein "Moslemfanatiker", sondern eine dem Alkohol und leichten Mädchen zugeneigte Randfigur bei dunklen CIA- und Mafia-Geschäften, bei denen es um Waffen, Drogen und verdeckte Operationen diverser Art ging.

Durch die Enträtselung der Chiffre "Atta" mit ihren Verbindungspersonen in den USA ist es Hopsicker gelungen, den fließenden Übergang vom "Antidrogenkrieg" zum "Antiterrorkrieg" nachzuzeichnen. Die Tatsache, daß Hopsickers äußerst beunruhigenden Erkenntnissen zum Thema 11. September in Deutschland viel größere Aufmerksamkeit zuteil wurde als im Heimatland des Autors selbst, wo rund 3000 unschuldige Bürger ermordet worden waren und folglich der Wunsch nach Aufklärung am größten hätte sein müssen, bestätigt nur die These der Millionen Skeptiker auf der Welt, die im Antiterrorkreuzzug der USA einen der politischen Elite in Washington genehmen wie allzu durchsichtigen Vorwand zur innenpolitischen Repression und außenpolitischen Militärintervention zu erkennen meinen und deshalb eine Verwicklung der Regierung George W. Bushs in die Flugzeuganschläge vermuten.

Für die Recherche über die Aktivitäten der mutmaßlichen 911- Attentäter in Florida war Hopsicker besonders prädestiniert - und das nicht nur, weil seine Eltern jahrelang ausgerechnet in dem abgelegenen Rentnerparadies Venice wohnten, wo drei der vier "Kamikazeflieger" des 11. September an zwei Schulen Flugunterricht genommen hatten. Der gelernte Wirtschaftsredakteur hatte für die Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders NBC Berichte und Reportagen produziert, bis er Mitte der neunziger Jahre der Geschichte des 1986 ermordeten Drogenschmugglers und CIA-Agenten Barry Seal und dessen sagenumwobenen, von dem Gouverneur William Jefferson Clinton und dem US-Vizepräsidenten George Bush sen. gedeckten Umtriebe auf dem Flugplatz Mena im Bundesstaat Arkansas nachging.

Ungeachtet der von den Republikanern kurz nach dem Einzug des Demokraten Clinton ins Weiße Haus ins Rollen gebrachten, unsäglichen Whitewater-Affäre wollten weder NBC noch die anderen beiden großen US-Fernsehsender ABC und CBS Hopsickers zweistündiges Feature "The Secret Heartbeat of America" über die verblüffende Karriere Barry Seals ausstrahlen, woraufhin der nun um einige Illusionen ärmere Journalist mit den Konzernmedien brach und seine eigene kleine Nachrichtenagentur mit Namen Mad Cow Productions gründete. 2001 veröffentlichte Hopsicker, der bis heute auch regelmäßig für eher kleine, aber angesehene US-Publikationen wie die American Free Press und das Online Journal schreibt, in den USA seine umfassende Seal- Biographie unter dem Titel "Barry & 'the Boys' - the CIA, the Mob and America's Secret History". Dieses enorm aufschlußreiche Buch, dessen Detailangaben die Plausibilität der von Hopsicker vertretenen, nicht- staatskonformen Bewertung der Rolle Mohammed Attas beim 11. September in nicht geringem Ausmaß erhöhen, hat Zweitausendeins vor wenigen Wochen als "Barry und die Boys -Barry Seal, eine Schlüsselfigur der amerikanischen Geheimgeschichte" erstmals in deutscher Übersetzung herausgebracht.

Zur politischen Relevanz der Geschichte Barry Seals meint Hopsicker, dessen Karriere habe "an einem Schnittpunkt von Drogenhandel, CIA- Machenschaften, dem Iran-Contra-Skandal und geheimen politischen Abmachungen" gelegen, "die ein schlechtes Licht auf den Zustand der amerikanischen Demokratie" würfen. Über den einst größten Drogenschmuggler der Welt, der nach amtlichen Berechnungen Kokain im Wert zwischen drei und fünf Milliarden Dollar von Kolumbien in die USA geflogen haben soll und nach dessen Tod das Finanzamt in Washington bei seiner Ehefrau Deborah 89 Millionen Dollar Steuerschulden einzutreiben versuchte, nur um später die Summe wegen Seals früherer "Beschäftigung bei der CIA und der DEA" auf ein Drittel zu reduzieren, schreibt Hopsicker zusammenfassend:

Seal war (wie übrigens Lee Harvey Oswald auch - Anm. d. Red.) ein Schüler von David Ferrie, den Bezirksstaatsanwalt Jim Garrison der Verschwörung zur Ermordung von Präsident John F. Kennedy anklagte. Vielleicht hatte der junge Pilot sogar Kontakte zum engeren Verschwörerzirkel, der das Attentat verübte, und flog wirklich ein Fluchtflugzeug aus Dallas. Er war auf jedem Fall einer der amerikanischen Piloten bei der Schweinebucht-Invasion und wurde später wegen versuchten Sprengstoffschmuggels an Exilkubaner in Mexiko verhaftet - aber nicht verurteilt. Er schmuggelte danach mit Duldung der Behörden Drogen auf eigene Rechnung und für mindestens zwei Kartelle. Er wurde wieder nicht verurteilt. Er arbeitete als verdeckter Drogenagent für die DEA, um die Sandinisten als 'Drogenterroristen' zu überführen und der Reagan- Regierung einen Vorwand für die Unterstützung der eigentlichen Terroristen zu liefern: der im CIA-Auftrag von argentinischen Mordexperten ausgebildeten, durch Drogenhandel finanzierten Contras. Und er schmuggelte im Auftrag von Oliver North und der CIA Waffen an sie und Drogen zurück in die USA. (S. 415)

Wer heute "Barry und die Boys" liest, versteht besser, wo der bei "Welcome to Terrorland" angeschlagene, ironische Ton des Autors herrührte. Bei den jahrelangen Recherchen über die Rolle des ehemaligen Green Beret und TWA-Piloten Seal im "mittleren Management" der amerikanischen "Schattenregierung" hat Hopsicker nach eigenen Angaben eine "Geisterbahnfahrt durch die geheimsten Winkel" der USA, "eine Reise in ein Schattenreich, wo ebenso unglaubliche wie böse Dinge geschehen", gemacht und dabei den "Glauben an das bodenständige, tüchtige, naive, unschuldige Amerika für immer" verloren. Offenbar kann man all das, was Hopsicker im Laufe der letzten Jahre für sich entdeckt und im vorliegenden Buch beschreibt, nur ertragen, wenn man dabei nicht den Sinn für Humor verliert. So unglaublich die hier in schonungsloser Präzision skizzierte "Geheimgeschichte" Amerikas seit Mitte der fünfziger Jahre anmuten mag, so stützt sich diese doch auf Gerichtsdokumente, offizielle Untersuchungsergebnisse, die weltweit anerkannte Arbeit von Forschern wie Michael Levine, Alfred W. McCoy, Roger Morris, Peter Dale Scott und Gary Webb wie auch auf die vielen Interviews, die Hopsicker mit Beteiligten auf beiden Seiten des Gesetzes durchgeführt hat.

Meisterhaft legt Hopsicker die vielen Verbindungen zwischen der gescheiterten Schweinebucht-Invasion 1961, der Ermordung von John F. Kennedy 1963, dem Sturz Salvador Allendes 1973, dem Rücktritt Richard Nixons infolge der Watergate-Affäre 1974, der von CIA und Pentagon unterstützten, zur Ausschaltung linker Oppositioneller konzipierten Operation Condor im Südamerika der siebziger Jahre und der von Washington tatkräftig geförderten Aufstandsbekämpfung in Mittelamerika der achtziger Jahre frei und bringt dem Leser auf kurzweilige Weise diese überaus wichtigen Episoden der US- Imperialgeschichte nahe. Trotz der fast erdrückenden Menge an brisanten Fakten bleibt "Barry und die Boys" bis zum Schluß so spannend wie einer von James Ellroys Detektivromanen, den man gar nicht aus der Hand legen möchte.

Zwar mag Barry Seal 1986 unter mysteriösen Umständen einem Attentat zum Opfer gefallen sein, doch seine Geschichte hat keineswegs an Aktualität verloren. Nicht wenige der "Boys", mit denen Seal zu tun hatte und die deshalb im Buch Erwähnung finden, üben in den USA heute noch Macht und Einfluß aus. John Negroponte, der einst als US- Botschafter in Honduras die illegale, zum Teil mit Drogengeldern finanzierte Hilfe der Regierung Ronald Reagans für die rechtsgerichteten Contras im Kampf gegen die Sandinisten in Nicaragua deckte, wird dieser Tage in Washington als erste Person in das neugeschaffene, enorm wichtige Amt des National Intelligence Director (NID) eingeführt. Der kubanische Ex-Polizist, Che-Guevara-Henker und mutmaßliche JFK-Attentäter Félix Rodríguez, der sowohl in die Schweinebucht-Operation sowie in die Iran-Contra-Affäre verwickelt war und den Hopsicker als "einen der erfolgreichsten Auftragsmörder der CIA" bezeichnet, hat vor kurzem bei einem Interview mit einem spanischsprachigen Radiosender in Miami mit der Erklärung für Aufregung gesorgt, die USA könnten sich bald gezwungen sehen, militärische Maßnahmen gegen die Regierung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu ergreifen.

Eine nicht unwichtige Position in der von Hopsicker umrissenen Schurkenriege nehmen die Bushs ein. Er geht zum Beispiel deutlichen Hinweisen nach, wonach sich Präsident George W. Bush und sein Bruder Jeb, der Gouverneur von Florida, in jüngeren Jahren ebenfalls am karibischen Drogenschmuggel beteiligt haben. Ab 1984 stand Barry Seal nachweislich in Verbindung mit der Antidrogenkommission von Vizepräsident George Bush sen., dem er mit fingierten Beweismitteln für eine angebliche Zusammenarbeit zwischen dem Medellín-Kartell Pablo Escobars und der sandinistischen Regierung in Managua propagandistisch helfen konnte. Nur wenige Tage nachdem Seal gegenüber dem Ex-CIA-Chef Bush damit gedroht haben soll, mit seinem Wissen über die dubiosen, damals noch geheimen Aktivitäten von Washingtons Schattenkriegern in Mittelamerika an die Öffentlichkeit zu gehen, wurde der 46jährige Pilot, von Kugeln durchsiebt, in seinem Auto tot aufgefunden. Zwei Wochen später wurde Seals C-123- Frachtflugmaschine mit dem CIA-Mann Eugene Hasenfus an Bord über Nicaragua abgeschossen. Der Iran-Contra-Skandal hatte begonnen.

29. März 2005


Daniel Hopsicker
Barry and the Boys -
Barry Seal, eine Schlüsselfigur der amerikanischen Geheimgeschichte
Aus dem Englischen von Traven Gulliver
Originaltitel: "Barry & 'the Boys' -
the CIA, the Mob and America's Secret History"
Zweitausendeins Verlag, Frankfurt am Main 2005
564 Seiten
ISBN 3-86150-727-7