Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → SACHBUCH

BUCHBESPRECHUNG/130: Anette Zoch - Neben der Spur. Das Fahrradhasserbuch (SB)


Annette Zoch


Neben der Spur

Das Fahrradhasserbuch



Radeln mit angezogener Spaßbremse

Mit ihrem wirklich nett illustrierten "Fahrradhasserbuch" im handlichen Mitbringsel-Format weckt Anette Zoch zunächst das Interesse des nach amüsant-ironischer, vielleicht sogar geistreicher Unterhaltungslektüre ausspähenden Lesers. Dessen erwartungsfrohes Lächeln dürfte sich jedoch schon nach wenigen Seiten ins Säuerliche verziehen, jäh konfrontiert mit der gar nicht amüsanten, dackeldeutschen Empörung der Autorin gegenüber Regelverstößen: "Haben Sie das gewußt? Mehr als ein Drittel der Radfahrer ignoriert rote Ampeln. Und 60 Prozent fahren hin und wieder auf der falschen Straßenseite oder auf dem Gehweg." (S. 8) Ungeheuerlich! Gezielte Unterwanderung der StVO!! Da müssen Strafen her! Und als eben solche bezeichnet, werden auch die jeweiligen Bußgeldangaben unter den verkehrsgottesfürchtig mit "Sünde Nr. 1-7" betitelten Abschnitten über radlerische Ordnungswidrigkeiten angeführt.

Zum Beispiel: "Sünde Nr. 1: Ampel-Autismus". Gerade noch an geht Zochs von der mitschwingenden Beschwerde um die für echten Witz unerläßliche Leichtigkeit gebrachte Darstellung eines Radfahrers, der rote Ampeln übersieht. Doch die nachfolgende "Erklärung" für sein (Fehl)-Verhalten ist selbst als Pennälerhumor grenzwertig: "Er trägt die ganze Zeit einen inneren Heiligenschein mit sich herum, der so hell und klar leuchtet, dass er alles andere überstrahlt. Der arme Radfahrer ist die ganze Zeit geblendet." (S. 9) Wirklich nicht originell. Aber okay. Gar nicht okay jedoch das unter den "Sünden"-Abschnitten geradezu genugtuerisch fettgedruckte Strafmaß: "STRAFE: 45 BIS 100 EURO PLUS 1 PUNKT IN FLENSBURG". (S. 9) Jawoll! Geschieht ihnen recht! Mehr davon??

Die zunächst noch lachbereiten Mundwinkel des Lesers hängen ihm vor Enttäuschung schon fast auf der Schulter, als er schließlich beim Kapitel "Ein Plädoyer für die Pedalsteuer" anlangt. Endlich ein guter Witz? Heiterer Hintersinn? Mitnichten. Zoch ist es mit der Fahrradsteuer gallebitterernst. Mißgünstig-kleinkrämerische Begründung: "Aber Fahrradfahrer nutzen die Straßen genauso wie steuerzahlende Autofahrer. Und wer bezahlt eigentlich die Radwege? Oder die Fahrradständer an U- und S-Bahn-Stationen?" (S. 54) Warum dann nicht auch eine zusätzliche Fußgängersteuer, wegen der Zebrastreifen und des Abriebs der Gehwege?

Nachdem die Enttäuschung des Lesers hinsichtlich des ausgebliebenen Erheiterungseffekts durch diese espritlose Klischee-Collage voll schlecht verborgener Spießermoral ("In Wirklichkeit ist sie notorisch verplant, chronisch verspätet..." (S. 26)) ihren Tiefpunkt erreicht hat, heben sich die Mundwinkel langsam wieder bei dem Gedanken, das zunächst so frisch-fröhlich anmutende Büchlein jemandem zu schenken, den er absolut nicht leiden kann. Wie herrlich perfide wäre das denn! Wenn der Leser sich in dieser Angelegenheit auch noch der großen Klischeeklatsche von Anette Zoch bediente, käme ungefähr Folgendes dabei heraus: Ein Buchgeschenk für den gegen alle Linken und Ausländer hetzenden Taxifahrer aus dem Nachbarhaus und für die Frau vom Bäcker, die den ganzen Tag hinter der Gardine lauert und Falschparker anzeigt. Zu dumm allerdings - und nach einigem Nachdenken liegt diese Möglichkeit doch bedrohlich nahe - wenn denen das Buch supergut gefällt!

23. Juli 2011


Annette Zoch
Neben der Spur
Das Fahrradhasserbuch
(Mit Bildern von Kai Pannen)
Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München 2010
flexibler Einband
96 Seiten
durchgehend farbig illustriert
Euro 9.90 D / 10.20 A / sFR 15.90
ISBN 978-3-8363-0278-4