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BUCHBESPRECHUNG/001: Richard Preston - The Hot Zone (Medizin) (SB)


Richard Preston


The Hot Zone



In einem Interview des National Public Radio am 9.10.94 stellte der amerikanische Autor Richard Preston sein soeben erschienenes Buch 'The Hot Zone' vor, das sich mit dem Ursprung und der Ausbreitung des Ebola-Virus beschäftigt. Das Erlebnis, das ihn zu diesem Thema inspirierte, war ein kurzfristiger Ausbruch der durch diesen Virus bewirkten Erkrankung im Jahre 1989 bei Affen in einem Tierlabor in der Nähe von Washington.

Der Autor beschreibt die Auswirkung des Ebola-Virus auf den menschlichen Körper als drastische Symptomatik einer umfassenden Blutungsneigung, die nicht zu stoppen ist. Der Virus greift alle Gewebe des Körpers bis auf die Skelettmuskulatur und die Knochen an. Das Blut strömt buchstäblich aus allen Körperöffnungen, aus Tränen- und Speicheldrüsen, Brustwarzen, Genitalien, Anus, als ob sich der Körper von innen her verflüssige. Die inneren Organe und das Herz bluten, was zu blutigem Erbrechen führen kann, bevor man an dem Ausfall der Organfunktionen oder an Blutmangel stirbt. Die Haut kann aufreißen und zu bluten beginnen, im Gesicht bilden sich Blutergüsse, und man bekommt einen aus knötchenförmigen Erhebungen bestehenden Ausschlag. Im Extremfall weist das Blut 100 Millionen Viruspartikel pro Milliliter Blut auf.

Es hat bisher erst sehr wenige diesem Virus zugeordnete Epidemien gegeben. 1976 führte der Virusstamm namens Ebola-Zaire am Ebola-Fluß, einem Nebenfluß des Kongo im Regenwald des nördlichen Zaire, zu einer Epidemie in 55 Dörfern der Region. Nur 5 bis 10 Prozent der Dorfbevölkerung erkrankte an dem Virus, doch von diesen überlebte nur jeder zehnte. Der Ausgangspunkt war ein Krankenhaus gewesen, in dem beinahe jeder der Kranken und der Nonnen, die dort arbeiteten, den Folgen der Epidemie erlag.

In den USA hat sich der Virus bisher erst einmal in Primatenlabor in der Nähe von Washington an von den Philippinen importierten Affen gezeigt. Bei der Einfuhr hatte man keine Krankheitsanzeichen feststellen können, als sie jedoch im Labor unter Quarantänebedingungen untergebracht waren, brachen einige zusammen und verbluteten. Der zuständige Tiermediziner konnte den seltenen Virus nicht identifizieren und sandte einige Proben an das United States Army Research Institute of Infectious Diseases in Fort Detrick in Frederick, Maryland. Die Virenexperten der Armee isolierten den Virus und identifizierten ihn als einen Stamm des Ebolavirus.

Das Gebäude, in dem die Affen untergebracht waren, wurde in einer verdeckten Operation, die die Presse abhalten sollte, gegen biologische Verseuchung von Armeeangehörigen und Zivilbeamten sterilisiert. Mehrere von Offizieren angeleitete Teams fuhren in Zivilfahrzeugen vor, parkten hinter dem Gebäude und legten im Innern Schutzanzüge mit eigener Luftversorgung und positiven Innenüberdruck an, der verhindern sollte, daß bei einer eventuellen Öffnung des Anzugs Viren eindringen konnten. Durch eine improvisierte Luftschleuse betraten sie die "heiße Zone", töteten die Affen mit anästhetischen Injektionen und verpackten die Kadaver in spezielle Behälter, die nach einer Sterilisation in eine spezielle Verbrennungsvorrichtung gebracht wurden, wo sie bei 2.000 Grad verglühten. Das Gebäude wurde mit Chlorbleiche so lange gewaschen, bis die Farbe von den Wänden herunter war, anschließend wurden die Räume drei Tage mit giftigen Dämpfen begast.

Als besonders erschreckend stellt der Autor die Beobachtung dar, daß der Virus bei seiner Verbreitung über die Klimaanlage des Gebäudes zu einer in der Luft besser übertragbaren Form mutierte. Dementsprechend erkrankten die noch nicht verbluteten Affen an einer Art Ebola-Grippe, einer extrem schlimmen Erkältung mit blutenden Nasen, aus denen viel Schleim austrat. Bei den vier im Gebäude arbeitenden Personen konnte der Virus zwar nachgewiesen werden, sie erkrankten aber nicht daran und hatten bestenfalls einen unterschwelligen Kopfschmerz. Sie gehören zu den wenigen bekannten Überlebenden einer Ebola-Infektion, und der nach dem Ort des Auftretens benannte Virusstamm ist bisher der einzige, bei dem man einen Unterschied in der Pathogenität bei Mensch und Tier festgestellt hat. Ansonsten wechselt dieser Virus ohne bekannte Einschränkung von Spezies zu Spezies, und der Autor bezeichnet es als besonders glückliche Ausnahme, daß es in diesem Fall zu keiner schweren Epidemie gekommen ist. Seinen Spekulationen zufolge könnte eine Mutation letztlich dazu geführt haben, daß der Mensch in diesem Fall kaum auf den Virus ansprach.

Um die Nachricht über den Vorfall so wenig wie möglich aufzubauschen, arbeitete die Armee eng mit dem Center for Disease Control (CDC) in Atlanta zusammen, mit dem sie alle Pressekonferenzen abhielt. Dadurch wurde verhindert, daß in der Öffentlichkeit bekannt wurde, daß es sich im wesentlichen um eine Operation des Militärs handelte, und auch das sorgfältige Verbergen der auffälligen Überdruckanzüge soll verhindert haben, daß es zu einer Panik bei der örtlichen Bevölkerung kam. Tatsächlich soll es der erste Fall einer publik gewordenen Aktion des Militärs gegen sogenannte Bioverseuchung in den USA gewesen sein.

Zur Frage nach dem Ursprung des Ebola-Virus verweist der Autor darauf, daß viele verschiedene Theorien gehandelt werden. Es wird von Fledermäusen gesprochen, von Pygmäen, die ihn wiederum von ihrer Jagdbeute haben sollen, und der Autor persönlich glaubt daran, daß der Virus aus der biologischen Vielfalt des tropischen Regenwalds entstammt. Durch die immer stärkere Überschneidung dieses biologischen Reservoirs mit dem menschlichen Lebensraum könne es leicht geschehen, daß ein Mensch zum infektiösen Virusträger werde, wozu Preston als klassisches Beispiel den Aids- Virus anführt, der sich von einer Vorform bei Schimpansen zum heute bekannten Aids-Virus beim Menschen entwickelt haben soll. Tatsächlich weiß jedoch niemand etwas über die Herkunft des seltenen Ebola-Virus, mit dem aufgrund seiner Gefährlichkeit nur auf der Ebene schärfster Sicherheitsvorkehrungen gearbeitet werden darf.

Um sein Buch mit einer interessanten Beschreibung einer vermeintlichen Heimstatt des Virus zu bereichern, reiste der Autor zu einer Höhle im Berg Elgon im Westen Kenias. Er hatte von Leuten erfahren, die diese Höhle besucht hatten und später an schrecklichen Krankheiten gestorben waren, und daher rüstete er sich mit einem Schutzanzug aus, bevor er die Höhle untersuchte. Im Innern fand er entgegen seinen Erwartungen eine Vielzahl von Lebensformen vor. Die Höhle wird von großen Elefantenherden besucht, die mit ihren Tatzen den weichen Fels von der Wand kratzen, um das Salz aus ihm herauszukauen, das im afrikanischen Regenwald schwer zu finden ist. Die verschiedensten Raub- und Herdentiere besuchen die Höhle, und Richard Preston sah ganze Wolken von Insekten hinein- und hinausfliegen. Er betrachtet die Höhle als eine Art Kreuzungspunkt zwischen den verschiedenen Arten, wo der Virus von einem Wirt zum nächsten wechseln kann. Außerdem biete die Höhle gute Lebensvoraussetzungen für die sonnenempfindlichen Viren, da sie dunkel und trocken sei.

Dem Autor, der sich in erster Linie als Journalist und Schriftsteller begreift, geht es mit seinem Buch um die Wiedergabe dramatische Geschichte der Amerikaner, die an der Bewältigung der Virenerkrankung im Primatenlabor bei Washington beteiligt waren. Außerdem macht er sich für eine intensivierte Forschung an Impfstoffen und eine Verbesserung des öffentlichen Impfschutzes stark, und unter Verweis auf die Gefahren des modernen Luftverkehrs, wo jederzeit Seuchen von Kontinent zu Kontinent getragen werden können, fordert er mehr Geldmittel für die epidemiologische Forschung und insbesondere für das CDC. Er greift einen Vorschlag des Institute of Medicine in Washington auf, demzufolge eine ganze Kette von Forschungsstationen in den Dschungeln und Regenwäldern der Welt eingerichtet werden müßte, die das Entstehen und die Verbreitung neuer Viren und Seuchen untersuchen und überwachen könnten. Eine Station dieses Frühwarnsystems für Seuchen Mitte der siebziger Jahre in Zaire hätte nach Ansicht des Autors möglicherweise eine Früherkennung des Aids-Virus ermöglicht und der Welt 10 bis 100 Millionen Tote erspart.

Was die Theorie einer Entstehung der Viren im Regenwald betrifft, so kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Schon das plötzliche Auftreten in einem Krankenhaus und in einem möglicherweise mit der Armee assoziierten Primatenlabor - warum sonst sollte der Veterinär die Proben an die Armee und nicht etwa an das CDC schicken - könnten Anlaß zu beunruhigenderen Schlußfolgerungen bieten. Auch die Frage nach der Zuordnung eines mutierenden und verschiedene Verlaufsformen produzierenden Virus könnte interessante Aspekte aufwerfen, denn möglicherweise läßt sich diese in der dargestellten Eindeutigkeit gar nicht bewerkstelligen.

Daß das Buch gerade zu einem Zeitpunkt erscheint, wo die Frage menschheitsbedrohender Seuchen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, bezeichnet der Autor als erstaunlichen Zufall. Vielleicht könnte man aber auch sagen, daß die relative Häufigkeit des Auftretens aller Arten von Epidemien eine generelle Zeiterscheinung ist und das Buch daher von vorneherein auf Aktualität abzielt, was einem professionellen Schreiber nur gut ansteht.

Die Schrecken des Verblutens geben in seiner Schilderung ein ganz unmedizinisch farbiges Szenario ab, und dieser Hang zu spektakulären Symptomenbildern wie etwa das Weinen blutiger Tränen könnte eine ganz neue Gattung von Sachbüchern schaffen, bei der der Leser zwischen dem Horror eventuellen persönlichen Betroffenseins und der faszinierenden Vielfalt von Krankheitssymptomen, die die Natur hervorbringt, hin- und hergerissen wird. Vielleicht stellt diese Mischung aus Biothriller und Reiseabenteuer ja die Antwort auf die Ermüdung dar, die viele beim schnellen Wechsel von einer Katastrophenmeldung zur nächsten befällt.


Richard Preston
The Hot Zone
Random House