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REZENSION/001: Rainer Erler - Ein Feuerzeichen (Mystik) (SB)


Rainer Erler


Ein Feuerzeichen



Mit dem Namen Rainer Erlers verbindet der aufmerksame Fernsehzuschauer sofort Namen wie "Fleisch" oder "Das blaue Palais" - Fernsehproduktionen, die sich auf spektakuläre Weise mit den Auswüchsen moderner Technologie und Wissenschaft auseinandersetzen. In seinen Romanen, die als Vorlage für diese und andere Spielfilme dienten, versuchte der Autor, die bedrohlichen Perspektiven der modernen Technologieentwicklung über das persönliche Schicksal seiner Akteure plastisch und nachvollziehbar zu zeichnen, was ihm den Ruf eines populären Wissenschaftskritikers einbrachte.

Dieses 1992 erschiene Werk hingegen soll laut Klappentext "in ganz neuer Weise von dem Abenteuer des Okkulten und Unerklärlichen" handeln. Von einem im australischen Busch brennenden Pentagramm gewaltigen Ausmaßes ist die Rede, von Geheimnissen einer mystischen, magischen Welt, und natürlich von einer leidenschaftlichen Beziehung, in der es um Leben und Tod geht. Dementsprechend erwartungsvoll geht der Leser an das Buch heran, denn nicht nur Experten für die schon lang anhaltende Ethnowelle wird durch die Vielzahl der zum Thema erschienenen Filme und Publikationen der Eindruck vermittelt, daß Magie und Zauberei auf dem fünften Kontinent ein geradezu alltägliches Phänomen darstellen. So haben sich feste Vorstellungen über die zauberischen Praktiken der Aborigines etabliert, die vor allem um den Begriff der Traumzeit und das Wissen vermeintlicher Schamanen kreisen. Um so neugieriger muß es machen, wenn ein der hermetischen Tradition der Alten Welt entstammendes Symbol seinen Weg in den australischen Outback findet.

Ganz nach Art eines guten Thrillers beginnt das Buch denn auch mitten im angekündigten Handlungsschwerpunkt mit der Sichtung des aus kilometerlangen Flammenbahnen bestehenden Pentagramms durch den Kapitän eines Jumbo-Jets, der es auf seinem Flug nach Sydney allen Regeln der zivilen Luftfahrt zuwider nicht unterlassen kann, von der festen Route abzuweichen und einen Orbit um das brennende Symbol zu ziehen. Von den Passagieren, die vom langen Flug erschöpft vor sich hindösen, bemerkt nur eine französische Anthropologin und Archäologin die Kursänderung, zieht die Sichtblende hoch und erblickt das Pentagramm. Merkwürdigerweise trägt sie ein Amulett in Form dieses fünfzackigen Sterns um den Hals, und voller Aufregung läßt sie sich die geographische Position dieses außergewöhnlichen Phänomens von der Crew geben.

Die Eigenmächtigkeit des sich auf das Ende seiner Dienstzeit zubewegenden Flugkapitäns gefährdet seine Position bei der australischen Luftfahrtgesellschaft, da man eine Halluzination vermutet, und er bricht in dem ihm verordneten Urlaub auf, die Spuren seiner Sichtung zu finden und Beweise für seine Entlastung beizubringen. In der Wüste Westaustraliens trifft er auf die junge Französin, die sich ohne weitere Erfahrung mit einem Geländewagen in die Einöde aufgemacht hat, wobei sie fast verdurste wäre. Er rettet ihr das Leben, und gemeinsam brechen sie auf, das Geheimnis zu ergründen.

Nach der durchaus interessant geschilderten Fahrt des Flugkapitäns durch den Westen Australiens mit anschließendem Erkundungsflug über die Wüste ist nun alles darauf angelegt, die Spur dieses Geheimnisse in einem ersten Höhepunkt zumindest zu vertiefen und mit weiteren Hinweisen auf seinen Ursprung zu versehen. Doch die Geschichte nimmt einen Verlauf, die den Leser, der aufgrund des Feuerzeichens zu dem Buch gegriffen hat, zwangsläufig frustrieren muß. Es entwickelt sich eine zwar absehbare, aber in ihrer Dominanz alles andere überdeckende Liebesgeschichte zwischen dem Flugkapitän und der Französin, in der deren Ehemann, ein der Chaos-Forschung ergebener Teilchenphysiker des Kernforschungszentrums CERN in Genf, die für die Dramatik unverzichtbare Rolle des Dritten einnimmt.

Diese Dreiecksgeschichte nach dem Leitmotiv "Älterer Mann erlebt zweiten Frühling" bestimmt von nun an das Geschehen, und der Handlungsfaden des nach wie vor geheimnisvollen Pentagramms, daß sich als Scharrbild auf einem Hochplateau herausgestellt hat, verläuft sich in den Diskussionen der esoterisch orientierten Frau und ihres rationalistischen Ehemanns. Der von philosophischen und existentiellen Fragen bisher unbeleckte Flugkapitän wird als Zeuge ihrer Dispute zur Schnittstelle polarisierender Weltanschauungen, die ihn mit Skepsis und Verwirrung erfüllen und vor denen er sich auf seine Position als neutraler Beobachter zu retten versucht. Der Konflikt zwischen der Liebe zu einer verheirateten Frau, die mit Andeutungen über die düsteren Prophezeiungen eines südamerikanischen Schamanen und den vermeintlichen Attributen einer Zauberin versehen weiterhin eine unergründliche Kontur bewahrt, und seiner geordneten Welt als Flugkapitän und Familienvater spiegelt sich im Gegensatz vom Wissenschaftler, der jedes Phänomen mit fraktaler Mathematik als letztlich zufälliges Ergebnis aus einer Vielzahl gleichrangiger Möglichkeiten zu erkennen glaubt, und der Mystikerin, die in allem ein Folge spirituell bedingter Zusammenhänge und schicksalhafter Fügungen sieht.

Rainer Erler stellt diese allzu bekannten Erkenntniskonzepte über weite Strecken scheinbar wertfrei gegenüber, wobei man als unter dem Eindruck massiver okkulter Symbolik stehender Leser natürlich eine Auflösung im Sinne esoterischer Tiefgründigkeit vermutet. Doch man wartet vergebens. Statt dessen verebbt die anfangs aufgebaute Spannung allmählich in an Fernsehreportagen über moderne Grundlagenforschung gemahnende Exkurse etwa in das Kernforschungszentrum CERN, wo der Flugkapitän, der sich eben noch bei einem Flugsimulatortest als Experte in der Handhabung technischer Systeme erwiesen hat, tief beeindruckt die Kathedralen moderner Technologie bewundert, die Magneten des Genfer Elektronensynchrotons, die durch schiere Masse und Größe imponieren.

Fast hat es der durch die zahlenmäßig dokumentierten Extreme der Teilchenphysik erschlagene Leser aufgegeben, auf eine Auflösung des Pentagramm-Geheimnisses zu hoffen, da wird dieser Handlungsstrang in der Heimat der Archäologin in Südfrankreich wieder aufgegriffen. Hier trifft der Flugkapitän, der seine Geliebte allen moralischen und persönlichen Anfechtungen zum Trotz weiter begleitet, auf Pentagramme an Häuserwänden und macht die Bekanntschaft von Menschen, die sich als neue keltische Druiden bezeichnen. Jetzt wird in kurzen Schlaglichtern alles aufgefahren, was man im Zusammenhang mit der Renaissance keltischer Traditionen schon einmal gehört hat, ob es nun mit diesen zu tun hat oder nicht: Kornkreise, Druidenzirkel, Menhire, Dolmen, Gaia und so weiter. Auch das Pentagramm wird als ursprünglich keltisches Symbol bezeichnet, und damit erschöpft sich alles, was es dazu zu wissen gibt. Die einzige erkennbare Funktion des brennenden Pentagramms hatte darin bestanden, daß sich die Wege der Archäologin und des Flugkapitäns keltischer Abstammung kreuzten und diese Begegnung mit einer tieferen und mystischeren Perspektive versehen wurde.

Wohlwollend könnte man sagen, daß Geheimnisse eben nur dann welche sind, wenn man sie nicht ergründen kann. Doch wenn man eine völlig spekulative Verbindung zwischen keltischer Mystik und einer archaischen Steinzeitkultur auf der anderen Seite der Erde erfindet und diese dann auch noch als Dekorationsstück für eine schicksalhafte Liebesgeschichte unaufgelöst stehenläßt, muß man sich den Vorwurf trendorientierter Effekthascherei gefallen lassen. Zudem zeigt der Verfasser auch geringes Verständnis für die von vielen Spekulationen und Legenden umwucherte esoterische Tradition der Kelten, wenn er deren etwas weltfremd gezeichnete Vertreter in einem Zusammenstoß mit christlichen Fundamentalisten umkommen läßt und ihre Visionen von der Wiedererstehung eines keltischen Weltreichs so kurzerhand ad absurdum führt. Ohne auf ihren Glauben weiter einzugehen, führt er mit der Stimme des Wissenschaftlers aus:

Es gibt den staatlich sanktionierten, den gesellschaftlich anerkannten Okkultismus der herrschenden Kirchen und den illegalen, den verbotenen, den totgeschwiegenen, den es zu bekämpfen gilt. Alles nur eine Frage von Macht und Einfluß und Mehrheitsverhältnissen. Dabei ist das eine wie das andere ein archaischer Mythos! Nichts weiter.

Die Frau des Teilchenphysikers wird als Opfer der Hingabe an diesen Mythos dargestellt, denn wenn sie sich nicht zum Glauben der neuen Druiden bekannt hätte, wäre sie nicht in Folge des Anschlags der christlichen Fanatiker gestorben. Schicksalsfäden und mystischer Determinismus bis zum Schluß, aber alles unter dem Zeichen einer allwissenden Überposition:

Wir sind umstellt von Hokuspokus. Es gibt 1000 Variationen davon. Dafür wird gekämpft und gemordet, dafür werden ganze Kulturen vernichtet, im Namen irgendeines Hokuspokus. Aber der Mensch, heißt es, braucht eben einen Halt. Braucht einen Glauben. Auch Aberglauben verleiht Kraft. Braucht seinen persönlichen Hokuspokus, der allen anderen überlegen ist. Statt Frieden zu halten und dem lieben Nächsten sein bißchen Anderes-Hokuspokus zu lassen, machen wir ihn aus Glaubensgründen nieder.

Schon die Differenzierung in Glauben und Aberglauben beinhaltet eine Diskriminierung, die die vorgetragene weltläufige Toleranz als bloße Geste eines gönnerhaften Besserwissers disqualifiziert. Die Attitüde abgeklärter Weisheit erweist sich als Arroganz einer Position, die genau das praktiziert, was sie beim anderen kritisiert: In meinem Wissen und meinem Weitblick bin ich so überlegen, daß ich alle anderen Auffassungen mit einer Handbewegung als irrationale und durchsichtige Psychologismen niedermachen kann.

Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn der Verfasser etwa die Doppelbödigkeit einer solchen nicht unverbreiteten Überposition schildern wollte. Rainer Erler sieht in dieser Erkenntnis jedoch die Lösung aller sozialen Probleme, denn nicht etwa Hunger und Armut stellen Anlässe für Gewalt dar, sondern die unterschiedlichen Glaubenssysteme sollen die Schuld an der Misere der Menschen tragen. Wenn man dann noch bemerkt, daß sich der vermeintlich wissenschaftskritische Autor einem Fortschrittsglauben verpflichtet fühlt, wie er platter nicht ausgeführt werden könnte, wundert man sich nicht mehr über die Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, die die tiefgründigen Diskussionen der Akteure kennzeichnen. Zur Rechtfertigung der hohen Summen, die die Grundlagenforschung verschlingt, führt der wissenschaftliche Protagonist des Autors unter anderem aus:

Die menschliche Neugier ist der Schlüssel für jedweden Fortschritt. Ohne Neugier säßen wir noch in Höhlen, und zwar ohne das Feuer, ohne Werkzeug, ohne Waffen, um zu jagen.

Bei allem vorgetragenen Tiefgang unternimmt Erler nicht einmal den Versuch, den Begriff des Chaos in seiner hier beanspruchten Totalität als mögliches Ergebnis einer willkürlichen Polarisierung herauszustellen, die auf ein- und demselben Erkenntnismodell beruht: Phänomene werden vom Betrachter isoliert und in einem idealisierten Rahmen quantifiziert und vergleichbar gemacht, um zu allgemeingültigen Regeln und Formeln zu gelangen. Allein die Mathematisierbarkeit des sogenannten Chaos dokumentiert ihre wesentlich geordnete Struktur, ebenso wie der Begriff als Kontrastprodukt zur postulierten Ordnung ohne diese nichts auszusagen vermag. Die verwendeten Algorithmen mögen abstrakt und komplex sein, sie sind jedoch durch logische Operationen zustandegekommen und nur im Rahmen streng definierter Anfangsbedingungen in der Lage, berechenbare Ergebnisse zu erbringen.

Das brennende Pentagramm als eine von Millionen möglichen Formen eines Buschfeuers sagt mehr über die menschliche Affinität zu Zeichen und Symbolen aus als über einen postulierten Zufall oder einen tieferen Sinn. Die relative Unwahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit dem plakativen Schlagwort des Zufalls zu belegen drückt nichts anderes aus als das Bedürfnis, andere Deutungen den schwarzen Peter der Spökenkiekerei oder der unbelehrbaren Rückständigkeit zuzuschieben. Tatsächlich wäre auch dieses Ereignis im Sinne des kausalen Nachvollzugs von einer Vielzahl genau zu definierender Bedingungen abhängig, und das Zufällige daran drückt lediglich das Unvermögen der Wissenschaft aus, der Vielzahl der daran beteiligten Faktoren mit Mitteln der beobachtenden und aufgliedernden Analyse zu Leibe zu rücken.

Interessanter wäre da die Frage gewesen, in welche Richtung sich eine Wissenschaft entwickelt, die mit immer umfangreicheren Rechenmodellen und physikalischen Simulationen ein Abbild von etwas zu schaffen versucht, das diesen Versuchen immer um einige Dimensionen der postulierten Parameter Raum, Zeit und Masse voraus sein muß. Die Systeme des wissenschaftlichen Beobachters können kaum den Anspruch einer realistischen Simulation erfüllen, da sie interessenbezogene Ausschnitte darstellen, die von den um sie herum errichteten Bedingungen nicht zu trennen sind, so sehr man auch das Bild des geschlossenen Systems propagiert.

Die schlichtweg auf das Staunen des Lesers abgestellte Präsentation technologischer Produkte zeigt, daß der Autor den Machtanspruch einer Wissenschaft, die vermeintlich interessenneutrale Grundlagenforschung betreibt, nicht kritisch hinterfragen will. Statt dessen läßt er eine Diskussion dieses Themas in die Aussage münden, daß es doch besser sei, das Geld auf diese Weise als für Rüstung auszugeben. Daß derart aufwendige Forschungsvorhaben nur von gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht werden können, die ihre Position in der Welt wirtschaftlich wie auch militärisch behaupten können, daß die davon profitierenden Wissenschaftler mittelbare Vertreter dieses Machtanspruchs sind, daß es sehr wohl ein militärisches Interesse an etwaigen Forschungsergebnissen gibt, diese Kritikpunkte liegen für Erler fernab seiner literarischen Spannweite.

Der Autor muß sich schon den Vorwurf gefallen lassen, den Wissenschaftsbetrieb im oberflächlichen Stil eines Sonntagblattes zu verteidigen, in dem die Wissenschaftler wie hemdsärmlige Wunderkinder ihrem Spieltrieb folgen und in einem lichten Moment grundstürzende Erkenntnisse haben, von deren Auswirkungen sie selbst nicht tangiert werden, da sie in einem vom Überlebensinteresse der Menschheit subventionierten Freiraum nur für den Ausbau von Perspektiven und Szenarios zuständig sind, die die unangenehmen Belange menschlicher Not vergessen lassen. Diesem Sinnbild des ins Reich der Ideen entrückten Denkers steht der in soziale Widersprüche verstrickte Anhänger einer archaischen Religion gegenüber, der diese mit überdurchschnittlichem Engagement und dementsprechender Parteilichkeit vertritt und natürlich scheitern muß, denn warum läßt er sich auch auf ein Konzept ein, das außerhalb des Konsenses der herrschenden Weltanschauungen keine Aussicht auf Erfolg hat. Kurzum, das Credo des Verfassers lautet, wer sich optimal anpaßt, fährt mit Sicherheit am besten.

Vor dieser inhaltlichen Öde ist auch die teilweise spannend geschilderte Liebesgeschichte nicht in der Lage, das überschaubare konzeptionelle Skelett des Romans mit Leben zu erfüllen. Die immer wieder präsentierten Kontrapunkte in der Weltsicht des Ehepaars wirken steril und unverknüpft, da sie inhaltlich nicht weiterentwickelt werden und als Fragmente unvollendeter Positionsbestimmungen stehenbleiben.

"'Es gibt Quarks in verschiedenen Größen", fuhr Mike fort. "Und mit verschiedenen Eigenschaften. Aber beim Zerschlagen der kleinsten Teilchen ist das Top-Quark, das schwerste in der Familie, an das wir fest glauben, weil es berechenbar ist und daher existieren muß, unter den Bruchstücken noch nicht aufgetaucht.' 'Sie suchen Gott!' flüsterte Angèle. Sie stand dicht neben O'Connell, der die Glut unter dem Grill entfachte. 'Und sie lästern Gott! Denn Gott und damit das ganze Programm des Universums steckt in den kleinsten Teilchen. Omigos nannten die Kelten schon die kreative Urkraft der Schöpfung. Es war ihr Gott. Er steckte für sie bereits im Unteilbaren, im Kleinsten. Aber die Physiker von heute finden ihn nicht, bei ihrem Zerschlagen und Zerstören des Kerns. Er verweigert sich ihnen. Und sie wissen auch nicht, was sie tun ...'"

Ein Grundproblem des Romans liegt sicherlich in dem Versuch, stark gezeichnete Gegensätze aufzubauen, die eigentlich keine sind. Je häufiger Rainer Erler auf die konkurrierenden Erkenntnissysteme seiner Hauptpersonen zurückkommt, desto mehr zeigt sich ihre strukturelle Wesensverwandtschaft. Beide nehmen die Existenz unteilbarer Ursachen an, indem sie von einer teil- und zählbaren Existenz ausgehen und vom Postulat einer Wirkung auf eine Ursache schließen, beide unterstellen die Existenz einer übergeordneten Instanz beziehungsweise Gesetzmäßigkeit, die ihrerseits auf einer Trinität beruht, "die Dreieinigkeit der Druiden", "die mystischen Kräfte des männlichen, weiblichen und neutralen Prinzips" beziehungsweise die allen formulierten Gesetzen zugrundeliegende Raum-Zeit-Masse Axiomatik der Physik.

Nicht einmal der Gegensatz des vorgeblich anarchischen und zufallsbestimmten Chaos und der von tiefer Sinnerfüllung geprägten spirituellen Schicksalhaftigkeit hält, was er verspricht. Bei beiden handelt es sich um deterministische Systeme, die lediglich etwas über das vergebliche Interesse aussagen, aus einer Beobachterposition heraus allgemeingültige Prinzipien abzuleiten und mit diesen Zugriff auf die Vielfalt der Kräfte und Wirkungen zu erlangen. Vor allem jedoch handelt es sich bei beiden Weltsichten um zivilisatorische Versuche, die eigene Einflußnahme zu sichern und über die Achsen eines Regelwerks Gültigkeiten zu formulieren, die ausschließlich die Funktion haben, konkurrierende Interessen nach dem Motte "Die Wahrheit ist immer die der Stärkeren" aus dem Feld zu schlagen. So muß die symmetrische Anlage des inhaltlichen Grundthemas das Verhängnis erleiden, das der Dynamik konstruierter Gegensätze eigen ist - der opportunistische Versuch einer Harmonisierung durch achselzuckendes Rezitieren globaler Allgemeinplätze.

"Denn möglicherweise sehen wir Materie zu materiell. Und Energie zu mechanistisch. Vielleicht sind wir dadurch blind für spirituelle Dinge. Und das Atom, das Universum, gleicht dann nicht einer Maschine mit starken und schwachen Bindungskräften, mit Wechselwirkungen, Masse und Ladung, sondern eher einem Gedanken. Keinem menschlichen, eher einem universellen Gedanken, natürlich. Denn unsere Gedanken stammen aus unserem Gehirn. Und das hat sich im Laufe der Evolution in dieser Form lediglich deshalb entwickelt, um uns das Überleben zu sichern. Nicht, um Zusammenhänge aufzuklären, die wir nicht aufklären sollen. Weil der universelle Gedanke sie für sich behalten will." (S.314)

Dies war der letzte Tribut des ein wenig schuldbewußten Wissenschaftlers an seine Ehefrau, die vielleicht nicht so unrecht hatte mit dem Vorwurf der Gotteslästerung durch die Teilchenforscher, doch selbst verschuldet am Drang zur Erkenntnis zugrunde ging. Das so spannend eingeleitete Werk endet nicht mit der Enthüllung okkulter Geheimnisse oder zumindest einer Pointe aus dem Bereich des Übernatürlichen, sondern mit dem moralinsauren Postulat über die Gefahren zu hoch gesteckter Erwartungen und der Empfehlung, sich auf die Anforderungen des Überlebenskampfes zu bescheiden. Damit befindet sich Rainer Erler durchaus auf der Höhe der Zeit, während er mit der Transformation wissenschaftlicher Konzepte in spirituelle Allgemeinplätze wohl einen Notausgang zur Beendigung eines vermeintlichen Widerspruchs gewählt hat, der nach 20 Jahren New-Age-orientierter Physik keinen Leser mehr überraschen kann.


Rainer Erler
Ein Feuerzeichen