Hamed Abdel-Samad
Der Preis der Freiheit. Eine Warnung an den Westen
von Klaus Ludwig Helf, Februar 2025
Hamed Abdel-Samad, einer der schärfsten Kritiker des islamistischen Fundamentalismus hat einen neuen Band vorgelegt. Ausgehend von seinen autoritären Erfahrungen in seiner Kindheit und Jugend in Ägypten und seiner Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft warnt er die westlichen Gesellschaften und vor allem Deutschland davor, den Kampf um die Erhaltung der Freiheiten, des Wettbewerbs der Meinungen und Ideen, aufzugeben. Seine multikulturellen Perspektiven und Erfahrungen, die sich gegen hierarchischen Gruppenzwang, autoritäre oder gar totalitäre Vereinnahmungen aufbäumen, werden in diesem Band exemplarisch aufgefächert und pointiert kommentiert.
Hamed Abdel-Samad ist ägyptisch-deutscher Politikwissenschaftler und Publizist, Mitglied des Beirats der Giordano-Bruno-Stiftung und war Teilnehmer der Deutschen Islam Konferenz; er ist einer der profiliertesten islamischen Intellektuellen und ein dezidierter, oft angefeindeter Kritiker des Islamismus und auch des Islam als Religion. Seit er 2013 bei einem Vortrag in Kairo der Muslimbruderschaft explizit "islamischen Faschismus" vorgeworfen hatte und deshalb eine Fatwa gegen ihn verhängt wurde, muss er unter permanentem Polizeischutz leben. Er hat einige Bücher veröffentlicht u.a. Der islamische Faschismus: Eine Analyse (2014), Aus Liebe zu Deutschland: Ein Warnruf (2020), Schlacht der Identitäten (2021), Islam: Eine kritische Geschichte (2023).
Nach einer orientierenden Einführung Gefangen in der Freiheit folgen sechzehn Kapitel, ein Nachwort, Dank, Anmerkungen und ein Verzeichnis der verwendeten Literatur. Der Freiheitsgedanke sei für viele nicht mehr erfüllend - so Hamed Abdel-Samad -, da er weder Konturen habe noch sinnstiftend sei. Deshalb erlebten alte Ideologien eine Renaissance und polarisierten unsere Gesellschaft: "Dem Westen fehlt ein starkes Gegennarrativ zum Rechts- und Linkspopulismus und zum islamischen Fundamentalismus. Autoritäres Denken und totalitäre Tendenzen kehren unter dem Deckmantel von Progressivität, Multikulturalität und Identitätswahrung nach Europa zurück" (S. 27). Wut und Frustration würden in allen Lagern anwachsen und die Toleranz gegenüber unliebsamen, anderen Meinungen nehme ab. In den Medien und im öffentlichen politischen Diskurs würden "aus falsch verstandener Toleranz" die wirklichen Probleme verschwiegen. Diese fehlende Debatte verhärte die Fronten und fördere die Entstehung von Feindbildern. Es entstünde ein "Zickenkrieg", der diese Gesellschaft zersetze und den Hass zu neuen Dimensionen treibe. Die Verengung des Diskurskorridors zeige eine fatale Schwäche unserer politischen Kultur und führe zu einer Erosion der Demokratie. Identitäre von rechts und links vergifteten das öffentliche Klima, Antisemiten und Staatsfeinde hätten ihre Masken fallen lassen: "Nicht Freiheit, sondern Ideologie, grassierende Angst und zunehmende Gereiztheit bestimmen das Denken und Handeln der Menschen und der Politik" (S. 28).
Besonders im Kapitel zwölf beklagt er kenntnisreich und quellengesättigt den "Haltungsjournalismus" und den narzisstischen Moralismus in den Leitmedien, der den investigativen Journalismus verdrängt habe: Zuerst komme die Haltung des Journalisten, dann die Recherche, die seine Haltung bestätige, die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus verschwimme. Die freiwillige Annäherung zwischen Medien und Politik sei besorgniserregend und eine Gefahr für die Meinungsfreiheit - so Hamed Abdel-Samad.
Auch die junge Generation bekommt ihr Fett ab. Sie sei von einer Denk- und Verhaltensweise gefangen, die von Stammesdenken und Gruppendynamik geprägt sei mit einer hohen Anspruchsmentalität und geringer Toleranz für Frustration und Widerspruch. Freiheit bedeute für sie Konsumfreiheit, Freiheit sich persönlich und beruflich zu verwirklichen und Andersdenkende als Feinde der Freiheit auszugrenzen und zu diffamieren. Oft aufgewachsen frei von Not, Angst und sozialen und politischen Zwängen leide sie unter einem inneren Druck und sei zum "Spielball von Wirtschaft, sozialen Netzwerken und Ideologien" geworden: "Rebellion bedeutet für sie nicht mehr, die herrschende politische Elite herauszufordern, sondern den eigenen politischen, ethnischen oder religiösen Clan zu verteidigen und die eigene Leitideologie des Multikulturalismus, des türkischen oder deutschen Nationalismus zu legitimieren, indem man die Kritiker zum Schweigen bringt" (S. 203).
Was also ist zu tun? Hamed Abdel-Samad plädiert für ein selbstbewusstes, öffentliches und offenes Streiten über die beste Form der Demokratie, "ohne die Demokratie selbst in Frage zu stellen. Und wir müssen ehrlicher über Werte reden, ohne diese Wertedebatte gegen eine bestimmte Gruppe in der Gesellschaft zu richten. Die Wertedebatte sollte als Angebot an uns alle verstanden werden, als gemeinsamer Nenner für eine bessere Kommunikation und ein besseres Zusammenleben" (S. 263).
Dieses Buch ist eine Warnung an uns alle: Kämpft für die Freiheit, denn "Freiheit ist kein Happy End, sondern ein ständiges Bemühen, umsichtig, verantwortungsbewusst, wachsam und bereit für Veränderungen zu sein. Sie ist unsere Art, dem Leben dafür zu danken, dass wir leben dürfen!" (S. 278)
Hamed Abdel-Samad:
Der Preis der Freiheit. Eine Warnung an den Westen.
Dtv Verlagsgesellschaft München 2024, gebunden, 288 Seiten, 24,00 EUR.
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Quelle:
© 2025 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 14. Februar 2025
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