Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

SF-JOURNAL/006: Autoren... Kurd Laßwitz, der erste Deutsche (SB)


Kurd Laßwitz, (1848 - 1910)


Wer kennt ihn heute schon? Obwohl er als der Vater der deutschen Science Fiction gilt und sich den meistgelesensten Science Fiction- Autor seiner Zeit nennen konnte, findet man ihn nicht einmal mehr in renommierten Autoren- oder Personenlexika erwähnt. Um so mehr ein Grund, ihn an dieser Stelle zu würdigen, wenn man ein unverbesserlicher Fan des Genres ist.

Übrigens wurde ihm zu Ehren 1981 der wichtigste deutsche SF- Literaturpreis "Kurd-Laßwitz-Preis" genannt.


*


Persönliche Daten

Liest man die persönlichen Daten von Kurd Laßwitz, gewinnt man den Eindruck, daß er ein unscheinbares Leben geführt hat, etwas verkannt von den wissenschaftlichen Institutionen, denen er sich gerne ganz zugewandt hätte.

Kurd Laßwitz wurde am 20. April 1848 in Breslau geboren. Sein Vater war Eisengroßhändler. In Breslau schloß er mit achtzehn das Gymnasium ab und studierte dort von 1866 bis 1869 die Fächer Mathematik und Physik. Er interessierte sich auch für Astronomie. Ein weiteres Jahr, bis 1870, verbrachte er an der Berliner Universität, dann unterbrach er sein Studium durch die freiwillige Meldung zum preußischen Feldheer. Aber er kam nicht zum Einsatz.

1873 promovierte er zum Doktor der Philosophie und legte das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab. Seine Doktorarbeit heißt "Über Tropfen, die an festen Körpern hängen und der Schwerkraft unterworfen sind" und findet bis heute Beachtung.

Bis 1908 unterrichtete Laßwitz Mathematik, Physik und Geographie am Gymnasium in Breslau, später in Gotha. Es heißt, dort sei auch Hans Dominik sein Schüler gewesen. Je länger Laßwitz an der Schule war, desto weniger Freude hatte er an dieser Tätigkeit, die ihm allerdings Zeit zum Schreiben ließ.

1897 kam ein Roman heraus, der von den Nationalsozialisten verboten wurde, weil sie ihn für zu "demokratisch" hielten: "Auf zwei Planeten", eine Weltraumutopie. Er drückt Laßwitz' Grundeinstellung zu Wissenschaft und Technik aus, die er auch als Mittel sieht, die Menschheit zu verbessern. Er beschreibt eine Weltraumstation der Marsianer über dem Nordpol der Erde (übrigens die erste literarische Konzeption einer solchen Station überhaupt). Von dort aus werden zwei Forscher als Beobachter mit zum Mars genommen. Sie erkennen in den Marsianern ein Ebenbild des Menschen, doch gleichzeitig sind sie ihnen technisch und moralisch überlegen. Nach einer Auseinandersetzung zwischen Marsianern und Erdbewohnern entwickelt sich ein marsianisches Protektorat über Europa, das zunächst zur Auflehnung der Menschen führt, dann aber zum Frieden.


*


Werke und Leseprobe

Kurd Laßwitz gilt als der große Autor aus den Anfängen der deutschsprachigen Science Fiction und hat in seinen Werken viele SF- Themen und technische Entwicklungen vorweggenommen. Er schrieb aber nicht nur Geschichten über die Zukunft, sondern auch phantastische Literatur und wissenschaftliche Abhandlungen. Allen gemeinsam ist seine Grundeinstellung zum menschlichen Dasein: Der Mensch hat sich von der einzelligen Amöbe bis zur höchsten Entwicklungsstufe in der Natur durchgekämpft. Nun fragt er nach dem Sinn und dem Ende des Lebens und geht davon aus, daß er seine Allmachtstellung halten kann. Dieses Selbstbewußtsein war die Voraussetzung und der Maßstab für die Inhalte einer ganzen Generation von Science Fiction-Romanen bis in die 50er Jahre. Aus Vergangenheit und Gegenwart entwickelt sich das Zukunftsmodell eines Menschen, der die Sterne erreichen wird.

"Homchen - Ein Tiermärchen aus der oberen Kreide", ein phantastischer Vorzeitroman (1902), den Laßwitz selbst sehr schätzte, gehört zu seinen wenigen Romanen. In ihm schildert er anhand des kleinen Kala, was er über die Evolution des Menschen zu sagen hat. Homchen (= "Menschlein") ist ein kleines Wesen, ein Angehöriger der Rasse Kala, einer Art Kleinbeuteltiere. Er ist nicht größer als ein dreijähriges Kind, aber pfiffig, gerissen und selbstbewußt, und unter dem Motto "Klugheit besiegt die Stärke" kämpft er mit den Sauriern der Kreidezeit, dem großen Feuer und sogar der Mißgunst seiner eigenen Rasse.

In einem Aufsatz "Zukunftsträume" entwickelt Laßwitz die folgende Evolutionphilosophie. Ausschnitte dieser Abhandlung sind dem Roman "Homchen" vorangestellt und inhaltlich eng mit ihm verknüpft:

Der Mensch lebt in Raum und Zeit als ein Teil der Natur, ihren undurchbrechlichen Gesetzen unterworfen. Ein Produkt des Entwicklungsprozesses, ist er heraufgestiegen im Laufe der Jahrmillionen im steten Kampfe ums Dasein aus der Reihe der Organismen, die als minderkräftige Geschöpfe auf der Stufe der Tierwelt stehen blieben. In der Wechselwirkung der Naturkräfte ist sein Nervensystem zu jener Feinheit der Ausbildung gelangt, daß sein Gehirn einen großen Teil des Weltgeschehens in geordneten Formen miterlebt. Diesen ordnenden Vorgang nennen wir Erkennen, und diese Erkenntnis gibt dem Menschen das Mittel, seine Herrschaft über die Natur zu gewinnen, zu behaupten und zu erweitern.

Und das ist die umgesetzte Theorie in Homchens Gesang:

Homchen heiß' ich,
Echsen beiß' ich,
Mehr als alle Tiere weiß ich.
Schlangen schlag' ich,
Flammen trag' ich,
Neue Wunder sag' und wag' ich.

(aus dem Vorwort des Romans von Kurd Laßwitz: Homchen - Ein phantastischer Vorzeitroman, Bastei Verlag)


*


Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1998

5. Januar 2007