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BUCHTIP/1211: Fünf provokante Thesen zur Wissensgesellschaft (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 17.11.2010

Fünf provokante Thesen zur Wissensgesellschaft

Bernd-Olaf Küppers legt ein neues Buch vor: "Wissen statt Moral"


Jena (17.11.10) Der Biophysiker und Philosoph Prof. Dr. Bernd-Olaf Küppers, Direktor des Frege Centre for Structural Sciences der Jenaer Universität, hat mit seinem neuen Buch eine Streitschrift verfasst, die gewiss für Furore sorgen wird.

Gleich in seiner ersten These "Unwissenheit, die sich vermehrt, wird unsichtbar", erteilt Küppers jeglichem Schöpfungsglauben und esoterischem Aberglauben eine harsche Abfuhr, weil diese häufig in Form eines Pseudowissens daherkommen und nicht nur dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt im Wege stehen, sondern auch zu einer progressiven "Selbstverdummung" der Gesellschaft führen würden.

Mit seiner zweiten These "Unsere Zukunft liegt in unserer Urteilsfähigkeit" kritisiert Küppers ebenso scharf die diffusen Ängste vor Wissenschaft und Technik, wie sie in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Urteile, so die Quintessenz dieser These, dürfen nur auf der Grundlage fundierten Wissens gefällt werden. Zu diesem Zweck müsse sich die Gesellschaft ihr Wissen jedoch immer wieder aufs Neue erarbeiten, um es in seiner Tiefe und Tragweite einschätzen zu können. Dies setze vor allem ihre geistige Unabhängigkeit von den Massenmedien voraus.

Auf die unheilvolle Allianz von Moral, Religion und Dogmatismus geht Bernd-Olaf Küppers in seiner dritten These "Das Fundament der Wissensgesellschaft ist der Relativismus" ein. In Krisenzeiten würde schnell der Ruf nach "mehr Moral" ertönen, wie jüngst in der Finanzkrise. Der wohlfeile Schrei nach Moral verstelle jedoch die klare Sicht auf Ursachen und Zusammenhänge der Krise. Eine überbordende Moral, die absolute Geltung beansprucht und am Ende sogar das Wissen beherrscht, sei für die Wissensgesellschaft geradezu Gift, weil sie den wissenschaftlich-technischen Fortschritt behindern würde.

"Der Mensch ist das Maß aller Dinge", so hat Bernd-Olaf Küppers die vierte These seines Buches zugespitzt. Die dort vorgetragenen Überlegungen werden vermutlich heftige Reaktionen auslösen, brechen sie doch mit einem gesellschaftspolitischen Dogma, demzufolge die Bewahrung der Natur zu den obersten Zielen gesellschaftlichen Handelns gehört. Dem setzt Küppers die Forderung einer freien Gestaltung der Natur und damit der Ausschöpfung der in der Natur angelegten Möglichkeiten entgegen. Die Vorstellung von der Bewahrung der Natur, so Küppers, sei bereits zu einer fixen Idee geworden, die jedoch im Widerspruch zur Evolution der Natur stünde. Mehr noch: Die Freiheit des Menschen würde sich erst in vollem Umfang verwirklichen, wenn er sich auch von den Fesseln der Natur zu befreien vermag.

Die fünfte und letzte These lautet "Nur Wissen kann Wissen beherrschen". Kassandrarufe, die Technik habe sich verselbstständigt und sei nicht mehr beherrschbar, verweist Bernd-Olaf Küppers ins Reich der Legende. Schließlich läge die Kontrolle über Wissenschaft und Technik in der Hand des Menschen. Gleichwohl müsse es das Ziel der Wissensgesellschaft sein, die Kontrolle über das Wissen dem Wissen selbst zu überantworten. In diesem Sinn skizziert Bernd-Olaf Küppers in seinem Buch die Grundzüge einer Wissenstechnologie, welche die Tiefen menschlichen Wissens nutzbar und damit das Wissen selbst beherrschbar macht. Ihre Werkzeuge, so der Kern seiner These, muss die Wissenstechnologie aus den Strukturwissenschaften beziehen. Für deren Weiterentwicklung in Forschung und Lehre setzt sich Küppers seit vielen Jahren mit Nachdruck ein.

Das Buch "Wissen statt Moral" stellt provokante Thesen auf und fordert vehement zur Diskussion heraus. Eine kritische, aber nicht demagogische Auseinandersetzung ist dem Werk zu wünschen.


Bibliographische Angaben:
Bernd-Olaf Küppers: "Wissen statt Moral. Fünf Thesen zur Wissensgesellschaft"
Fackelträger-Verlag, Köln 2010, 189 Seiten
Preis: 19,95 Euro, ISBN: 9-788-3-7716-4420-8

Weitere Informationen unter:
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Stephan Laudien, 17.11.2010
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2010