Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → FILM/VIDEO

FILMKRITIK/008: "Hellboy - Die goldene Armee" - Fantasy Abenteuer (SB)


"Hellboy, Die goldene Armee"
Eine überraschend märchenhafte Schöpfung




An die zweite Hellboy Verfilmung, die am 16. Oktober ins Kino kam, hatte ich offen gestanden keine besonders großen Erwartungen, da ich davon ausging, daß hier lediglich das bereits bekannte Motiv der Monsterjagd in einer leicht veränderten Variante präsentiert werden würde. Vor allen Dingen das bunte Kaleidoskop aus verheißungsvollen Bildern, das man im vorab gezeigten Trailer zu Gesicht bekam, weckte in mir den Verdacht, der Regisseur Guillermo del Toro habe sich einfach nur großzügig an den monströsen Erscheinungen aus seinem Werk "Pan's Labyrinth" bedient, um die Comicadaption optisch etwas interessanter zu gestalten.

Glücklicherweise wurden beim Anschauen des Films meine negativen Annahmen widerlegt, da überraschend viele neue Elemente den zweiten Teil sowohl visuell als auch von den Schwerpunkten der Handlung her deutlich vom Vorgänger abhoben.

Die Leitlinie der Geschichte bildet ein klassischer Konflikt zwischen Menschen und Elfen, der nach Jahrhunderten neu entflammt. In alten Zeiten hatten sich die beiden Völker in einem blutigen Krieg gegenseitig in solchen Mengen abgeschlachtet, daß der König der Elfen beschloss, das Leid durch einen möglichst bruchfesten Friedenspakt zwischen beiden Seiten zu beenden. Er verfügte zu diesem Zeitpunkt über eine extrem mächtige Armee aus siebzig mal siebzig mechanischen Kriegern, die in der Lage war, den Gegner gnadenlos und ohne Pause nieder zu machen. Sein Sohn Nuada hatte diese Todesmaschinerie gebaut, um den verhaßten Menschen den Garaus zu machen, doch der Vater verzichtete auf eine endgültige Vernichtung der Gegenseite. Zur Absicherung des Friedens schuf er eine goldene Krone und teilte sie in mehrere Stücke auf, von denen er eines den Menschen gab. Nur der Träger der vollständigen Krone hatte fortan noch die Macht, über die goldene Armee zu gebieten. Der nun geschlossene Pakt forderte, daß die Menschen in ihrem Lebensraum bleiben und den Elfen die Wälder überlassen sollten. Jahrhundertelang hielt diese Abmachung, doch sie geriet auch in Vergessenheit und die Menschen dehnten ihren Machtbereich immer weiter aus, bis sie das Volk der Elfen vollkommen in die düsteren Schatten ihrer Welt abgedrängt hatten.

Eines Tages beschließt der Elfenprinz Nuada, die Verdrängung seines Volkes nicht länger hinzunehmen und den Krieg mit den Menschen erneut zu entfachen. Zu diesem Zweck will er die goldene Armee wieder erwecken und stiehlt ein Bruchstück der Krone aus einer Sammlung alter Artefakte von seinen Widersachern. Dieser Diebstahl ruft natürlich die paranormalen Ermittler der B.U.A.P. auf den Plan, allen voran Hellboy. Sie ahnen allerdings zunächst nicht, welche Katastrophe der Menschheit bevorsteht, falls Nuada mit seinen Plänen Erfolg haben sollte.

In vertrauter Besetzung stürmen Hellboy (Ron Perlman), die Pyrokinetin Liz Sherman (Selma Blair) und das emphatische Fischwesen Abe Sapien (Doug Jones) einen verborgenen Trollmarkt, denn sie hoffen, dort mehr über die Bedeutung des geheimnisvollen Kriegssymbols herauszufinden, welches am Tatort zurückgelassen wurde. Dort begegnen sie der Zwillingsschwester des Elfenprinzen, Prinzessin Nuala, die mit einem weiteren Bruchstück der Krone auf der Flucht vor ihrem rasenden Bruder ist. Sie möchte die Kriegspläne von Nuada durchkreuzen und ist bereit, das Rätsel um den versteckten Standort der goldenen Armee gemeinsam mit den Agenten der B.U.A.P zu lösen. Ungünstigerweise steht sie jedoch in einer regelrecht symbiotischen Verbindung zu ihrem Zwillingsbruder, der ihr dementsprechend dicht auf den Fersen ist.

Zusätzlich wird das ganze Unterfangen noch dadurch kompliziert, daß Abe Sapien sich unsterblich in die emphatisch begabte Elfenprinzessin verliebt. Die Liebe ist das zweite große Thema des Films und gipfelt unvermutet in einer Szene, die etwas von einem Musical an sich hat und worin der harte Kerl Hellboy und sein Freund Abe in bierseliger Laune ihre Herzensdamen besingen. Solche mit Bedacht eingesetzten Überraschungen geben der Geschichte einen ganz unerwarteten Dreh wodurch der Streifen sich klar von einem reinen Actiospektakel abhebt. In solchen Sequenzen zeigt sich, wie flexibel die Macher eines Films sind, wenn es darum geht, einen Stoff mit Leichtigkeit anzufassen und zwischendurch auch mal alles auf die Schippe zu nehmen.

Viele witzige Situationen kommen in "Hellboy, Die goldene Armee" auch deswegen zustande, weil der rote Held diesmal von der Behörde einen Aufpasser aufgedrückt bekommen hat. Johann Kraus ist ein Wesen, das nur aus Ektoplasma besteht und zunächst ein strenges, militärisches Kommando über das B.U.A.P Team führt. Seine vornehmliche Aufgabe besteht darin, Hellboys unberechenbares Temperament unter Kontrolle zu bringen, speziell dessen Neigung, geheime Aktionen der Behörde hemmungslos in der Öffentlichkeit breitzutreten, um seinen Vorgesetzten Dr. Manning bloß zu stellen. Ständig provozieren sich der kühle Wissenschaftler Krauss und sein knallroter Widerpart gegenseitig, wobei Hellboy oft in Rage gerät, und bieten den Zuschauern durch den dauernden Hickhack häufig Grund zum Lachen.

Der zweite Teil der Hellboy Saga wartet natürlich auch mit etlichen Kampfszenen auf, die zudem oft den formschönen Charakter von chinesischen Martial Arts Sequenzen aufweisen oder an klassische Mantel und Degen Action erinnern. Auch in dieser Hinsicht ist eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber dem ersten Teil zu erkennen. Humor, kernige Sprüche und fiese Finten kommen in den Gefechten nie zu kurz, wobei auch die jeweilige Umgebung häufig zum taktischen Bestandteil der Auseinandersetzungen wird.

Die bemerkenswerteste Neuerung von allem sind jedoch die zahllosen märchenhaften Wesen, welche die Leinwand bevölkern. Dabei glänzen die Fabelwesen von der kleinsten Zahnfee bis zum riesengroßen, häßlichen Troll nicht nur durch ein innovativ gestaltetes Äußeres und außerordentliche Vielfalt. Es wird auch Wert darauf gelegt, ihre unterschiedlichen Charaktere und Eigenarten mindestens in groben Zügen darzustellen. Dabei wird auf eine moralische Gliederung in Gut und Böse weitgehend verzichtet, denn obgleich einige der Kreaturen tierhafte Eigenschaften haben, andere jedoch eher als Geister zu beschreiben wären und wieder andere in beinahe menschlicher Weise so gerissen wie habgierig sind, leben sie doch alle in einer Grauzone der Fantasie. Einzig von der Welt der Menschen schotten sich die meisten von ihnen ab, weil sie dort als Freaks oder Monster betrachtet werden.

Dieser Konflikt zwischen der rationalen menschlichen Realität und dem wilden, freigeistigen Treiben der Phantasiegeschöpfe ist ein weiteres Thema, das im Verlauf des Films immer wieder angeschnitten wird. Letzten Endes betrifft diese Problematik auch Hellboy und seine Freunde, die oft genug selbst unter dem engen Regelwerk des Menschengeschlechtes zu leiden haben.

Die Kluft zwischen den Welten zeigt sich nicht zuletzt in einer visuell brilliant umgesetzten Eigenschaft, die alle Märchenwesen in der Erzählung mit sich bringen. Sie leben in ihrem ganz eigenen Millieu, welches sie auch in der Wirklichkeit der Menschen ständig begleitet. Normalerweise bleiben sie den Menschen verborgen, vornehmlich, weil sie buchstäblich in den Untergrund verdrängt wurden. So vegetieren beispielsweise die Elfen in den Gewölben und dunklen Abgründen der Kanalisation dahin, doch aufgrund ihrer Magie sind sie selbst dort immer von einem goldenen Blätterregen umgeben, in dem sich ihre ursprüngliche Heimat der Wälder manifestiert. Der Kontrast zwischen Schönheit und Elend, in dem die bleichen Elfenwesen leben, wird in sehr gelungener Weise vermittelt. Neben einigen unansehnlichen Handlangern und Untergebenen verfügen sie zudem über mächtige Verbündete wie einen imposanten Waldgeist, der am Ort seiner Manifestation den Asphalt mit blühenden Pflanzen und grünem Wurzelwerk übergießt. Sowohl seine Gestalt als auch das vor Leben berstende Erscheinen dieses Elementars erinnern stark an japanische Animes wie etwa "Prinzessin Mononoke" und viele andere derartige Zeichentrickfilme. Mir persönlich hat diese Parallele wahnsinnig gut gefallen, denn solche Interpretationen typisch japanischer Geisterdarstellungen sind in westlichen Filmen nicht unbedingt an der Tagesordnung.

Ein weiteres Kleinod ist der orientalisch inspirierte Hexenkessel des Trollmarktes, der vielmehr einen eigenen Ort als nur die Kulisse für eine Ermittlung darstellt. Unter peniblem Verzicht auf eine standardmäßig einheitliche, keltische Symbolik griffen die Macher dieser Hellboy Verfilmung tief in die Wundertüte fernöstlicher, orientalischer und irischer Mythologie, um sie alle in einem farbenprächtigen, doch stimmigem Gesamtbild miteinander zu vereinen. Das Ergebnis ist eine einzigartige Inszenierung traumhafter Märchenwelten vor dem Hintergrund eines knallharten, rasanten Abenteuers, in dem Hellboy und seine Kameraden neben Kämpfen auf Leben und Tod auch einige Rätsel zu lösen haben. Sogar eine gewisse emotionale Entwicklung der einzelnen Figuren fand noch Platz in dieser originellen Fortsetzung und selbst die Befürchtung, man würde sich optisch dauernd an bereits bekannte Schöpfungen aus dem Erfolgsfilm "Pan's Labyrinth" des Regisseurs Guillermo del Toro erinnert fühlen, erwies sich glücklicherweise als unbegründet.

Der Film ist ein Lichtblick der Unterhaltung im herbstlichen Dunkel.

26. Oktober 2008


Hellboy - Die goldene Armee
(Hellboy II: The Golden Army)
(FSK: 12)
Besetzung: Luke Goss, Doug Jones,
Ron Perlman, Selma Blair
Regisseur: Guillermo Del Toro
Autor: Guillermo Del Toro
Filmlänge: 02:00:00
Offizielle Website: http://www.hellboy-film.de
Kinostart: 16. Oktober 2008