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SPRACHE/954: Studie - Bevölkerung des Saarlandes für Mehrsprachigkeit (idw)


Freie Universität Berlin - 30.05.2017

Studie: Bevölkerung des Saarlandes für Mehrsprachigkeit und stärkere Förderung des Französischen


Die Bevölkerung des Saarlandes möchte einer Studie der Freien Universität Berlin zufolge stärker mehrsprachig werden und dem Französischen im Alltag einen größeren Stellenwert einräumen. Wie die Erhebung von Dr. Philipp Krämer vom Interdisziplinären Zentrum "Europäische Sprachen" der Freien Universität weiter ergab, befürworteten rund 62 Prozent der Befragten die Frankreichstrategie der amtierenden Großen Koalition aus CDU und SPD im Saarland. Sie bewerteten das Vorhaben als "gut" oder "eher gut"; während 38 Prozent es "eher schlecht" oder "schlecht" einstuften.

Schon jetzt verfügten die Menschen im Saarland über gute Französischkenntnisse und nutzten diese in privaten und beruflichen Zusammenhängen.

Eine Mehrheit der Befragten hält es der Studie zufolge allerdings für unrealistisch, dass das Saarland innerhalb einer Generation - also etwa bis Mitte der 2040er Jahre - mehrsprachig wird; dies wird von der Landesregierung angestrebt. Obwohl eine klare Mehrheit der Befragten die Frankreichstrategie grundsätzlich unterstützt, zeichnet sich bei der praktischen Umsetzung insgesamt ein skeptisches Bild ab: So wurden einzelne geplante Maßnahmen wie zweisprachige Schilder, bilinguale Kindertagesstätten und ein Verbindungsbüro in Paris von einer Mehrheit befürwortet; die Einführung des Französischen als zweite Verkehrssprache des Saarlandes allerdings lediglich von etwa einem Drittel der Bevölkerung.

Die Frankreichstrategie der Landesregierung des Saarlandes sieht vor, Französisch dort unter anderem durch ein breites Bildungsangebot als zweite Alltagssprache zu etablieren. Ziel ist es, das Saarland zu einer "mehrsprachigen Region deutsch-französischer Prägung" zu machen. Für die unabhängige Studie wurden im April knapp 1200 Saarländerinnen und Saarländer aller Altersgruppen befragt.

Wie die Befragung weiter ergab, ist die Zustimmung zur Frankreichstrategie in den grenznahen Gebieten und vor allem in der Landeshauptstadt Saarbrücken am höchsten. Im Nordsaarland bewertet dagegen eine knappe Mehrheit die Frankreichstrategie negativ. "In allen Altersgruppen überwiegt die Zustimmung zur Frankreichstrategie; im Altersbereich zwischen 30 und 50 Jahren ist diese aber weniger deutlich ausgeprägt als bei den über 50-Jährigen", erläuterte Sprachwissenschaftler Dr. Philipp Krämer. "Ein Grund dafür könnte sein, dass Eltern mit schulpflichtigen Kindern bei Veränderungen im Schulsystem generell zurückhaltend reagieren." Auffällige Effekte bei anderen soziodemografischen Faktoren hätten sich nicht ergeben; die Zustimmung überwiege auf allen Bildungsniveaus und in allen Beschäftigungsgruppen.

Der Studie zufolge hält allerdings eine Mehrheit der Bevölkerung die Frankreichstrategie nicht für sich persönlich relevant. "Für viele wird offenbar noch nicht deutlich, welche Vorteile sie selbst von der Frankreichstrategie haben könnten", betont Philipp Krämer. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Umsetzung werde von den Befragten weithin als unzureichend angesehen.

In der Frage der Finanzierung der Frankreichstrategie sind die Befragten den Ergebnissen zufolge gespalten: Eine relative Mehrheit empfinde die Kosten als angemessen, einzelne dagegen hielten die Frankreichstrategie für unterfinanziert. "Es wäre hilfreich, die Finanzierung insgesamt transparent zu machen und in eine Relation zu anderen Ausgaben zu setzen", unterstreicht Philipp Krämer.

Die Befragten sehen der Studie zufolge zudem keine deutliche Verknüpfung zwischen der Frankreichstrategie und der Sicherung der weiteren Eigenständigkeit des Saarlandes als eines von 16 Bundesländern. "Vor diesem Hintergrund ist es wohl fraglich, ob es sinnvoll ist, die Frankreichstrategie als Weg zur Sicherung der Eigenständigkeit des Saarlandes zu kommunizieren", betont Philipp Krämer. Allerdings finde die Frankreichstrategie tatsächlich mehr Anklang bei denjenigen Befragten, die das Saarland auch künftig als eigenes Bundesland erhalten möchten. Wer eine Länderfusion befürworte, lehne dagegen die Frankreichstrategie deutlich häufiger ab.

Dr. Philipp Krämer ist Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Er stammt aus Homburg/Saar und studierte französische Philologie, Politikwissenschaft und Europarecht an der Freien Universität Berlin und am Institut d'Études Politiques in Straßburg. Er promovierte in französischer Sprachwissenschaft und beschäftigt sich in seiner Forschung unter anderem mit Sprachpolitik und Mehrsprachigkeit, Spracheinstellungen und der sozialen Bedeutung von Sprachen etwa im Rahmen von Migration oder Kolonialismus. Er lehrt zudem niederländische Sprachwissenschaft und untersucht Kontaktsituationen in Grenzgebieten germanischer und romanischer Sprachen. Regionale Schwerpunkte sind der Raum Saar-Lor-Lux zwischen dem Saarland, Luxemburg und der nordöstlichen französischen Region Elsaß-Lothringen und die Benelux-Region zwischen Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, aber auch französische Überseegebiete.

Das Interdisziplinäre Zentrum "Europäische Sprachen" ist der Zusammenschluss der sprachwissenschaftlichen Fächer der Freien Universität Berlin. Darin arbeiten Linguistinnen und Linguisten der Germanistik, der Anglistik, der Romanistik, der Niederlandistik und der Turkologie zusammen.


Die Studie:
Die gesamte Studie kann als PDF in der Pressestelle der Freien Universität oder bei Dr. Philipp Krämer angefordert werden; im Internet ist sie auf der Website des Saarländischen Rundfunks verfügbar: http://www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/studie_frankreichstrategie106.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution9

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Freie Universität Berlin, Carsten Wette, 30.05.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2017

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